Starke Landwirtinnen: Amelie Schlottmann vom Biohof Karlshöhe

„Wenn der Bauch grummelt, suche ich lieber eine Alternative“

 

Vom 13. bis 16. Februar findet in Nürnberg die Biofach statt, die Messe für die internationale Bio-Branche. Schwerpunktthema in diesem Jahr: „Food for the Future: Frauen und nachhaltige Ernährungssysteme“. Dabei steht die transformative Kraft von Frauen im Lebensmittelsektor im Fokus. Das Blog der GLS Bank greift das Thema in einer „Starke Landwirtinnen“-Reihe auf. In Teil 1 sprechen wir mit Amelie Schlottmann vom Biohof Karlshöhe. Der Hof liegt im Nordpfälzer Bergland, ein paar Kilometer nördlich von Kaiserslautern.

Eine Studie zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft in Deutschland besagt, dass nur knapp jeder fünfte Landwirtschaftsbetrieb von einer Frau geleitet wird, im Ökosektor sieht es etwas besser aus. Warum haben es Frauen schwerer in der Landwirtschaft?

Ich persönlich hatte immer das Glück, dass meine Kollegen mir alles zugetraut haben – von der Außenarbeit übers Büro bis zu der Fähigkeit, in die Führung zu gehen und auch zukunftsrelevante Entscheidungen zu fällen. Rein körperlich bleibt frau aber vermutlich (fast) immer der Muskelkraft der Männer unterlegen. Das kann anstrengend sein, weil etwa Futtersäcke in der Regel 25 Kilo wiegen, Landmaschinen und deren Teile schnell noch viel mehr. Daran gewöhnt frau sich aber und entwickelt eigene Techniken. Da der Beruf männlich dominiert ist, fehlt es aber an frauenfreundlichen Konzepten. Und es gibt natürlich Männer, die einfach selbst immer Trecker fahren wollen und diesen ungern hergeben. Und beim Landmaschinenmechaniker bin ich natürlich als Kundin Exotin…

Amelie Schlottmann
Amelie Schlottmann, Betriebsleiterin Biohof Karlshöhe

Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen?

Generell oder in der Landwirtschaft? Da sehe ich einige Ansätze, zum Beispiel beim Thema Fehlerkultur. Nur weil viele Männer „einfach mal“ machen, machen sie es nicht besser. Frauen sind weniger laut, vor allem in Situationen, in denen noch ein „Macher“ daneben steht.

Wenn ich Frauen fördern möchte, muss ich Raum zum Ausprobieren schaffen und auch neuen Konzepten gegenüber offen sein. Die Frage „Was brauchst du, damit deine Vision funktioniert?“ kann helfen, diejenigen in Führungspositionen zu bringen, die führen können und wollen.

Welche Stärken kannst du in deinen Betrieb mit einbringen?

Ich organisiere gut und ich vernetze mich leicht mit Menschen. Und ich habe für jedes fachliche Problem einen Telefonjoker.

Manche Prozesse brauchen viel Zeit, ein gutes Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit zu visualisieren, wie es in der Zukunft sein soll. Das ist mein Weg, zu gestalten und Lösungswege zu finden. Außerdem kann ich meinem Bauchgefühl vertrauen: Wenn der Bauch grummelt, suche ich lieber eine Alternative.

Gibt es Themen, die du als Frau eventuell anders, einfacher oder vielleicht auch besser lösen kannst als männliche Betriebsleitungen?

Nein, ich bin überzeugt, das sind individuelle Fähigkeiten, die stärker von der Person als vom Geschlecht abhängig sind.

Was ist das Besondere an deinem Hof?

Die Alleinlage im Nordpfälzer Bergland mit Blick auf den Donnersberg im Osten und in den Hunsrück im Westen mit 19 vollarrondierten Hektaren ist einzigartig. Der Hof war fast 40 Jahre lang stillgelegt und die Flächen verpachtet. Davor gab es hier aber schon 200 Jahre Landwirtschaft: zuletzt eine Mutterkuhherde, davor Milchkühe, Anfang des 20. Jahrhunderts eine Arbeitspferdezucht und eine Gaststätte. Die Böden sind karg und das Klima rau. Jetzt bauen wir auf 420 Metern Gemüse an. Man muss ein bisschen trotzig sein, um hier zu leben.

Wie groß ist das Team auf dem Hof und was zeichnet die Menschen aus?

Wir sind zwei Vollzeitkräfte mit bio-dynamischer Landwirtsausbildung. Unsere Partner arbeiten beide als Pädagogen und unterstützen uns in ihrer Freizeit. Unser Nordlicht Lina ist aus Liebe zu Michael in die Nordpfalz gezogen – sie verkauft unser Gemüse. So wie sie früher jahrelang in Oldenburg auf dem Markt stand. Mein Freund Jens hält mir den Rücken frei, kümmert sich um unsere zweijährige Tochter Ida und sorgt dafür, dass ich regelmäßig esse.

Warum braucht es mehr Frauen in Führungspositionen in der Landwirtschaft?

Während der Ausbildung hätte ich mir gewünscht, ein Ausbildungsjahr bei einer Landwirtin lernen zu dürfen. Es gibt so viele Tricks und Kniffe mit den teils sehr schweren Maschinen, die viele Männer einfach nicht nötig haben und daher auch nicht weitervermitteln können.
Auch das Thema Kinder spielt eine Rolle. Haben meine Ausbilder*innen Kinder? Wie werden die langen Arbeitszeiten und das Familienleben miteinander verbunden? Kenne ich eine Betriebsleiterin, die mir das vorlebt? Oder arbeite ich als Auszubildende oder Gesell*in immer nur mit den Junggesellen zusammen, denen es egal ist, ob sie um 18 Uhr oder um 20 Uhr aus dem Stall fallen?

Ohne gute Vorbilder ist es schwer, sich die Arbeit auf den Höfen auch familiengerecht zu gestalten. Mein Ziel ist es, hier Vorbild zu sein und auch irgendwann als Ausbilderin meine Erfahrung weiterzugeben.

 

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Landwirtschaft: Resilientes Ernährungssystem ist möglich

  1. Christa Tichelkamp

    Liebe Amelie,

    wow wie toll, dass Du und Michi mit Jens und Lina und eurem Hof anscheinend so gut gestartet seid!
    Herzlichen Glückwunsch!

    Ich melde mich nochmal an anderer Stelle bei euch.

    Ganz liebe Grüße und viel Erfolg weiterhin! <3 <3 <3

    Eure Christa

  2. Gaby Albrecht

    Vielen Dank für diesen informativen Beitrag.
    Es ist wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, wer für unsere Lebensmittel sorgt.

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