Das mit KI erstellte Bild zeigt einen Mann am Schreibtisch, der auf Visionen von Planeten und Raumfahrzeugen schaut.

Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Nachhaltigkeit?

Zum Thema „Künstliche Intelligenz“ ist ein regelrechter Hype ausgebrochen. ChatGPT – ein Programm zur automatischen Texterstellung – oder andere Neuheiten schüren Ängste vor Arbeitsplatzverlusten und Hoffnungen auf attraktive Investitionen. Doch was ist Künstliche Intelligenz ganz genau? Wie können Unternehmen sie einsetzen? Was hat sie mit Nachhaltigkeit zu tun? Und ist sie nun eher Fluch oder Segen für die Menschheit? Ein Gespräch mit Dominic Briel, Research Analyst der GLS Investments.

Dominic, von Künstlicher Intelligenz, KI, spricht man seit vielen Jahren, bisher vor allem in Science-Fiction-Filmen. Jetzt scheint sie in der Gegenwart angekommen zu sein. Doch was ist KI genau und was ist neu daran? Computer gibt es ja mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten.

Künstliche Intelligenz, auf Englisch Artificial Intelligence – kurz AI, ist seit jeher der Traum vieler Science-Fiction-Autor*innen. In den vergangenen Jahren ist es Programmierer*innen und Entwickler*innen immer besser gelungen, Computern eigenständiges Denken und Lernen beizubringen. So wie wir Menschen uns stetig verbessern, sollen auch Maschinen dies nun tun – sie sollen also intelligent handeln. Dies ist der entscheidende Unterschied zu unserem aktuellen Umgang mit Maschinen. Bisher haben wir Computer mit eindeutigen Befehlen „gefüttert“, ihnen Input gegeben. Daraus hat der Computer ein klar nachvollziehbares Ergebnis, einen Output, berechnet oder zusammengestellt.

Dominic Briel
Dominic Briel ist Research Analyst bei der GLS Investments, der Tochter der GLS Bank. Foto: Stephan Münnich / GLS Bank

Wie genau ist bei KI das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine?

Programme, bei denen Künstliche Intelligenz eingesetzt wird, brauchen einerseits einen bestimmten Datensatz, zum anderen Muster und Regeln. Diese Muster und Regeln bringen wir Menschen der Maschine bei. Es liegt also in unserer Hand, zu bestimmen, welche Aufgaben eine KI lösen soll. Wir können der KI also einen Sinn geben. Aktuell setzen Unternehmen diese Programme vor allem dazu ein, Vorhersagen zu treffen, Muster in Daten zu erkennen oder Systeme zu optimieren.

Kannst du uns konkrete Beispiele geben, wo Künstliche Intelligenz bereits zum Einsatz kommt?

Das bekannteste Beispiel ist sicherlich ChatGPT der Firma OpenAI. Nutzer*innen können mit wenigen Befehlen ganze Texte schreiben lassen. Dazu greift das Programm auf Daten aus dem Internet zurück, in der aktuellen Version bis zum Jahr 2021. Auch Spracherkennungssysteme wie „Siri“ von Apple oder „Alexa“ von Amazon greifen auf Künstliche Intelligenz zurück.

Aber es gibt andere Anwendungsfälle, die weniger bekannt sind. Es gibt KI-Systeme, die anhand von Satelliten- oder Drohnenaufnahmen den Zustand von Wäldern analysieren. Mit den Daten kann dem Verlust an Waldflächen oder Waldschäden vorgebeugt werden.

Ein weiteres Beispiel wären Klimamodelle. Um die Auswirkungen des Klimawandels in verschiedenen Szenarien abzubilden, nutzen Forscher*innen Auswertungs- und Prognose-Algorithmen mit detaillierten Bewertungen. Diese Modelle können zudem Politiker*innen als Entscheidungsgrundlage nutzen.

Deine letzten zwei Beispiele sprechen das Thema Nachhaltigkeit bereits an. Ist Künstliche Intelligenz ein geeignetes Mittel, um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzubringen?

Zweifellos kann Künstliche Intelligenz einen Beitrag leisten, wie die beiden Beispiele zeigen. Darüber hinaus kann sie effiziente Energieeinsparungsmöglichkeiten identifizieren, etwa im Gebäudesektor oder in der Industrieproduktion. Allerdings ist ihr Einsatz häufig noch verhalten. Eine Studie des Umweltbundesamtes zu KI im Umweltbereich aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass nur circa 2 Prozent der Startups „nachhaltige“ KI nutzen.

