Mandy, Tierpflegerin bei der Laufenmühle, führt ein Lama an einer Leine.

Begegnung im Erfahrungsraum

Schwerpunktthema | Im Wir und Jetzt

Die Laufenmühle dreht das Konzept der Inklusion um: In ihrem besonderen Erlebnispark arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich zusammen. Und zeigen den Besucher*innen, wie Teilhabe selbstverständlich wird.

Es gibt Orte, die uns herausfordern, überraschen oder mit Erfahrungen beschenken, die wir so nicht erwartet hätten. Im Welzheimer Wald bei Stuttgart liegt so ein Ort: „EINS + ALLES“. Das Erfahrungsfeld der Sinne ist ein außergewöhnlicher Erlebnis- und Freizeitpark. Wer ihn besucht, findet nicht nur außergewöhnliche Stationen, die die Wahrnehmung schärfen. Vor allem sind es die Begegnungen, die den Blick auf das Miteinander verändern.

Die Einrichtung ist Teil der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Christopherus. Hier arbeiten und leben Menschen mit und ohne Behinderung zusammen – nicht als Betreuende und Betreute, sondern als Team, als Gemeinschaft. „Wir wollen Räume schaffen, in denen echte Begegnung stattfinden kann,“ sagt Daniela Doberschütz, die seit über 14 Jahren Teil des Teams ist und das Projekt maßgeblich mitgestaltet. „Es geht nicht darum, dass eine Gruppe der anderen hilft. Es geht darum, dass wir alle etwas zu geben haben – und das auch zeigen.“

Im Wir und Jetzt

Auch in Zeiten wachsender Herausforderungen können wir Einiges bewirken – wenn wir uns verbinden. Unser aktueller Schwerpunkt zeigt mit inspirierenden Beispielen und Ideen, wie wir gemeinsam heute für morgen aktiv werden können. Unsere Chance liegt im Wir und Jetzt.

Inklusion anders gedacht

Das Erfahrungsfeld der Sinne EINS+ALLES liegt in einem abgelegenen Tal, umgeben von Wäldern und Feldern. Was auf den ersten Blick als Herausforderung erscheint – die Entfernung zur Stadt, die wenigen direkten Verkehrsverbindungen – ist für das Konzept essenziell. Die abgeschiedene Lage öffnet den Raum für Begegnungen in wirklicher Offenheit. „Inklusion passiert hier nicht in der Fußgängerzone, sondern in einem Erfahrungsraum, den die Menschen bewusst betreten“, erklärt Doberschütz. „Schon der Weg zu uns ist ein erster Schritt der Annäherung. Begegnung auf Augenhöhe gelingt leichter, wenn man sich außerhalb der gewohnten Strukturen bewegt.“

Das Prinzip zeigt sich auch in der Gestaltung des Erfahrungsfeldes: Anstatt zu erklären oder zu belehren, ermöglichen die Stationen Erlebnisse, aus denen echte Erfahrungen werden können.  Wie fühlt es sich an, wenn der Sehsinn ausgeschaltet wird? Was passiert, wenn gewohnte Orientierungspunkte fehlen? Ein eindrucksvolles Beispiel dafür gibt die TierOase mit den Lamas. „Hier sind unsere Mitarbeiterinnen mit Behinderung die Expertinnen“, erzählt Doberschütz. „Sie erklären den Besucher*innen, wie man sich einem Lama nähert, wie man es führt. Dabei passiert etwas Spannendes: Plötzlich kehrt sich die Rollenverteilung um. Es sind nicht die Menschen ohne Behinderung, die Anweisungen geben – sie werden zu Lernenden. Das verändert die Dynamik auf eine ganz natürliche Weise.“

Mehr über die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft  Laufenmühle erfahren:

laufenmuehle.de

Ein Wirtschaftsmodell der Verbundenheit

Die Wurzeln von des Projekts reichen bis in die 1950er-Jahre zurück. Ursprünglich als geschützter Raum für Menschen mit Behinderung gegründet, entwickelte sich die Christopherus-Gemeinschaft in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Ort, an dem Arbeit, Kultur und Inklusion zusammen gedacht werden. Das Erfahrungsfeld dient dabei nicht nur als Bildungs- und Begegnungsort, sondern bildet gleichzeitig die Basis für die anderen Werkstätten: In Kaffeerösterei und TierOase, Kerzenwerkstatt und Waldwerkstatt arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. So erreichen wir nicht nur Beschäftigung, sondern echte Teilhabe.“

Dieses Selbstverständnis prägt auch den Umgang mit Geld. Wer EINS+ALLES besucht, zahlt Eintritt, kauft Produkte oder nimmt an Veranstaltungen teil. Das trägt zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Projekts bei. Gleichzeitig war und ist es wichtig, Partner zu finden, die diesen besonderen Ansatz mittragen. Eine dieser Partnerinnen ist die GLS Bank. „Dass es heute das Erfahrungsfeld gibt, hängt auch damit zusammen, dass es Menschen und Institutionen gab, die an unsere Idee geglaubt haben,“ sagt Doberschütz. Die Bank hat das Projekt nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch als  Gesprächspartnerin begleitet. „Es war immer mehr als eine rein geschäftliche Beziehung. Es ging darum, eine gemeinsame Vorstellung von sozialer und nachhaltiger Wirtschaft zu entwickeln.“

Was bleibt?

EINS+ALLES ist längst mehr als ein Experiment. Jedes Jahr kommen tausende Besucher*innen hierher, erleben, entdecken – und nehmen etwas mit. „Die spannendsten Momente sind oft die, in denen Menschen hier etwas über sich selbst erfahren“, erzählt Doberschütz. „Wenn sie merken, dass ihre Wahrnehmung nicht so festgelegt ist, wie sie dachten. Dass eine unerwartete Begegnung sie bereichert. Dass sie mit neuen Fragen nach Hause gehen.“ Gesellschaftlich wird noch viel zu oft nur über Inklusion diskutiert. Währenddessen, lebt EINS+ALLES sie längst und zwar auf eine Weise, die Menschen nicht nur einlädt, sondern sie aktiv in den Prozess einbindet. „Wir wollen nicht nur Teilhabe ermöglichen – wir wollen zeigen, dass sie für alle ein Gewinn ist.“

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