GLS Anlageausschuss - Was kommt rein, was bleibt draußen?

GLS Anlageausschuss – Was kommt rein, was bleibt draußen?

Es ist das Herzstück des Auswahlprozesses der GLS Bank: der GLS Anlageausschuss. Das interdisziplinäre und autonome Gremium kommt drei bis vier Mal im Jahr zusammen. Die internen und externen Expert*innen entscheiden auf Basis der umfangreichen Analysen des GLS Nachhaltigkeitsresearchs über die Aufnahme oder Ablehnung jeder Investition. Nur Titel, die diesen Prüfschritt bestehen, werden in das GLS Anlageuniversum aufgenommen.

Doch was genau besprechen die Expert*innen? Einen Einblick in die Herbstsitzung gewährt Richard Buch, Nachhaltigkeitsspezialist der GLS Investments.

Herr Buch, Ende September kam der GLS Anlageausschuss zu seiner Online-Herbstsitzung zusammen. Was macht diesen Tag für Sie aus?

Die Sitzungen des GLS Anlageausschusses sind für das gesamte GLS Nachhaltigkeitsresearch-Team die wichtigsten Tage im Jahr, auf die wir akribisch hinarbeiten. Mehrere Monate prüfen wir umfangreich Unternehmen, Fonds, Anleihen oder Staaten auf ihre Nachhaltigkeit. Unsere Erkenntnisse schicken wir dem Anlageausschuss dann vorab per Mail zu, damit die Mitglieder sich ebenfalls intensiv vorbereiten können.

In der Sitzung selbst stellen dann die erfahrenen, externen Expert*innen unsere Ergebnisse auf den Prüfstand. Das sind sehr spannende, aber auch herausfordernde Diskussionen auf einem sehr hohen Niveau. Im Detail müssen die Mitglieder u.a. abwägen, ob Unternehmen Kontroversen und Vorwürfe angemessen ernst nehmen, wie ehrlich klimaschützende Maßnahmen umgesetzt werden oder ob der Klimaschutz nur auf der Greenwashing-Fahne weht.

Schauen wir auf die vergangene Herbstsitzung. Wie viele Investitionen haben Sie besprochen?

Insgesamt haben wir uns vorgenommen, 35 Entscheidungen zu fällen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der Anlageausschuss hat zwölf Titel aufgenommen, neun abgelehnt, neun beibehalten, drei entfernt. Bei zwei Emittenten hat er nach Art der Wertpapiere differenziert.

Welche Titel haben Sie aufgenommen?

Wir freuen uns in diesem Quartal über Neuaufnahmen aus verschiedensten Branchen. Ein Schwerpunkt war der Energiesektor. Wir sind überzeugt, dass die Energiewende mit großen Schritten vorangetrieben werden muss. Ein Beispiel ist der dänische Konzern Ørsted: Er hat zwar eine fossile Vergangenheit, sich aber der Transformation verschrieben und bereits jetzt über 90 Prozent Erneuerbare Energien im Portfolio. Für eine bessere dezentrale Versorgung sorgt aus unserer Sicht auch Enphase Energy aus den USA. Das Unternehmen bietet Mikro-Wechselrichter an, die durch Photovoltaik erzeugten Gleichstrom für jedes Modul einzeln in Wechselstrom wandeln. Wir haben ebenfalls ein Cybersicherheits-Unternehmen sowie zwei Medizintechnik-Unternehmen mit seinen Produkten rund um Wasserqualität und -einsparung aufgenommen.

Unternehmen sind die eine Seite. Haben Sie auch Green Bonds aufgenommen?

In der Tat unterscheiden wir zwischen Green Bonds und Unternehmen. Green Bonds können als grüne Anleihen gesehen werden. Unternehmen emittieren diese Anleihen, um spezielle nachhaltige und klimaschonende Projekte zu refinanzieren. Manchmal überzeugt uns nur der Green Bond, das Unternehmen selbst entspricht (noch) nicht den sozial-ökologischen Standards der GLS Bank. Beispiele dafür sind das Unternehmen Entra, das grüne Immobilien in Norwegen finanziert, sowie die tschechische staatliche Eisenbahngesellschaft České Dráhy, deren Green Bonds die Elektrifizierung des Schienenverkehrs voranbringen.

Es geht aber nicht nur um Neuaufnahmen, sondern auch um die Beibehaltung von Titeln, richtig?

Ja, regelmäßig überprüfen wir alle Titel des GLS Anlageuniversums und stellen unsere aktualisierten Bewertungen dem Anlageausschuss vor. Es wird diskutiert, ob das Geschäftsmodell immer noch genauso positiv bewertet werden kann, wie bei der Aufnahme in das GLS Anlageuniversum, oder ob mittlerweile kontroverse Praktiken zu einem Ausschluss führen. Weiterhin überzeugen konnten uns in dieser Sitzung z.B. Unternehmen aus der Branche erneuerbare Energien, wie der global agierende Photovoltaik-Konzern SunPower aus den USA oder die Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (KELAG). Im Bereich nachhaltige Mobilität entspricht die französische ÖPNV-Gesellschaft Regie Autonome des Transports Parisiens (RATP) weiterhin unserem Nachhaltigkeitsverständnis. Der dänische Versicherungskonzern Tryg, die niederländische Spezialbank Nederlandse Waterschapsbank (NWB) und die Berliner Hyp überzeugen uns in der Branche Banken und Finanzdienstleister weiterhin und verbleiben im Anlageuniversum.

