Menschenrechtsverletzungen für Schokolade & Co. – geht’s noch?

Lieferkettengesetz – Wir wissen um Kinderarbeit in Minen, verseuchte Flüsse, enteignete indigene Völker. Wir wissen, dass die Preise für viele Dinge, die wir kaufen, nicht die soziale und ökologische Wahrheit sagen. Aber globale Folgekosten schlagen sich früher oder später bei jedem nieder: Sei es durch belastete Kleidung oder die Klimakrise.

Dadurch, wie Unternehmen einkaufen, schützen sie die Umwelt und die Menschenrechte — oder eben nicht. Eine strikte, nachhaltige Beschaffungspolitik und festgelegte soziale Verhaltenskodizes können helfen; ebenso ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang der Lieferkette verantwortlich macht.

Menschenrechtsverletzungen vs. Lieferkettengesetz?

Triggerwarnung! Jetzt wird es unappetitlich und grauenvoll.

Denn wusstest Ihr schon folgendes über Kakao?

„Etwa 70 Prozent der globalen Kakaoernte kommen aus Westafrika, die beiden wichtigsten Anbauländer sind Côte dʼIvoire und Ghana. Dort schuften rund zwei Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen… Die Kinder müssen viel zu schwere Kakaosäcke tragen, arbeiten mit gefährlichen Werkzeugen wie Macheten, wodurch es immer wieder zu Verletzungen kommt, oder versprühen ohne Schutzkleidung giftige Pestizide. Viele Kinder können wegen der Arbeit nicht in die Schule gehen. Rund 16.000 Kinder sind im Kakaosektor zudem von Zwangsarbeit betroffen. Immer wieder gibt es Berichte, dass Kinder aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso nach Côte dʼIvoire verkauft und dort zur Arbeit auf Kakaoplantagen gezwungen werden.“*

Und wie es um die Arbeitsbedingungen der Menschen bestellt ist, die unsere Bedürfnisse nach billiger Fast-Fashion befriedigen?

„Als die Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan im September 2012 abbrannte, starben 258 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Vergitterte Fenster, defekte Feuerlöscher, lediglich ein enges Treppenhaus und Notausgänge, die ins Nichts führten, machten die Fabrik zur tödlichen Falle für die Arbeiter*innen.“*

Oder unter welchen Umständen der leckere Assam Tee in unsere Tassen kommt?

„Wer im indischen Bundesstaat Assam auf Teeplantagen arbeitet, leidet oft an Löhnen unterhalb der Armutsgrenze, an Mangelernährung und an Gesundheitsschäden…“*

Lieferkettengesetz , kleiner Junge auf einem Feld

Das sind lediglich drei Beispiele. Es gibt noch unendlich viele davon! Das wissen wir alle. Aus den Berichten der Menschenrechtsorganisationen und der Medien, ein Lieferkettengesetz könnte helfen.

Und „Mehr als 70 Millionen Kinder arbeiten unter … ausbeuterischen, gefährlichen Bedingungen.“, sagt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 70 Millionen Kinder! Auf Kakaoplantagen, in Steinbrüchen, in Textilfabriken und so fort.

Ist uns das etwa egal? Oder verdrängen wir das immer und immer wieder?

Niemand von uns möchte unter diesen verheerenden, menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten. Geschweige denn seine Kinder ein solches Dasein fristen sehen.

Jede*r, der halbwegs bei Sinnen ist, wird empört sein! Aber nur Empörung hilft nun mal nicht. Es müssen endlich Taten folgen! Und wir müssen Verantwortung übernehmen. Jede*r einzelne von uns!

Aber auch die Unternehmen, die Teil dieses ausbeuterischen Systems sind. Wir brauchen Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wir brauchen Sanktionen bei Verstößen von Sorgfaltspflichten. Und wenn dies nicht freiwillig geschieht, dann unbedingt per Gesetz!

Schutz der Menschenrechte – die Vita eines Gesetzes

Da gibt es doch nicht mehr viel zu beratschlagen. Nun wird endlich zügig gehandelt, oder? Sollte man meinen. Aber schauen wir uns das mal an.

