Eigentlich hatte sich die aktuelle Regierung vorgenommen, die Klimakrise zu bekämpfen. Stattdessen unterstützt sie mit Subventionen in Höhe von 35 Milliarden Euro Klimasünden und lässt womöglich ein wichtiges Klimagutachten verspätet ans Licht. Dabei wäre die Lösung ganz einfach, zeigt genau dieser Bericht.
Überflutungen, Dürre, Klimakrise. Trotzdem investiert der Staat jährlich Milliarden in Bereiche, die das Klima belasten. Das zeigt ein aktuelles Gutachten mit dem Namen „Quantifizierung der Treibhausgase von staatlichen Begünstigungen in Deutschland“ (die taz berichtete). Demnach fließen rund 35 Milliarden Euro pro Jahr in klimaschädliche Subventionen. Zum Vergleich: Das sind mehr als 7 Prozent des gesamten Haushalts. Besonders klimaschädlich geht es in den Bereichen Verkehr, Industrie und Landwirtschaft zu. Und diese zählen sowieso schon zu den größten Emittenten von Treibhausgasen.
Studie liefert detaillierte Übersicht der Klimawirkung
Dabei sah der Koalitionsvertrag so vielversprechend aus. Dort steht: „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen.“ Wie das geschehen könnte, sollte im Rahmen des Gutachtens ermittelt werden. Es wurde vom Wirtschaftsministerium und Finanzministerium in Auftrag gegeben. Durchgeführt wurde die Studie vom Fraunhofer ISI und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Das Gutachten liefert eine detaillierte Übersicht aller staatlichen Subventionen, deren Klimaauswirkungen und Kosten. Die Ergebnisse sind alarmierend.
Der Begriff Subvention kommt von lateinischen Wort subvenire, zu Hilfe kommen. Es meint finanzielle staatliche Zuschüsse, die nicht an eine direkte Gegenleistung gebunden sind. Empfänger von Subventionen können (andere) Staaten, Unternehmen oder private Haushalte sein. Subventionen fließen direkt (Finanzhilfen) oder indirekt (Steuervergünstigungen).
Subventionen: 156 Mio. Tonnen CO2 mehr
Insgesamt gibt Deutschland pro Jahr emissionsfördernde Subventionen in Höhe von 35,8 Milliarden Euro aus (Stand 2020). Diese verursachen hochgerechnet bis 2030 circa 156 Millionen Tonnen CO2, was durch die Subventionen finanziert wird. Aktuell stößt Deutschland 598 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus (Stand 2024).
Die Treiber: Dieselprivileg, Dienstwagenprivileg und Entfernungspauschale
Mit Abstand am meisten Geld fließt in den Verkehr. Ob Steuervorteile für PKW, Flugzeug oder Schiffe – die Bundesregierung zahlt. Dabei scheint es irrelevant, dass im Koalitionsvertrag steht: „Die erforderlichen Entscheidungen zur Erreichung unserer Klimaschutzziele für 2030 und 2045 [werden] mit dem Ziel der Dekarbonisierung des Mobilitätsbereiches“ getroffen und beschleunigt.
Streicht die Regierung die Vorteile für PKW, können circa 20 Milliarden Euro und 50 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 eingespart werden. Verantwortlich sind hier vor allem drei Hauptposten: das Dieselprivileg, das Dienstwagenprivileg und die Entfernungspauschale.
Das Dieselprivileg meint die Energiesteuervergünstigung auf Dieselkraftstoffe. Durch den Entfall dieser Vergünstigung würden 25,7 Millionen Tonnen CO2 und jährlich 9,7 Milliarden Euro weniger an Subventionen anfallen. Ohne Dienstwagenprivileg würden 7,9 Millionen Tonnen CO2 und Subventionen in Höhe von 6,1 Milliarden Euro entfallen. Wenn die Regierung die Entfernungspauschale aufhebt, können 16,4 Millionen Tonnen CO2 und 5,3 Milliarden Euro an Subventionen reduziert werden.
Auch die Industrie profitiert von Subventionen. Rund 4 Milliarden Euro kosten die Steuerzahler Steuervergünstigungen für Unternehmen, die fossile Energien wie Erdgas oder konventionellen Strom nutzen. Das trägt zusätzlich mit 52 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 zur Erderwärmung bei.
Sei dabei! Am Freitag, 20. September 2024, gehen wir demonstrieren! Auch gegen fossile Subventionen.
