Bis 2050 will die EU klimaneutral sein – angesichts der Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Klimakrise gilt aber: je mehr und je schneller, desto besser. Unternehmen können dabei einen großen Beitrag leisten, indem sie ihren CO2-Fußabdruck verringern. Was noch nicht alle wissen: Einen großen Posten machen die CO2-Emissionen aus ihren digitalen Aktivitäten aus. Wäre das Internet ein Land, würde es beim Stromverbrauch global auf Platz 6 liegen. Damit treiben diese Emissionen die Klimakrise mit voran. Unternehmen sollten genau hinschauen.
In diesem Blogbeitrag werde ich genauer betrachten, wie das Internet CO2-Emissionen produziert und welche Auswirkungen dies auf die globale Klimaerhitzung hat. Zudem werde ich Tipps und Best Practices vorstellen, wie Unternehmen ihre digitalen Emissionen reduzieren können. Im Prinzip mache ich den lieben langen (Berufs-)Tag nichts anderes: Ich arbeite für acb.studio in Hamburg und berate Unternehmen bei der nachhaltigen Gestaltung ihrer digitalen Produkte wie Webseiten, Plattformen oder Apps.
1. Die digitalen Treiber der Klimakrise
Von Daten, die übertragen werden
Digitale Touchpoints sind alle digitalen Berührungspunkte zwischen einem Unternehmen und seinen Kund*innen oder Interessenten. Dazu gehören etwa die Unternehmenswebsite, Social-Media-Kanäle, E-Mail-Marketing, Online-Shops oder auch mobile Apps. Jedes Mal, wenn ein Kunde oder Interessent mit einem dieser Touchpoints interagiert, werden Daten übertragen und verarbeitet. Was viele Unternehmen jedoch nicht wissen: Diese Datenübertragung erzeugt CO2-Emissionen.
Ursache für die CO2-Emissionen durch digitale Touchpoints ist der Energieverbrauch der Server, auf denen die Daten verarbeitet werden. Die Server müssen ständig laufen, um eine schnelle Datenverarbeitung und -übertragung zu gewährleisten. Dadurch verbrauchen sie viel Energie und erzeugen entsprechende CO2-Emissionen.
Von Daten, die gesammelt werden
Auch auf Servern gespeicherte Daten erzeugen CO2-Emissionen. Dark Data (hier ein Bericht der SZ vom Mai 2020 dazu) bezeichnet Daten, die von Unternehmen gesammelt, aber nicht aktiv genutzt oder verarbeitet werden. Diese Daten entstehen beispielsweise durch die Nutzung von Analyse-Tools oder die Erfassung von Nutzerdaten auf der Unternehmenswebsite. Oftmals werden diese Daten nicht weiterverarbeitet oder ausgewertet, da Unternehmen nicht über die notwendigen Ressourcen oder Technologien verfügen. Server, auf denen diese Daten liegen, werden auch als Zombie-Server bezeichnet.
Der Podcast „World Wide Waste” von Gerry McGovern griff das Thema Ende 2022 auf: „Wir schätzen, dass es 16.000 Euro kostet, einen Server jährlich am Laufen zu halten, einschließlich aller Software- und Lizenzaspekte. Und es ist ein Zombie-Server. Er sitzt einfach nur da und tut nichts. Bis zu 40 Prozent der Server in den USA könnten Zombie-Server sein.“ Es wird geschätzt, dass weltweit etwa 70 Millionen Server gleichzeitig aktiv sind. Jeder dieser Server verursachte bei seiner Herstellung zwischen einer und zwei Tonnen CO2. Das bedeutet, dass jedes Jahr allein für die Server, auf denen Daten gespeichert werden, eine Billion Euro ausgegeben werden – und die Herstellung der Server insgesamt bereits 70 bis 140 Millionen Tonnen CO2 verursacht hat.
Dark Data und Zombie-Server erzeugen durch die Dauerspeicherung nicht genutzter Daten enorme CO2-Emissionen und Kosten. Unternehmen brauchen durch sie noch mehr Speicherkapazität und müssen noch mehr Server betreiben – verbrauchen mehr Energie und emittieren mehr CO2.
2. Die Auswirkungen auf die Klimakrise
Die Verantwortlichen in Unternehmen sollten verstehen, dass digitale Aktivitäten wie digitale Touchpoints und Dark Data Auswirkungen auf die Umwelt haben – und nicht nur auf Geschäftsprozesse und Finanzen. Viele unterschätzen diesen Zusammenhang zwischen digitalen Aktivitäten und dem CO2-Fußabdruck von Unternehmen. Laut einer Studie des Shift Project aus dem Jahr 2018 sind digitale Technologien und Infrastrukturen für vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das entspricht ungefähr den CO2-Emissionen aller Flugzeuge weltweit. Wenn Unternehmen ihre digitalen Aktivitäten nicht bewusst steuern und regulieren, tragen sie stärker zur Klimaerhitzung bei. Vermeiden können sie das mit einer gezielten digitalen Strategie zur Datennutzung.