Das Fazit der Studie ist ernüchternd: Es kann davon ausgegangen werden, dass der viel größere Teil der Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen ohne direkten Nachhaltigkeitsbezug stattfindet. Beziehungsweise nicht mit dem expliziten Ziel einer sozial-ökologischen Transformation antritt.

Wie sieht es mit den Risiken aus? Kann KI den Menschen und der Umwelt schaden?

Es ist wie üblich: Es gibt zwei Seiten der Medaille. Der Einsatz von KI führt auf der ökologischen Seite dazu, dass der Stromverbrauch weiter zunimmt. Eine Studie von 2019 geht davon aus, dass das Antrainieren oder Anlernen einer KI für die Spracherkennung im Durchschnitt ungefähr so viel CO2 verbraucht wie fünf Pkw über ihren gesamten Lebenszyklus, also von der Entstehung über den Betrieb bis zur Entsorgung. Darüber hinaus müssen mehr Rechenzentren gekühlt werden.

Genauso gibt es soziale Risiken. Algorithmen können Vorurteile reproduzieren. Dies kann Menschen sozial stigmatisieren. Auch stellt sich die Frage, wie KI mit unseren Daten umgeht. Wie transparent ist dies noch? Bereits heute haben wir das Gefühl, dass wir die Verarbeitung unserer Daten nicht immer nachvollziehen können. KI kann diesen Trend beschleunigen.

Wie lassen sich diese Risiken vermeiden?

Es ist sinnvoll, Nachhaltigkeitskriterien für Künstliche Intelligenz zu entwickeln. Ökologische Kriterien könnten Energieverbrauch, CO2-Emissionen oder der indirekte Ressourcenverbrauch sein. Soziale Kriterien, die zur Diskussion stehen, sind Nicht-Diskriminierung und Fairness, technische Verlässlichkeit und menschliche Aufsicht oder Selbstbestimmung und Datenschutz.

Mit Blick auf den GLS Bank Aktienfonds: Gibt es Unternehmen im Fonds, die sich besonders hervortun?

Es gibt mehrere Unternehmen, die KI in ihrem Geschäftsmodell einsetzen. Drei Beispiele möchte ich kurz nennen:

  1. Ein Produzent erneuerbarer Energien nutzt Algorithmen, um die Leistung seiner Wind- und Solarparks zu optimieren. So soll eine optimale Ausrichtung der Anlagen, etwa des Neigungswinkels von Solarpanelen, erreicht werden.
  2. Ein anderes Unternehmen aus der Medizinbranche verwendet KI und Big Data, um Diagnosedaten bei Herzkrankheiten auszuwerten.
  3. Auch im Bereich Bildung ist KI präsent. Hier erstellt ein Unternehmen aus dem Portfolio des GLS Bank Aktienfonds Lerneinheiten anhand von KI.

Und wie sieht es im GLS Research aus? Nutzt ihr auch KI, um die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu prüfen?

Für uns als GLS Gruppe ist es wichtig, bei der Anlageentscheidung auf die menschliche Intelligenz zu vertrauen. Dazu haben wir ein eigenes Team aus Nachhaltigkeitsexpert*innen sowie unseren GLS Anlageausschuss. Aber natürlich kann auch KI für uns nützlich sein. Kontinuierlich prüfen wir Unternehmen, in die wir investiert haben, darauf, ob sie nicht in kontroverse Geschäftspraktiken wie Kinderarbeit oder Korruption verwickelt sind. Die externen Anbieter, die uns dabei unterstützen, greifen bei der Analyse der Unternehmen auch auf KI zurück.

Lass uns zum Schluss nach vorne blicken: Wie wird sich KI in den kommenden Jahren entwickeln?

Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz wird weiter zunehmen – die Fakten sprechen eine klare Sprache: KI-Systeme verdoppeln im Schnitt alle dreieinhalb Monate ihr Tempo und können immer größere Datensätze verarbeiten. Die jährlichen Wachstumsraten des europäischen Marktes für KI lagen im Zeitraum zwischen 2019 und 2022 bei durchschnittlich 38 Prozent.

Sicher ist: Der Mensch hat es selbst in der Hand, die KI zum Wohle einer nachhaltigen Zukunft zu nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Fotohinweis: Das Headerbild dieses Beitrags wurde mit Chat GPT 4 / DALL·E erstellt.

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