Wie wir miteinander umgehen, prägt unsere gemeinsame Realität. Das gilt auch für unsere Wirtschaft, die gesunde
Umfelder braucht und umgekehrt für solche sorgen sollte. Klingt utopisch? Die taz Genossenschaft sichert mit Geschäftsleiterin Lana Wittig unabhängigen Journalismus und zeigt, dass Demokratie auch in der Medienwirtschaft funktioniert.
- Die taz Genossenschaft ermöglicht unabhängigen Journalismus durch demokratische Strukturen
- Formate für Teilhabe und auch zu kritischen Themen helfen bei der Transformation.
Unabhängig, meinungsstark, genossenschaftlich: Die taz ist seit über vier Jahrzehnten eine feste Stimme im deutschen Medienbetrieb. Doch während viele andere Zeitungen unter wirtschaftlichem Druck stehen zeigt die taz-Genossenschaft wie Medienwirtschaft auch funktionieren kann: demokratisch organisiert, getragen von über 24.000 Mitgliedern. „Für uns ist die Genossenschaft nicht nur eine Unternehmensform – sie ist unser demokratisches Rückgrat,“ sagt Lana Wittig. Sie ist Geschäftsleiterin der taz-Genossenschaft, verantwortlich für ein Team von zehn Mitarbeitenden, das sich um Mitgliederkommunikation, strategische Entwicklung und die Zukunft der Genossenschaft kümmert.

Eine Zeitung, die vielen gehört
„Wir gehören niemandem – wir gehören vielen“, bringt Wittig das Prinzip auf den Punkt. Ein Genossenschaftsanteil bei der taz kostet 500 Euro, stimmberechtigt ist jedes Mitglied schon mit einem Anteil und das unabhängig davon, ob es 500 oder 5.000 Euro eingebracht hat. Neben den Leser*innen sind auch die Mitarbeitenden der taz Mitglieder und stellen drei Fünftel des Vorstandsteams.
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Lies die taz in der App sechs Wochen lang – und das ohne jegliche Kosten. Texte, die es nicht allen recht machen. Stimmen, die man woanders nicht hört. Dank taz Genossenschaft 100 Prozent unabhängig und konzernfrei.
Dieses Prinzip der Unabhängigkeit schützt die Redaktion nicht nur vor Einflussnahme von außen, sondern auch vor Einflussnahme von innen: „Unsere Mitglieder dürfen nicht mitentscheiden, was in der Zeitung steht. Und genau das ist vielen wichtig. Denn das sichert unsere Unabhängigkeit, auch gegenüber den Eigentümer*innen“, erklärt Wittig.
Was die Mitglieder hingegen sehr wohl mitbestimmen können, ist die strategische Weiterentwicklung der Genossenschaft: etwa bei der Wahl des Aufsichtsrats, der als Kontrollorgan fungiert, oder in Form von Rückmeldungen zu neuen Produkten, Formaten oder Veränderungsprozessen.
„Wir holen unsere Mitglieder ganz bewusst bei großen Fragen mit ins Boot – etwa bei der Digitalisierung oder strukturellen Veränderungen“, sagt Wittig. So wurden die Mitglieder etwa einbezogen als es um die Finanzierung des Neubaus oder eines neuen Redaktionssystems ging. Dass nicht jeder Vorschlag aus der Community umgesetzt werden kann, versteht sich von selbst. Trotzdem sieht Wittig im Austausch eine enorme Ressource. In den vergangenen Jahren hat die taz-Genossenschaft daher immer wieder Telefonaktionen gestartet, bei denen Mitglieder gezielt angerufen wurden. Ziel war es, Sorgen, Fragen und Wünsche zu hören – und gleichzeitig die emotionale Verbindung zur Zeitung zu stärken. „Ich weiß mittlerweile sehr viel über die Frühstückstische unserer Leser*innen“, erzählt Wittig lachend. „Wo das Toast liegt, welche Rubrik wann gelesen wird – das hat eine unglaubliche Nähe geschaffen.“
Die Genossenschaft ist unser demokratisches Rückgrat.
Lana Wittig, Geschäftsleiterin taz Genossenschaft
Der große Wandel: digital und solidarisch
Wie viele andere Tageszeitungen steht auch die taz vor einer fundamentalen Transformation. Durch die rückläufige Nachfrage der täglichen Ausgabe, steigenden Rohstoffpreisen drohte das namensgebende Kernprodukt – die gedruckte Tageszeitung – zu einem Zuschussgeschäft zu werden. Aber anstatt sich diesem Schicksal zu ergeben, beschreitet die taz Neuland im Pressegeschäft: Während die gedruckte wochentaz bleibt, wird die werktägliche Ausgabe am 17. Oktober 2025 zum letzten Mal als Zeitung auf Papier im Handel erscheinen. Danach wird sie ausschließlich digital vertrieben – als E-Paper, über eine News-App, per Newsletter und Podcast. Dieser Schritt war im Vorfeld heiß diskutiert worden. Bei einer finalen Entscheidung auf der Mitgliederversammlung 2024 stützen dann eindeutige 77 Prozent der anwesenden Genoss*innen den Kurs der Geschäftsleitung. Genossenschaftlicher Rückenwind. „Die Herausforderung ist nicht, dass wir keine Leser*innen mehr hätten, sondern, dass sich die Gewohnheiten verändert haben“, sagt Wittig. Viele Menschen konsumieren Nachrichten heute unterwegs, in kleinen Einheiten, über das Smartphone. „Ich bin selbst Mutter. Morgens zwischen Kita und Arbeitsstart lese ich keine gedruckte Zeitung. Das ist einfach nicht realistisch.“ Dass dieser Wandel gut vorbereitet ist, zeigt sich an den Zahlen: Die taz verzeichnet stabile bis steigende Nutzer*innenzahlen auf ihren digitalen Kanälen – und eine starke Bindung an die Marke „taz“.

