Ein gelbes Eurozeichen mit dem Schriftzug "Das liebe Geld"

Das liebe Geld

Geld regiert die Welt und verdirbt den Charakter? Geld kann auch anders: Es gibt Sicherheit, schafft Raum für Entwicklung und verbindet uns miteinander. Aber wie gelingt es, die liebevolle Seite von Geld zu aktivieren? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten gemacht.

Wochenlang hat die zehnjährige Hannah Ziegler (Name geändert) gespart. Nun hält sie einen lebensgroßen Teddybären in den Armen, den sie kaum tragen kann. Stolz trägt sie ihn durch die Stadt. Der Teddybär ist das Erste, was sie sich für ihr Taschengeld geleistet hat.

Heute ist Hannah 34 Jahre alt. Der Teddybär markiert ihre früheste Erinnerung an Geld, als es noch ein Schlüssel für ihre Träume war. Eher Mittel zum Zweck. Mittlerweile ist es zum Maßstab geworden. Es entscheidet über Selbstbewusstsein, ihre Gefühle oder gar über ihre Ehe. Hannah Ziegler gibt es wirklich. Da ihre Geschichte sehr persönlich ist, haben wir sie anonymisiert.

Wir alle kennen Hannahs Erfahrung aus unserem eigenen Leben. Wir spüren, dass Geld Macht über uns hat. Wir ordnen ihm alles unter: unsere Lebenszeit, den Wert von Dingen, Beziehungen und sogar unsere Zukunft.

Bei uns anfangen

Stellt sich die Frage: Muss das so bleiben? Oder können wir Geld so verändern, dass es uns dient, um unsere Ziele zu erreichen und Beziehungen zu stärken? Ja, meint unter anderem die Journalistin Mareice Kaiser. „Geld ist die erfolgreichste Erfindung der Menschheit“, schreibt sie in ihrem Buch „Wie viel”. Und kommt zu dem Schluss: „Wenn wir Geld erfunden haben, können wir auch neu erfinden, wie wir damit umgehen. Oder?”

Dafür müssen wir uns mit dem Status quo befassen und fangen am besten bei uns selbst an. Für Hannah war es ein Finanzkurs für Frauen, um ihre Zukunft und Rente zu sichern. Sie wusste, dass die Schwangerschaften, die Elternzeit, die Wäsche und der übrige Haushalt nicht entlohnt werden. Auch wenn sie in einer privilegierten Situation lebt. Sie hat studiert, hat mit ihrem Partner alles ausgehandelt. Und doch beschleicht sie das Gefühl, sich selbst auszubeuten. Frei gewählt.

Weniger Geld, weniger Sicherheit

Wut steigt in ihr auf. Zielscheibe ist ihr Mann. Die eigentlich gleichberechtigte Partnerschaft gerät aus den Fugen – wegen Geld. Oder vielmehr: Weil seine Arbeit gut bezahlt wird und ihre nicht. “Ich weiß, es ist falsch, weil ich es mir ausgesucht habe. Aber ich finde Care-Arbeit tatsächlich unbefriedigend”, sagt Hannah rückblickend. Geld – oder vielmehr das fehlende Geld für ihre Arbeit – zeigt ihr im aktuellen System: Deine Leistung hat keinen Wert. Das steht zwischen ihnen. Wie Geld und Vermögen auch in der Gesellschaft zwischen uns allen stehen. Ob du reich oder arm bist, entscheidet darüber, wie gut deine Ernährung ist, wie gesund du bist, ob du genug Raum zum Leben hast, wie gut deine Ausbildung sein wird und ob du die Wahl zwischen Freizeit und Arbeit hast.

Im Finanzkurs fängt Hannah an, ihr Leben und ihre Zukunft durchzurechnen. Dabei tauchen neue Fragen auf. Die Frage danach, was sie eigentlich will und wie viel ihr Leben wert sein kann. Durch die Auszeit hat Hannah Geld verloren. Sie hat wegen der Schwangerschaften auf eine Beförderung verzichtet. Sie hat keine Gehaltserhöhung bekommen und verdient nach der Babypause wegen der Teilzeit weniger als zuvor. Daraus folgt: weniger Geld in die Rentenkasse und keinerlei Ersparnisse, keine Sicherheit. Am meisten schockiert sie: „Meine Rentenlücke ist größer, als ich dachte.”

Die Gesellschaft muss neu rechnen

Ähnlich wie Hannah muss auch unsere Gesellschaft neu rechnen. Unsere Zukunft ist unsicher. Allerdings verursacht nicht nur unsere Rentenlücke Unzufriedenheit, Ängste, Wut und in der Folge Konflikte. Wir müssen die Klimakrise bewältigen, das geht nur gemeinsam. Doch grundlegende Verteilungsprobleme verhindern ein starkes Gemeinschaftsgefühl: So sahen im Jahr 2022 laut einer dimap-Studie 64 Prozent der Menschen den Zusammenhalt in Deutschland in Gefahr. Als wichtigste Ursache für das schwächelnde Miteinander nannten 76 Prozent den Unterschied von Arm und Reich.

In unserer Demokratie ist Geld undemokratisch verteilt. Das Durchschnittseinkommen lag 2022 bei 4.105 Euro brutto pro Monat. Doch auch bei einem guten Einkommen wird man noch lange nicht reich. Denn Einkommen werden mit einem Steuersatz zwischen 14 und 42 Prozent besteuert. Vermögen aber nur mit 0,5 oder 1 Prozent. Vermögende Menschen werden also per System immer reicher.

