GLS Kundenporträt: Schülerfirma Steinbrücke – (Kein) Herz aus Stein

“Was ist der Sinn von Wirtschaft?”

Wenn Oberstufenlehrer Michael Benner vor der Klasse steht und diese Frage stellt, antworten die Jugendlichen meist schlicht: “Geld verdienen”. Michael Benner will aber zeigen, dass Wirtschaft weit mehr bewirken kann – im Positiven wie im Negativen. Dafür hat er ein ganz praktisches Beispiel zur Hand. In der von ihm gegründeten Schülerfirma Steinbrücke betreiben engagierte Schülerinnen und Schüler mit Hilfe des Lehrers selbst Handel. Mit Edelsteinen. Seit über 20 Jahren.

GLS Kundenporträt: Schülerfirma Steinbrücke - (Kein) Herz aus Stein
Die Jugendlichen der Schülerfirma Steinbrücke lernen auch Steine zu schleifen.

Die Schülerfirma Steinbrücke ist Teil der Waldorfschule Märkisches Viertel Berlin. Seit 1996 engagierten sich in dem Projekt 208 Jugendliche ehrenamtlich und außerhalb des regulären Unterrichts. Jedes Jahr werden zwischen 12 und 20 Schülerinnen und Schüler von der neunten bis zur zwölften Klasse Mitunternehmerin bzw. Mitunternehmer. Den Gewinn spendet die Firma gänzlich an soziale Projekte in sogenannten Entwicklungsländern.
“In Deutschland kann man manchmal schon für 80 Cent eine Splitterkette kaufen. Da ist sofort klar: Solche Steine können nicht fair gehandelt sein”, so Benner. “Das Bewusstsein für diesen Zusammenhang war vor 20 Jahren viel weniger verbreitet als heutzutage”, betont er. Indem die Schülerfirma Steinbrücke selbst mit Steinen handelt, erleben die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer tagtäglich, dass Wirtschaft mehr als nur “Geld verdienen” ist. Sie werden für Zusammenhänge des globalen Handels sensibilisiert. Und sie zeigen, dass eine soziale und solidarische Wirtschaft möglich ist – denn mit dem Gewinn verbessert die Steinbrücke die Lebensbedingungen armer Menschen.

Wie funktioniert der Handel?

Vornehmlich handelt die Steinbrücke mit Amethyst, Bergkristall und Achat – allesamt Quarzvarietäten. Rund 50 verschiedene Mineralien hat die Firma insgesamt im Sortiment. Die Steine kauft sie von Großhändlern und verkauft sie dann ihrerseits auf Basaren und Märkten. “Manchmal sind wir an einem Wochenende auf sechs Basaren gleichzeitig”, erzählt Benner nicht ohne Stolz. Doch die Jugendlichen beschäftigen sich auch mit der Verarbeitung von Edelsteinen. Jährliches Highlight ist der Besuch einer Schleiferei. Bei dem Besuch legen die Schülerinnen und Schüler auch selbst Hand an. In Deutschland stirbt der Beruf des Schleifers aus. Viele Unternehmen lassen aus Kostengründen lieber in Entwicklungsländern schleifen.
Im Alltag handeln die Jugendlichen lediglich mit den Steinen. Das ist profitabel genug: Jährlich kauft die Schülerfirma Steine für 5.000 bis 6.000 Euro und verkauft sie für rund 15.000 Euro weiter. Nach Abzug der Nebenkosten – darunter Reisekosten zu den Basaren oder zur Schleiferei – bleibt in der Regel ein Gewinn von etwa 5.000 Euro. Eine beachtliche Summe für eine Schülerfirma. In den 20 Jahren ihres Bestehens erwirtschafteten Benner und die Jugendlichen insgesamt rund 310.000 Euro Umsatz.

Viele Berührungspunkte zur GLS Bank

Ihren Zahlungsverkehr wickelt die Schülerfirma Steinbrücke über die GLS Bank ab. Darüber hinaus unterstreicht Benner eine “ideell-emotionale Verbindung zwischen der GLS Bank und uns – weil beide für solidarische Wirtschaft stehen”. Alle Gewinne der Schülerfirma gehen an soziale Entwicklungsprojekte. An welches konkret, entscheiden die Jugendlichen selbst. So lernen sie neben den Grundprinzipien des Wirtschaftens auch verantwortungsbewusst mit Geld umzugehen, es sinnvoll zu spenden oder zu schenken. Benner betont: “Die Schülerfirma Steinbrücke ist basisdemokratisch organisiert. Seit der Gründung haben wir jede einzelne Entscheidung gemeinsam getroffen.”

Oft arbeitet die Steinbrücke mit der Zukunftsstiftung Entwicklung der GLS Treuhand zusammen. Gemeinsam unterstützen sie z. B. die Baobab Children Foundation. Diese Organisation baut zwischen Kissi und Kwahinkrom in Ghana ein Jugendausbildungszentrum. Aber die Unterstützung findet nicht nur monetär statt – schon drei Schüler haben nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Baobab Children Foundation in Ghana absolviert.

Mehr als nur Geld verdienen

Nicht zuletzt wirkt sich die Schülerfirma auch auf Michael Benners Unterricht aus. Denn haben die Schülerinnen und Schüler dort Erfahrung gesammelt, hört er im Unterricht auch häufiger eine tiefgehendere Antwort auf die Frage “Was ist der Sinn von Wirtschaft?”

Autor: Marian Thöne, Kommunikation und Entwicklung

Foto: Steinbrücke GbR

  1. Super Sache! Freut mich das junge Menschen dafür offen sind. Aber was fehlt, ist dass dies auch an staatlichen Schulen geworben werden sollte.

    Bei mir in Cottbus/Brandenburg gab es immer nur das Plan Spiel Börse, worin ich den Sinn nicht verstanden hatte. Denn ich handel ungern mit virtuellen Geld, was angeblich arbeitet und reale Werte somit vernichtet.

    Aber dies ist eine anderes Thema.

  2. Lernen die Schüler auch, die verbleibenden 5000 Euro “Gewinn” durch ihre Arbeitsstunden zu teilen? Wenn dann dabei nicht der gesetzliche Mindestlohn herauskommt (wovon ich ausgehe), kann man ihnen gut erläutern, warum das Schleifen ausgelagert wird.

    • Antwort an Richard

      Ja, das haben wir gelegentlich mal durchgerechnet und dann sind die SchülerInnen doch sehr überrascht, wie gering der Stundenlohn ist, denn das Erlebnis ist eher: “Oh, wir haben gerade eine Amethystdruse für 500.-€ verkauft, das geht aber flott. Wie oft wir diese schon für frühere Bazare eingeladen und wieder zurückgebracht haben, ist dann schon vergessen.

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