COP27 - Finanzsystem könnte weltweit ergrünen

COP27 – Finanzsystem könnte weltweit ergrünen

Fast zwei Wochen lang konnte ich in Sharm El-Sheikh den Klimagipfel verfolgen. Die COP27 und ihre vielfach enttäuschenden Ergebnisse spiegeln vielfach das vertrackte Jahr 2022 wider: Die Pandemie hielt viele Ländern weiter in Atem. Bereits vor Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine begannen die Energiepreise zu steigen. Endgültig explodierten sie, als Russland die Erdgaslieferungen nach Westeuropa stoppte.

Viele Länder, darunter Deutschland, gingen auf globale Einkaufstour, vor allem von Flüssiggas. Aber auch Kohle und Öl erlebten eine Renaissance. Das störte die ägyptische COP-Präsidentschaft leider so wenig, dass der gebotene schnelle Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas keinen Eingang in die Abschlusserklärung des Gipfels fand.

So gilt es inzwischen als Erfolg, dass der Gipfel am Bekenntnis zum 1,5-Grad-Limit festhielt und die CO2-Emissionen bis 2030 um 43 Prozent sinken sollen – wie bereits beim Vorgängergipfel COP 26 in Glasgow beschlossen.

„Beim Thema Klimaschutz/Emissionsminderungen ist so gut wie nichts vorangekommen“, kritisiert Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Teilnehmer am Klimagipfel.

Geden blickt auch gleich in die wenig klimaneutrale Zukunft. „Da die globalen Emissionen immer noch nicht sinken, wird sich ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke kaum noch vermeiden lassen“, schließt der Experte. Der Weltklimarat rechne damit, dass dies in den 2030er Jahren der Fall sein wird.

Um das 1,5-Grad-Limit am Leben zu erhalten, verbleibt für Geden dann nur noch die – seiner Meinung nach eher theoretische – Möglichkeit, die Temperatur im Laufe des Jahrhunderts wieder zum Sinken zu bringen. Dazu müsste global mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernt als man noch emittiert. „Ein solches Szenario erscheint aus heutiger Sicht extrem optimistisch“, meint der renommierte Wissenschaftler.

Einer der wenigen Lichtblicke des Gipfels war die Schaffung eines Fonds für Verluste und Schäden – im Konferenzsprech „Loss und Damage“ genannt. Der Fonds soll Ländern helfen, die durch den Klimawandel besonders stark betroffen sind, die aber selbst am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben.

Der Fonds ist zwar beschlossene Sache, zugleich aber noch, salopp gesagt, eine leere Hülle. Woher das Geld kommen soll, um den Loss-und-Damage-Fonds zu füllen, soll auf den nächsten beiden Klimagipfel – hoffentlich fertig – ausgehandelt werden.

Für Geden hat die COP27 mit den Weichenstellungen zum Thema „Verluste und Schäden“ in etwa die Erwartungen erfüllt, die man real gesehen haben konnte. Aus Sicht der Entwicklungsländer hat es dabei 30 Jahre gedauert, eines der Kernthemen der globalen Klimapolitik zu etablieren. Dieses wird, ist sich nicht nur Geden sicher, angesichts des fortschreitenden Klimawandels weiter an Bedeutung gewinnen. Denn mehr Erwärmung wird unvermeidlich mehr Schäden bedeuten.

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Thomas Jorberg zum COP27

Neben der Einigung zu Loss und Damage brachte der COP27 Gipfel ein zweites wichtiges, aber deutlich weniger bekanntes Resultat hervor. Dabei geht es um eine generelle “Transformation des Finanzsystems”, um die nötigen Investitionen in erneuerbare Energien zu finanzieren. Diese Forderung war erstmals im einer Abschlusserklärung eines Klimagipfels enthalten.

Die angedachte Transformation hat nicht zum Ziele, einen traditionellen Markt für grüne Finanzen zu schaffen. Das Konzept ist deutlich breiter angelegt. Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) werden dazu aufgerufen, die “volle Breite ihrer Instrumente” für die Finanzierung erneuerbarer Energien zu nutzen. Das könnte unter anderem die Schaffung von IWF-Sonderziehungsrechten, einer Art Währung, im Wert von 500 Milliarden Dollar beinhalten.

Mit der Forderung nach der Transformation des Finanzsektors preschte auf dem Gipfel die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, vor. Mit den 500 Milliarden will sie die zehnfache Summe – 5.000 Milliarden Dollar – an privaten Geldern für den Klimaschutz mobilisieren. Das könnte schon im kommenden April bei der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF geschehen.

Die von Mottley angedachte „Hebelung“ der Ursprungssumme ist vorstellbar ähnlich der Exportgarantien der Bundesregierung. Deutschland kann dank seiner überragenden Bonität auf den Geldmärkten mit relativ geringen garantierten Summen die Umsetzung viel größerer Projekte anschieben – eben weil klar ist: Geht etwas schief beim Projekt, kann Deutschland die dann eintretenden Belastungen auch schultern.

Mohamed Adow von der Umweltorganisation Power Shift Africa nennt diese Beschlüsse zur Transformation des internationalen Geldsystems eine “große Nachricht von der COP27, die unter dem Radar fliegt”. Er hofft, dass diese Entscheidung dazu beitragen wird, “das Risiko von Investitionen zu verringern, Kapital erschwinglich zu machen und Billionen an Klimafinanzierung freizusetzen”.

Wenn das wirklich eintritt, käme das einem Paradigmenwechsel im internationalen Finanzsystem gleich. Grünes Investments wären dann nicht mehr länger die Ausnahme, sondern würden zur Regel. Das könnte dem globalen Klimaschutz womöglich mehr helfen als jedes noch so ausgeklügelte Verbot. So gesehen waren die zwei Wochen Gipfel nicht ganz für die Katz.

Wie geht es Euch mit diesen Entscheidungen? Schreibt es uns gern in die Kommentare.

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  1. Matthias Losert

    Die geopolitische Wetterlage zwischen “highway to hell” und “stairways to heaven” erzeugt in Sharm El-Sheikh keinen “wind of change”.
    Der perfekte Sturm gegen Wirtschaftsaxiome, die naturwissenschaftlichen Einsichten widersprechen, blieb aus. VWL ist eine Geisteswissenschaft, wo die Summe aller Transfers als kollektiver Wille einer unsichtbarer Hand im Markt wirkt. Da die Währungsdefintion nur monetäre Transfers gewährt, meinen Volkswirte den Finanzmarkt. Der Klimawandel offenbart, dass die Summe aller Kohlenstoffemissionen als kollektiver Wille einer unsichtbaren Hand im Gütermarkt wirkt – unabhängig vom Preis.
    Demnach existieren mit Finanz- und Gütermarkt zwei unsichtbare Hände; und die nicht zwingend an einem Strang ziehen. Ein Geldmengenzuwachs ist noch kein Paradigmawechsel.

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