Geringere Steuern auf tierische Produkte – obwohl sie die Umwelt mehr belasten
Tierische Produkte gelten als Grundnahrungsmittel. Das heißt, dass wir auf Fleisch, Milch, Käse und Eier 7 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Zum Vergleich: Für Hafermilch sind es 19 Prozent. Dadurch zahlt der Staat rund 4,3 Milliarden Euro drauf. Gleichzeitig verursacht Tierhaltung um ein Vielfaches höhere Emissionen als das pflanzliche Pendant. So hat Bio-Vollmilch beispielsweise einen CO2-Fußabdruck von 1,7. Dieser wird ermittelt, indem man kg-CO2 durch kg-Lebensmittel berechnet. Hafermilch schneidet hier mit einem CO2-Fußabdruck von 0,3 ab. Beim Vergleich Fleisch und Fleischersatz unterscheiden sich die Werte sogar um bis zu Faktor 20, wie das Umweltbundesamt belegt. Ohne die Mehrwertsteuer-Subventionen könnten hier fast 17 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Die Autoren der Studie betonen, dass fehlende Subventionen Konsequenzen nach sich ziehen. Durch höhere Stromkosten könnten Unternehmen zwar Energie sparen, auf Dauer aber ihre Produktionsstätten ins Ausland verlegen, wo Strom oft billiger ist. Die vergünstigten Steuern im Verkehr abzuschaffen, ist teils aus rechtlichen Gründen schwierig. Wenn diese Subventionen aber überarbeitet werden, könnten Anreize so gesetzt werden, dass sich Menschen für Elektroauto, Fahrrad oder Bahn begeistern. In der Landwirtschaft wäre es kein Problem die günstigere Mehrwertsteuer aufzuheben. Im Gegenteil: Weitere Vorteile würden entstehen. Von weniger Tierfutterflächen profitiert die Artenvielfalt, es entsteht Raum für den Anbau von alternativen Pflanzen für die menschliche Ernährung.
Wurde das Gutachten absichtlich zurückgehalten?
Man könnte annehmen, dass die Regierung diese Zahlen mit eifrigem Engagement verringern will. Der Haushaltsentwurf 2025 jedoch beweist das Gegenteil. Obwohl rund 12 Milliarden Euro fehlen – die größte Lücke in einem Entwurf seit 25 Jahren – bleibt die Regierung bei ihrer alten Strategie. Gekürzt hingegen wird bei klimafreundlichen Verkehrsmitteln wie der Bahn oder Sozialleistungen.
Zudem erschien der Bericht erst, nachdem die Klimaschutzgesetze und der Haushalt bereits festgezurrt waren. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), unterstellt Bundesminister Robert Habeck und Christian Lindner sogar, die Studie neun Monate lang geheim gehalten zu haben (siehe die Pressemitteilung der DUH). Diese sei bereits im November 2023 fertig gewesen. Erst nachdem der DHU rechtliche Schritte eingeleitet habe, sei sie durch das Ministerium freigegeben und „still und heimlich auf der Website des Auftragnehmers“ im August veröffentlicht worden.
Zwei Wochen zuvor, so Resch, habe das Bundesministerium einen Informationsantrag der DHU mit der Falschaussage abgelehnt, der finale Bericht sei noch nicht fertiggestellt. Das Wirtschaftsministerium bestreitet die Vorwürfe. Im November habe lediglich ein Entwurf vorgelegen. Anschließende sprachliche Anpassungen und fachliche Diskussionen seien ein langwieriger Prozess. So oder so – das Gutachten zeigt bisher wenig Wirkung. Trotz der Publikation sei es nicht geplant, den Bundeshaushalt zu ändern. Das sagt Fabian Leber, Sprecher des Bundesfinanzministeriums.
Was es jetzt braucht: PKW-Reformen statt sozialer Kürzungen
Umweltverbände fordern dringend ein Umdenken. Laut Christine Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz, muss die Regierung endlich die Dienstwagenbesteuerung, das Dieselprivileg und die Entfernungspauschale reformieren, statt Sozialleistungen und den Bahn-Etat zu kürzen.
Innerhalb der Regierungskoalition wächst der Druck, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Bereits 2009 haben die G20-Staaten in Pittsburgh entschieden, die ineffiziente Förderung fossiler Brennstoffe bis 2025 abzubauen. Zudem machen Klimaklagen deutlich, was in der Klimapolitik falsch läuft. Der globale Klimastreik am 20. September zeigt, dass Klimaschutz das wichtigste Thema der nächsten Jahrzehnte bleibt.
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