Für eine gerechtere Verteilung von Geld bringt sich die GLS Bank auch politisch ein. Hier geht es zu unseren Forderungen: gls.de/forderungen

Gleichzeitig sind die Kosten für Lebensmittel, Miete, Strom und Mobilität, sogenannte Lebenshaltungskosten, für alle gleich. Im Schnitt lagen die Ausgaben 2022 laut Statistischem Bundesamt bei monatlich 1.658 Euro pro Person, wobei Wohnen mit fast 1.000 Euro den größten Anteil ausmacht. Das heißt: Viele Menschen kommen mit ihrem Einkommen gerade über die Runden und hoffen, dass es keine weiteren Preiserhöhungen gibt. Laut der dimap-Umfrage hatten diese Sorge im November 2022 rund 66 Prozent.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat ausgerechnet, dass die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte zusammen etwa 60 Prozent des Gesamtvermögens besitzen. Die unteren 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen. Etwa neun Prozent sind verschuldet. Hinzu kommt, dass die reichsten zehn Prozent für über die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Laut IPCCC Bericht verursachen sie 36 bis 45 Prozent der weltweiten Emissionen – wobei diese Daten sich auf die ganze Welt beziehen.

Dieser Zustand ist zutiefst ungerecht und schwächt den Zusammenhalt. Wer um die eigene Existenz bangt, hat weniger Wahl und damit weniger Teilhabe. Wenig Geld zu haben, beeinflusst auch unseren Selbstwert, das hat der Armutsbericht der Bundesregierung schon 2005 festgestellt. Demnach haben insbesondere Kinder, die in Armut aufwachsen, häufiger ein geringes Selbstwertgefühl. Trotz dieser Erkenntnisse setzt sich die ungerechte Verteilung fort. So beschleunigt die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich die Krisen unserer Zeit.

Geld erfüllt Grundbedürfnisse

Wir müssen Geld also neu denken. Es von Ego und Status lösen und dafür nutzen, was eigentlich zählt: menschliche Grundbedürfnisse. Eine Lösung bietet das Grundeinkommen. Davon ist Michael Bohmeyer, Gründer von Mein Grundeinkommen e.V. überzeugt. Die Initiative hat gerade zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Modell erarbeitet, wie sich die Idee finanzieren lässt.

Statt komplizierter und teurer Sozialleistungen bekommen alle Bürger*innen zu Beginn des Monats 1.200 Euro ausgezahlt. Dieses Geld ist bedingungslos. Jeder weitere Euro wird mit einer Einkommensteuer in Höhe von 50 Prozent belegt. So hätten 83 Prozent der Bürger*innen mehr Geld in der Hand. Menschen mit einem Gehalt über 4.000 Euro hätten ein bisschen weniger. Insgesamt würde es die Ungleichheit und die Gefahr von Armut auflösen und so auch deren Folgen eindämmen. Wir hätten weniger Krankheit, weniger Gewalt, weniger Diskriminierung.

„Das Grundeinkommen schafft Vertrauen, auch in den Staat.“

Doch das ist nur die strukturelle Seite dieses Modells. Bohmeyer sieht auch zwischenmenschlich Chancen, wenn wir Geld anders, gemeinschaftlicher verwalten. „Die Forschung und die vielen einzelnen Geschichten zeigen: Das Grundeinkommen schafft das Gefühl von Vertrauen. Das geschieht sowohl zwischen den Menschen als auch gegenüber dem Staat. Ich weiß schließlich genau, wohin meine Steuern gehen”, sagt Bohmeyer. Seiner Ansicht nach würde dieser Umstand automatisch den Bezug zum Geld verändern.

Aus einer ähnlichen Haltung heraus entstand vor fast 50 Jahren die GLS Bank. Die Gründungsmitglieder wollten 1974 eine Bank erschaffen, die sich an dem orientiert, was die Menschen wirklich brauchen. Es ist kein Zufall, dass wir unsere Finanzierungsangebote an den Grundbedürfnissen orientieren: Wohnen, Ernährung, Gesundheit und Soziales, Bildung und Kultur, nachhaltige Wirtschaft und erneuerbare Energie. Indem wir Geld in diese sechs Branchen lenken, stärken wir Sicherheit, Zusammengehörigkeit und Vertrauen.

Ähnlich erlebte es auch Hannah: Durch ihr neues Wissen und die veränderte Haltung gegenüber Geld fand sie eine Lösung. Auch ihr Ehemann musste eine neue Haltung lernen, was zunächst für Irritation und auch Streit sorgte. Heute geht es ihnen besser. Ihr offener Umgang mit Geld und all dem, was es bewirken kann, hat sie wieder verbunden.

Dieser Beitrag ist Teil des Themenschwerpunkts “Geld ist Liebe” – nachzulesen in der Ausgabe 2/2023 unseres Kundenmagazin “Bankspiegel” (PDF).

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Was bedeutet Geld für dich? Einladung zur Gedankenreise

Die soziale Müslirösterei Heyho: Hafer rösten, um Menschen einzustellen

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  1. Matthias Losert

    Für den Gütermarkt im Universum gilt: Quantentheorie, Allgemeine Relativitätstheorie, Erster und Zweiter Thermodynamischer Hauptsatz. Mit Kohlenstoffemissionen transfromieren wir ein lebensfreundliches Holozän in ein riskanteres Anthropozän. Dadurch sollte uns ein weiteres Akkumulationssystem in der Natur bewusst werden; was etwas Anderes als die vorherrschende Wirtschaftstheorie ist. De facto existiert im Markt neben dem Finanzmarkt ein zweiter kollektiver Willensbildungsprozess im Gütermarkt.
    Geld neudenken; beginnt also mit einer korrigierten Währungsbindung, die beide Akkumulationssysteme einigt und unsere Existenzgrundlagen priorisiert.

  2. Ich würde gerne wissen, welche Lösung Hannah mit ihrem Ehemann fand.

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