Energie ist in Fülle da. Wir können sie zunehmend besser speichern, verteilen und direkt verbrauchen. Von Julian Mertens, GLS Bank
Das Schöne am eigenen Strom: Er ist direkt da. Sicher, wir sehen die Elektronen nicht, wie sie durch die Stromkabel rasen, um unsere Räume mit Licht zu versorgen oder das Smartphone zu laden. Trotzdem ist es anders, wenn die Energie vom eigenen Dach kommt. Was mir nah ist, nehme ich bewusster wahr. Ich sollte bei langem Sonnenschein nur nicht so oft denken: „Dann kann ich jetzt so viel nutzen, wie ich will.“
Die Energiewende ist an einem spannenden Punkt, denn sie kommt uns näher. Oder wir ihr. Solaranlagen und Energiespeicher werden effizienter und erschwinglicher, der Eigenverbrauch lohnt sich. Der Münchener Ökostromanbieter Polarstern konnte diesen Sommer von einem Kunden berichten, der seinen Strom fünf Monate nahezu komplett allein produzierte. Die Überschüsse speiste er ins Netz ein. Das ist längst kein Einzelfall mehr. „Hatten vor rund zehn Jahren etwa 300.000 Haushalte in Deutschland eine eigene PV-Anlage auf dem Dach, sind es heute über eine Million“, sagt Polarstern-Geschäftsführer Florian Henle.
In Zukunft könnten noch viel mehr Menschen zu sogenannten Prosumenten werden, die selbst Energie produzieren und nutzen. Dafür liegen natürlich noch gewaltige Schritte vor uns. Was es besonders braucht, ist Vernetzung, und zwar im doppelten Sinne. Erstens beim Strom, hier stehen wir noch am Anfang. Zum Beispiel sind kleine intelligente Netze möglich, die schnell und flexibel die Energie verteilen können. Damit würden wir auch weniger abhängig von großen Leitungsautobahnen. Zweitens muss Strom gekoppelt werden mit Wärme und Verkehr. Hier wird vielfach an Lösungen gearbeitet. Die Tüftler von Sono Motors etwa konzipieren ein Solarauto, das explizit ans eigene Haus angeschlossen wird. Die Solarzellen des Autos könnten dann die Waschmaschine antreiben.
Die gute Nachricht: Die Zeichen der Zeit sind erkannt. Unternehmen wie Polarstern verstehen sich längst nicht mehr nur als reiner Stromversorger. „Wir sind für unsere Kunden Berater und Servicedienstleister rund um ihre Energieversorgung. Dazu gehört auch die eigene lokale Stromversorgung vom Hausdach, sowohl für Einfamilien- als auch für Mietshäuser“, sagt Florian Henle.
Gerade bei Mehrfamilienhäusern ist Bewegung drin, seit es den sogenannten Mieterstrom gibt. „Damit können Millionen Hausbewohner endlich günstigen Solarstrom vom Dach beziehen“, sagt Tim Meyer, der im Vorstand des Ökoenergieversorgers Naturstrom für die dezentrale Energieversorgung zuständig ist. Naturstrom feiert dieses Jahr sein 20. Jubiläum — und hat mit Mieterstrom ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Auch dank einer maßgeschneiderten Finanzierung der GLS Bank kann Naturstrom viele Anlagen leicht auf die Dächer bringen. „Wir machen die Gebäude zu Energiequellen“, sagt Meyer, vor allem mit Solaranlagen auf den Dächern oder auch Blockheizkraftwerken im Keller. Das Potenzial ist groß. Je nach Schätzung könnten vier bis fünf Millionen Wohnungen so Strom beziehen.
All das sind Schritte, die die Energiewende jetzt voranbringen und uns helfen, eine langfristige Perspektive einzunehmen. Denn es braucht klare Vorstellungen davon, wie viel Energie notwendig sein wird und wie wir sie in Zukunft verteilen. Wie es uns gelingt, dass nicht mehr einzelne Konzerne die Kontrolle haben, sondern unendlich viele kleine Produzenten. Dezentral, sparsam und intelligent. So könnte dann sogar ein Gefühl der Gemeinschaft entstehen. Die Energie, sie wird nicht mehr nur mir gehören, sondern uns allen.
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