Wir schreiben das Jahr 2011. Die vereinten Nationen verabschieden durch den UN-Menschenrechtsrat die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Damit liegt erstmals ein internationaler Referenzvertrag vor. Dieser Vertrag regelt die Verantwortung der Unternehmen für die Menschen- und Arbeitnehmerrechte vor Ort. Menschenrechte sind somit durch Unternehmen überall zu wahren. Auch im Ausland. Endlich steht es schwarz auf weiß. In der Folge wurde alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die EU-Kommission aufgefordert, nationale Aktionspläne zur Umsetzung dieser Leitprinzipien zu erarbeiten.

Springen wir ins Jahr 2015. Im Juni dieses Jahres fand in Elmau, Bayern, der G7-Gipfel statt. Die Präsidentschaft dieses Gipfels hatte bis Ende 2015 Deutschland unter der Leitung von Angela Merkel inne. Eins der Themen waren die Standards in Handels- und Lieferketten. Die sieben größten Industriestaaten einigten sich in diesem Rahmen auf verschiedene Festlegungen und Selbstverpflichtungen. Unterfüttert durch Zahlen oder konkrete Taten war diese Absichtserklärung zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Umsetzung der Vereinbarungen sollte aber bald folgen.

Nach diversen öffentlichen Debatten lag im Juni 2016 dann der Entwurf „Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) vor. Im Dezember 2016 hat die Bundesregierung diesen Plan dann endlich verabschiedet. Für die Umsetzung hat das Auswärtige Amt, zuständig für Menschenrechte, den Hut auf.

So wirklich konkret ist dieser Plan allerdings immer noch nicht. Denn von den Unternehmen wird lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung „erwartet“. Die Erwartungshaltung lautet, dass bis 2020 mindestens 50 Prozent der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten die Einhaltung der Menschenrechte und Sozialstandards in ihren Lieferketten integriert haben. Wenn dem nicht so sein sollte, würde die Einhaltung laut Koalititonsvertrag per Gesetz geregelt werden.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser

Seit Ende 2018 hat das Bundesentwicklungsministerium die Überprüfung der gesetzten 50-Prozent-Quote durch Unternehmensbefragungen vorgenommen. Dazu wurden 7.000 Unternehmen angeschrieben und aufgerufen, die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten mittels eines Fragebogens detalliert darzulegen.

Ende Dezember 2019 dann die ernüchternden Ergebnisse der ersten Monitoringrunde. Lediglich 18 Prozent erfüllen die Vorgaben. Es folgten weitere Runden. Anfang Oktober 2020 wurde der Abschlussbericht des NAP-Monitoring verabschiedet. „Im maßgeblichen Erhebungsjahr 2020 erfüllten 13 bis 17 Prozent der betrachteten Unternehmen die NAP-Anforderungen“. Damit ist das Ziel des Lieferkettengesetz krachend verfehlt!

Versprochen ist versprochen – das Lieferkettengesetz soll kommen

Jetzt will ich aber auch wissen wann, also habe ich recherchiert. Gefunden habe ich, dass die Bundesregierung das Lieferkettengesetz noch in diesem Jahr verabschieden will. Wann genau, weiß ich immer noch nicht. Explizite Informationen sind schwer zu finden.

Auch der Inhalt des Gesetzes ist mir noch nicht ganz klar. Angekommen ist bei mir: Es wird gerangelt. Was muss rein? Was lieber doch nicht? “Man munkelt”, dass Gegner*innen des Gesetzes dieses verwässern, zahnlos machen wollen. Es soll unter anderem darum gehen, ob die zivilrechtliche Haftung und Umweltbelange gestrichen werden sollen. Und ab welcher Größe Unternehmen überhaupt betroffen sein sollen. Auch musste ich lesen, dass sich Wirtschaftsverbände noch sehr schwer tun. Für viele deutsche Unternehmen sei es unmöglich, ihre Lieferkette auf Verstöße gegen Menschenrechte zu kontrollieren.

Mich beschämt dieses Hin und Her. Wer möchte dies einem Kind auf der Kakaoplantage in Ghana erklären?

Lieferkettengesetz, Näherinnen in Indien arbeiten unter fairen Produktionsbedingungen und Löhne
Es geht auch anders: Faire Produktionsbedingungen und Löhne, Förderung lokaler Märkte – darauf zielt die Projektarbeit der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung.