3. Wie können Unternehmen ihre digitalen Emissionen reduzieren?
Digitale CO2-Emissionen lassen sich mit diesen gezielten Maßnahmen reduzieren:
- Energieeffiziente Geräte und Server: Durch den Einsatz von energieeffizienten Geräten kann der Energieverbrauch von Servern um bis zu 30 Prozent reduziert werden, was zu einer entsprechenden Reduzierung der CO2-Emissionen führt.
- Grünes Hosting: Unternehmen können erneuerbare Energien wie Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft oder Biomasse für die Stromversorgung von Rechenzentren nutzen.
- Reduktion von Dark Data: Unternehmen sollten ihre Datennutzung überprüfen, indem sie regelmäßige Audits durchführen und Datenmanagement-Richtlinien implementieren, um sicherzustellen, dass keine ungenutzten Daten gespeichert werden, die unnötig Energie verbrauchen.
- Nachhaltige UX-Designs (auf Deutsch die Gestaltung der Benutzererfahrung): Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Benutzererfahrung. Dazu zählen die Optimierung von Energieverbrauch und Ladezeiten, die Reduzierung von CO2-Emissionen und die Förderung von umweltbewusstem Verhalten der Nutzer. Letzteres wird durch Bereitstellung von Informationen, Anreizen und interaktiven Elementen erreicht, die auf die Bedeutung der Umweltverträglichkeit und Ressourceneffizienz hinweisen.
Einige Unternehmen haben bereits Maßnahmen zur Reduzierung ihrer digitalen Emissionen ergriffen. Google zum Beispiel hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen. Das Unternehmen hat auch seine Rechenzentren optimiert und virtualisiert, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Apple hat ebenfalls angekündigt, bis 2030 klimaneutral zu sein.
4. Mein (etwas längeres) Fazit
Digitale Touchpoints und Dark Data haben einen erheblichen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck von Unternehmen. Unternehmen haben einen großen Hebel in der Hand, wenn sie ihre digitalen Aktivitäten überdenken. Durch den Einsatz von energieeffizienten Geräten und Servern, den Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Optimierung von Datenzentren können sie ihre digitalen Emissionen deutlich verringern.
Ein Beispiel für die Verringerung digitaler Emissionen ist der Fall von Google. Laut einem Bericht des Unternehmens hat Google seine Energieeffizienz in Rechenzentren seit 2014 um 50 Prozent verbessert und nutzt zu 100 Prozent erneuerbare Energien für all seine globalen Betriebsabläufe, einschließlich der Rechenzentren.
Ein weiteres Beispiel ist die umweltfreundliche Suchmaschine Ecosia, die einen Teil ihrer Einnahmen dazu verwendet, Bäume auf der ganzen Welt zu pflanzen. Laut ihres offiziellen Blogs betreibt Ecosia seine Server mit 100 Prozent erneuerbaren Energien aus Wind- und Solarkraftwerken. Ferner bezieht das Unternehmen sein CO2-neutrales Datenzentrum von einem Anbieter, der auf ökologische Nachhaltigkeit setzt und sich dafür einsetzt, den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen der Technologie zu reduzieren.
Die Reduzierung digitaler Emissionen spart nicht nur Kosten, sie greift auch möglichen Regularien vor, die kommen könnten, damit die EU bis 2050 klimaneutral ist. Nachhaltigkeit bietet für Unternehmen außerdem einen Wettbewerbsvorteil. 43 Prozent der Verbraucher würden mehr für ein Produkt oder eine Dienstleistung bezahlen, wenn sie wüssten, dass es aus ethischer oder nachhaltiger Produktion stammt. 33 Prozent haben dafür auch schon mehr bezahlt.
Ein letztes Wort zu CDR
Mit Corporate Digital Responsibility (CDR) ist die Verantwortung von Unternehmen für den gewissenhaften und ethischen Umgang mit digitalen Technologien und Daten gemeint. CDR bedeutet, sicherzustellen, dass Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer*innen geschützt werden, dass die Nutzung von Daten transparent und fair ist, dass die Auswirkungen der digitalen Technologien auf die Gesellschaft und Umwelt berücksichtigt werden. CDR geht über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und beinhaltet eine freiwillige Übernahme von Verantwortung für die Auswirkungen des eigenen digitalen Handelns auf die Gesellschaft.
Daher appelliere ich an Unternehmen, ihre digitale Strategie zu überdenken und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Nur so können wir gemeinsam dazu beitragen, das Ausmaß der Klimakrise einzudämmen und eine nachhaltige Zukunft zu schaffen.
Du willst dich digital selbst verteidigen und deine eigenen Daten schützen? Dann erfahre mehr darüber in diesem Text von Frederic Meissner.
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