Wie sieht es mit Titeln aus, die es nicht in das Anlageuniversum geschafft haben?

Wir haben vor dem Anlageausschuss aus sozial-ökologischer Sicht vielversprechende Unternehmen geprüft, bei denen sich der Anlageausschuss aber am Ende doch gegen eine Aufnahme entschieden hat. Die Gründe sind vielfältig, wie wir an zwei Beispielen aufzeigen möchten: Der italienische Garnhersteller Aquafil hat einen zu hohen Primärrohstoff-Anteil bei seinen ohnehin synthetischen Fasern und setzt zu sehr auf chemisches (statt mechanisches) Recycling. IQVIA Holdings aus den USA ist ein Life-Science-IT-Unternehmen, das viele Medikamenten-Studien durchführt. Im Globalen Süden beachtet es dabei zwar die anerkannten Normen, bietet aber keinen ausreichenden Datenschutz.

Wir schauen uns übrigens nicht nur Unternehmen, Green Bonds und Banken an, sondern auch andere Fonds. Von drei untersuchten Fonds konnte uns nur der Triodos Microfinance Fund überzeugen.

Und wie sieht es mit Unternehmen aus, bei denen Kontroversen bekannt geworden sind. Befasst sich der Anlageausschuss auch damit?

In der Tat ist es eine wichtige Aufgabe des Anlageausschusses abzuschätzen, inwiefern bei auftretenden Kontroversen Unternehmen noch den sozial-ökologischen Standards der GLS Bank entsprechen. Um dem Ausschuss eine bestmögliche Entscheidungsgrundlage zu liefern, führen wir Dialoge mit diesen Unternehmen und legen ihnen unsere Erkenntnisse vor. Wir wollen im Dialog herausfinden, wie die Unternehmen mit Vorwürfen umgehen und ob sie Lernfähigkeit belegen. Kurzum: wir prüfen, ob sie sich noch auf dem Weg in Richtung einer ökologisch und sozial tragfähigen Wirtschaft befinden oder wieder auf diesen begeben wollen. Wir informieren die Unternehmen, wie wir ihre Ausrichtung einschätzen. Ist eine Investition weiter vertretbar oder sind die Mängel so groß, dass wir sie aus dem Anlageuniversum entfernen?

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Beim irischen Papp- und Papierverpackungshersteller Smurfit Kappa haben wir verschiedene Vorwürfe rund um die Verletzung von indigenen Rechten in Lateinamerika untersucht. Im Ergebnis konnte das Unternehmen die Vorwürfe nicht ausreichend entkräften. Wir entschieden uns für eine Entfernung aus dem Anlageuniversum.  Wir diskutierten auch die Umweltverschmutzung durch die Müllverbrennung des US-amerikanischen Recyclingunternehmens Stericycle und die Abschaltung von oppositionellen Internetseiten in Belarus durch die Telekom Austria. Wir kamen zu dem Schluss, dass diese Unternehmen nicht mehr unserem Nachhaltigkeitsverständnis entsprechen.

Gibt es auch Fälle, in denen sich der Anlageausschuss nicht entscheiden kann?

Ja, die gibt es. Häufig tauchen in der Diskussion Aspekte auf, zu denen weitere Recherchen notwendig sind. Dann bekommen wir als Nachhaltigkeitsresearch-Team die Aufgabe, diese Informationen zusammenzusuchen. Der US-amerikanische Betriebskindertagesstätten-Betreiber Bright Horizons Family Solutions bietet eine Vielzahl an Dienstleistungen im Bereich der Kinderbetreuung und der Pflege der Angehörigen. Das Unternehmen punktet mit diesem positiv bewerteten Geschäftsfeld und der Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dennoch offenbart das Unternehmen Schwächen in den Betreuungs-Strukturen und zählt Rüstungs- und Ölkonzerne zu seinen Kunden. Hier haben wir die Entscheidung auf die nächste Sitzung vertagt.

Inwieweit spielen bei den Entscheidungen ökonomische Aspekte eine Rolle?

Das sozial-ökologische Research ist vom ökonomischen Research klar getrennt. Die Mitglieder des Anlageausschusses entscheiden ausschließlich anhand sozial-ökologischer Punkte, ob ein Unternehmen investierungswürdig ist oder nicht. Erst im Anschluss nehmen unsere Kolleg*innen aus der Portfolioberatung eine ökonomische Analyse von Titeln vor.

Wie geht es nach der Sitzung weiter?

Wir nehmen die hinzugekommenen Titel in unseren kontinuierlichen, sozial-ökologischen Monitoring-Prozess auf. In der Regel werden wir die Titel nach drei Jahren erneut prüfen und dem Anlageausschuss vorlegen. Und wir starten mit den Vorbereitungen für die nächste Sitzung. Sie findet am 16. Dezember statt, diesmal hoffentlich in Präsenz in Bochum.

Vielen Dank für diese Einblicke!

Das Interview mit Richard Buch führte Charlotte Siering von der GLS Investments GmbH. Wenn Ihr noch weitere Fragen zum Anlageausschuss habt, schreibt uns gern einen Kommentar.

Passend dazu:

Der kritische Blick von außen – Einblicke in die Arbeit des GLS Anlageausschuss

 

  1. Oliver Schmitt

    Sehr interessante Einblicke, vielen Dank.

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