Eine Lösung für Unternehmen – und für Mensch und Umwelt –  sustainabill

Bei einer gesetzlichen Regelung wären die Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen gleich. Doch wie kann ein Unternehmen das Dickicht der Lieferkettenstruktur durchdringen? Wie können menschenrechtliche Standards und Nachhaltigkeit sichtbar gemacht und verbessert werden?

Dieser Herausforderung hat sich das junge Unternehmen sustainabill angenommen. Und die GLS Bank hat darin investiert. sustainabill hat einen innovativen Ansatz entwickelt, mit dem Produzenten ihre Lieferkette vollständig nachvollziehen können.

Mit der sustainabill Cloud Plattform können Unternehmen herausfinden,

  • wo ihre Produkte von wem hergestellt werden,
  • wo die Rohstoffe herstammen und wie sie eingesetzt werden,
  • wie umweltfreundlich die Herstellung ist und
  • wie fair die Mitarbeiter*innen behandelt werden.

Die Informationen stammen von den Lieferanten und deren Vorlieferanten. Jeder bekommt ein Profil, in dem er seine Vorlieferanten, Zertifikate und Produktionsdaten pro Produkt hinterlegt.

„Wer seine komplette Lieferkette verbessern will, muss auch jedes Element in dieser Kette kennen, vom Rohstoffabbau bis zum finalen Produkt“, sagt sustainabill-CEO Klaus Wiesen.

Das Unternehmen validiert die Selbstauskünfte, etwa mit externen Daten wie Satelliteninformationen oder durch automatische Plausibilitätsprüfungen.

„Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung nehmen die verfügbaren Datenmengen drastisch zu, was ein enormes Potenzial für eine belastbare Nachhaltigkeitsbewertung birgt“, erklärt Wiesen.

Damit beantwortet sustainabill die Frage, wie in der globalisierten Wirtschaft mit ihren komplexen Lieferketten mehr Transparenz erreicht werden kann. So sind an der Herstellung einer Jeans oft mehr als 20 Lieferanten beteiligt. In der Automobilindustrie sind es sogar mehrere tausend Lieferanten pro Fahrzeug. Zwei Drittel der Produzenten wissen nicht, wer ihre eigenen Lieferanten beliefert oder woher die verarbeiteten Rohstoffe stammen.

Dabei sprechen nicht nur ökologische und soziale Gründe dafür, die eigene Lieferkette aufzudecken. Unternehmen, die ihre Lieferketten kennen, vermeiden erhebliche Risiken wie potenzielle Gesetzesverstöße, Lieferunterbrechungen, Produktfälschung, Reputationschäden.

sustainabill entstand 2017 als Ausgründung der renommierten Denkfabrik Wuppertal Institut. Es erhält vielfache Unterstützung, etwa von der Stiftung Humanity United, die sich für faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Menschrechte in globalen Lieferketten einsetzt.

Es ist Zeit zu handeln. Wenn wir wollen, kann es funktionieren! Wir warten also auf das Lieferkettengesetz. Ich bin sehr gespannt! Hoffentlich sind es nicht nur leere Versprechungen!

Was macht die GLS Bank? Auszug aus unserem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht hier:

Auszug akuteller GLS Bank Nachhaltigkeitsbericht

*Quelle: Lieferkettengesetz.de

Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – deutsche Übersetzung

Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)

Auch interessant zum Thema Lieferkettengesetz:

Der Wirtschaftsteil :: kompakt Nr. 290 – Thema: Kinderarbeit

  1. Guter Beitrag. Vielen Dank für die Informationen!

  2. Zum Thema Kinderarbeit für Schokolade hatte ein Niederländer tolle Ideen. Infos dazu hier: https://www.faz.net/aktuell/stil/essen-trinken/wie-ein-schokoladenhersteller-gegen-kinderarbeit-kaempft-17040546.html

  3. Tom Enzner

    Vorbildlich leben in diesem Fall „Weniger ist mehr“: als einzelner alle Produkte, deren Herstellung auf Ausbeutung beruht nicht kaufen

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