Streuobstwiese mit verschiedenen Obstbäumen, im Vordergrund eine gemähte Wiese

Bio-Safthersteller Voelkel: „Wie kann es für alle gut sein?“

Schwerpunktthema | Im Wir und Jetzt

Ein gutes Jahr in der Obsternte bedeutet häufig ein schlechtes Jahr für die Obsthöfe. Woran das liegt, weshalb es eine neue Wirtschaftsweise braucht und wie die Voelkel GmbH diese erprobt, beantwortet Boris Voelkel im Interview.

von Zoran von Waldenfels

Viele Biohöfe kämpfen seit Jahren um ihr Überleben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits sorgt der Klimawandel für Wetterextreme: In einem Jahr beispielsweise vernichtet Sturzregen die Ernte. Im nächsten Sommer wiederum ist es so trocken, dass die Saat gar nicht erst aufgeht oder die Ernte mager ausfällt. Andererseits setzen die Mechanismen der konventionellen Wirtschaftsweise den Bio- und Demeter-Höfen zu. Der Handel diktiert den Preis, Preissteigerungen im Supermarkt kommen bei den Landwirt*innen selten an. Für das Kilogramm Bio-Karotten bekommen sie so viel wie vor 20 Jahren – trotz Inflation. So könne das nicht weitergehen, sagt Boris Voelkel. Es brauche neue Formen der Zusammenarbeit.  

Boris Voelkel lächelt in die Kamera
Boris Voelkel leitet mit seinen Brüdern und seinem Vater die Voelkel GmbH (Bilder: Voelkel GmbH).

Herr Voelkel, Sie leiten den Einkauf von Voelkel. Wie sehen Sie die wirtschaftliche Lage der Bio- und Demeter-Höfe in Deutschland?

Ich besuche viele Höfe jedes Jahr. Manchmal fahre ich stundenlang, um einen Landwirt persönlich zu treffen. Dabei mache ich immer häufiger die Beobachtung: Menschen bauen Lebensmittel an und sind dabei unzufrieden. Ich sehe es in ihren Gesichtern und höre es in den Gesprächen. Sie lieben zwar die Arbeit, so nah an der Erde und der Natur. Aber sie arbeiten das ganze Jahr, fast jeden Tag, von morgens bis abends. Trotzdem haben sie finanzielle Probleme. Auf der Rückfahrt denke ich dann: Das kann nicht das Ziel sein. Ich frage mich dann, wie es für alle gut sein kann.

Was läuft denn aktuell schief?

Die klassischen Wirtschaftsmechanismen taugen nicht dafür, eine langfristig biologisch nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen. Das Problem heute ist, dass die Biobranche immer mehr nach der Logik herkömmlicher Discounter funktioniert: Bei knapper Ernte verdreifachen die Landwirte die Preise für den Handel. Bei reicher Ernte reduziert der Handel die Preise stark. Diejenigen mit der stärkeren Position nutzen ihre Macht aus. Das funktioniert auf lange Sicht nicht – dann machen die kleinen und mittelgroßen Biohöfe nach und nach dicht.

Können Sie das konkret machen?

Vor ein paar Jahren gab es eine reiche Apfelernte – im Alten Land, wo viele unserer Obstbauern sitzen, aber auch am Bodensee, in ganz Deutschland. Dadurch wurde der Einkaufspreis der Äpfel auf dem Markt reduziert. Jedoch ist davon bei den Kunden in den Supermärkten nichts angekommen. Der Handel hat den Preis im Verkauf nicht reduziert und damit lediglich die eigene Gewinnmarge erhöht. Eine gute Apfelernte in einem Jahr sorgt für günstige und übergünstige Preise auf dem Markt. Und schon ist es für die Landwirtschaft keine gute Apfelernte mehr.

Viele Leute haben nicht verstanden, wieso wir das gemacht haben. Aber bei Voelkel wollen wir aus Wärme heraus wirtschaften.

Boris Voelkel

Voelkel will es möglichst gut für alle machen – entlang der ganzen Wertschöpfungskette bis hin zum Endverbraucher. Klingt gut, aber ist das realistisch?

Wir versuchen es anders zu machen als der Mainstream. Unser Motto: Aus gesunden Lebensmitteln – aus gesunden Strukturen. Aus Liebe zum Menschen und zur Welt. Wir sagen unseren Zulieferern und Landwirten fix zu, alle Äpfel zu einem stabilen Preis abzunehmen. Komme, was wolle. In besagtem Erntejahr – das war 2022 – haben wir mehrere tausend Tonnen Äpfel zu einem stabilen Preis abgenommen. Wir hatten eigentlich gar nicht die Kapazität, so viel zu lagern. Wir haben fix 30 Cent das Kilogramm gezahlt. Zum Vergleich: Äpfel vom Bodensee gab es in diesem Jahr zu 10 bis 20 Cent das Kilogramm. Jedoch braucht der Obsthof konstant etwa 30 Cent für das Kilogramm, um wirtschaftlich zu bleiben. Wir haben das dann gemacht. Die Beziehung war uns wichtiger als die kurzfristige Gewinnmarge, auf die wir damit verzichteten.  

Und dann hatte Voelkel Tanks voll mit Apfelsaft und eine dicke Rechnung. Ging diese auf?

Viele Leute haben nicht verstanden, warum wir das gemacht haben. Aber bei Voelkel wollen wir aus Wärme heraus handeln und wirtschaften. Und auf lange Sicht hat sich das gelohnt. In dem Fall sogar direkt im Jahr darauf, als die Apfelernte schlecht ausfiel. Die Preise für das Kilogramm schossen in die Höhe, entsprechend auch die Preise für Apfelsaft unserer Mittbewerber. Die haben in dem Jahr gekämpft. Wir hatten dagegen volle Tanks mit Apfelsaft. Was wir dazu kauften, gaben uns die Landwirte zum vereinbarten, günstigeren Preis. Auf Vertrauensbasis. Das tun sie aus Herzenswärme und nicht aus Verpflichtung uns gegenüber. Bei Voelkel profitieren wir von stehenden, resilienten Lieferketten.

Gibt es noch etwas, das Sie Unternehmen für eine solch wärmevolle Wirtschaftsweise mitgeben möchten?

Wir stehen als Gesellschaft vor vielen Krisen: Demographischer Wandel, Lieferprobleme in der Logistik, soziale Umwälzungen, Kriege – alles spitzt sich zu. Das beeinflusst auch unser Geschäft und unsere Lieferketten. Daher sind vertrauensvolle Beziehungen entscheidend, auch und gerade in der Biobranche. Wirtschaftliche Modelle, in denen möglichst effizient und kostengünstig gehandelt wird, sind nicht krisenresilient. Es gilt stattdessen, empathisch und kooperativ zu wirtschaften. Daher frage ich die Landwirte, was ihnenbei unserer Zusammenarbeit am wichtigsten ist: Das sind Verbindlichkeit und Sicherheit, dass jemand da ist, der die Ware abnimmt. Und ihnen zuhört.

Im Wir und Jetzt: Komm zur GLS Jahresversammlung

Wir können Einiges bewegen – wenn wir uns verbinden, zum Beispiel auf unserer Jahresversammlung am 28. Juni 2025. Das Rahmenprogramm mit Workshops, Informationsständen und Bühnen-Highlights richtet sich an alle Kund*innen und Interessierte. GLS Mitglieder können an diesem Tag aktiv mitbestimmen.  

Vielen Dank, das Sie sich Zeit genommen habt, um mit uns zu sprechen.

Fotos: Voelkel GmbH

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