Im Wir und Jetzt

Auch in Zeiten wachsender Herausforderungen können wir Einiges bewirken – wenn wir uns verbinden. Unser aktueller Schwerpunkt zeigt mit inspirierenden Beispielen und Ideen, wie wir gemeinsam heute für morgen aktiv werden können. Unsere Chance liegt im Wir und Jetzt.
Das Generationenmodell: Teilhabe für die Zukunft sichern
Doch mit dem demografischen Wandel steht auch die Genossenschaft vor einer strukturellen Herausforderung. „Unsere Mitglieder sind im Durchschnitt älter geworden – viele begleiten uns seit Jahrzehnten“, sagt Wittig. Gleichzeitig melden sich täglich Erbfälle. Aber um langfristig relevant zu bleiben, braucht auch die taz „Nachwuchs“. Um mehr junge Menschen für die Genossenschaft zu begeistern, wurde das sogenannte Generationenprojekt gestartet. Die Idee: Wer unter 25 ist, kann kostenfrei Mitglied werden. Finanziert wird das Ganze wiederum durch die Gemeinschaft, konkret: durch einen Solidaritätsfonds, in den wirtschaftlich privilegierte Mitglieder freiwillig einzahlen.
Wir wollen junge Menschen aktiv einladen, Teil unserer Struktur zu werden“, so Wittig. „Teilhabe sollte nicht am Geld scheitern.“ Das Projekt sei nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch Ausdruck eines generationenübergreifenden Verantwortungsgefühls.
Krisen und Klarheit: Warum unabhängige Medien jetzt gebraucht werden
Dass unabhängiger Journalismus wichtiger denn je ist, zeigt ein Blick auf die politische Landschaft. „Wir erleben einen Rechtsruck, in Deutschland und international“, sagt Wittig. „Gleichzeitig gibt es eine starke Gegenbewegung – und die spüren wir. Viele Menschen wollen jetzt gezielt linke, solidarische Medien unterstützen.“
Die taz wächst in diesen Zeiten auch, weil sie als Gegenmodell zu konzentrierter Medienmacht wahrgenommen wird. Wittig verweist auf Beispiele wie die Washington Post, die dem Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört: „Was passiert, wenn Milliardäre Medien besitzen, sieht man dort sehr deutlich: Redaktionen werden ausgedünnt, kritische Stimmen leiser.“ Da braucht es die taz mehr denn je.
Gemeinsame Sache trägt weiter: Kooperation als Haltung
Die Stärke von Genossenschaften liegt in der Zusammenarbeit – nicht nur innerhalb der eigenen Strukturen, sondern auch untereinander. „Ich finde Kooperation mit anderen Genossenschaften wahnsinnig wichtig. Wir sitzen im selben Boot – mit ähnlichen Werten, ähnlichen Herausforderungen“, sagt Wittig. Da ist gemeinsame Sache mit anderen Kooperativen nur logisch, zum Beispiel wird mit der neu gegründeten Fußballgenossenschaft FC St. Pauli eG zusammengearbeitet oder das taz-Haus für ein genossenschaftliches BarCamp „GenoDigital geöffnet. Dass eben dieses Gebäude in Berlin-Kreuzberg unter anderem mit Unterstützung der GLS Bank realisiert wurde, hat für sie Symbolcharakter: „Wir brauchen Orte der Begegnung und Allianzen mit Verbündeten.“ So stellte die taz Genossenschaft der GLS Bank etwa im Frühjahr 2025 ihre Räume für eine Mitgliederveranstaltung zur Verfügung. „Wir wollen nicht nur Zeitung machen. Wir wollen Teil einer Bewegung sein, die Demokratie als etwas Lebendiges begreift – im Journalismus, in der Wirtschaft, im Alltag“.
Fotos: Karsten Thieleke (Header); Florian Dürkopp (Porträts)
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