Gewinne mit dem IPCC-Bericht

Gewinne mit dem IPCC-Bericht

Um Berichte des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) zu lesen, braucht es Übung. In ihnen wimmelt es von Zahlen, Maßeinheiten, Abkürzungen und Verweisen. Hinter wichtigen Aussagen steht auch noch, welches Vertrauen (Confidence) sie in der Wissenschaftler-Gemeinde genießen – meist „high” und „very high”, mitunter auch „medium” oder „low”.

Ein Satz auf Seite 26 des jetzt veröffentlichten Syntheseberichts, der „Summary for Policymakers”, fiel mir aber gleich ins Auge. Übersetzt lautet er: „Die Entscheidungen und Maßnahmen in diesem Jahrzehnt werden sich jetzt und in den nächsten Tausenden von Jahren auswirken.“ Im Original heißt es: „The choices and actions implemented in this decade will have impacts now and for thousands of years.“ Vertrauenslevel: high confidence.

Das Weltklima ist ein träges System

Warum blieb mein Blick da hängen? In gut 150 Jahren hat der industrialisierte Teil der Menschheit so viel Treibhausgase in die Atmosphäre gepustet, dass wir jetzt bei knapp 1,2 Grad Erwärmung angekommen sind.

Aber selbst bei einer radikalen CO2-Reduktion ab sofort auf nahe Null würde die Erdtemperatur zwei Jahrzehnte weiter steigen. Das Weltklima ist ein träges System. Von einer jetzt emittierten CO2-Menge können in tausend Jahren immer noch bis zu 40 Prozent in der Atmosphäre sein.

Weil in den letzten Jahrzehnten vieles andere wichtiger erschien als Klimaschutz, haben wir jetzt schon viel zu viel CO2 in der Luft. Manches ist nicht mehr aufzuhalten. Wörtlich steht im Synthesebericht: „Der Anstieg des Meeresspiegels ist für Jahrhunderte bis Jahrtausende unvermeidlich aufgrund der anhaltenden Erwärmung der Tiefsee und des Abschmelzens der Eisschilde. Auch wird der Meeresspiegel für Tausende von Jahren erhöht bleiben.” (high confidence)

Es kommt auf jedes Zehntelgrad an

Wie schnell und stark dieser Anstieg aber ausfällt, ob wir uns daran so anpassen können, dass Küstenstädte nicht geräumt werden müssen – das allerdings haben wir noch in der Hand. Wir müssen mindestens auf einen Zwei- und – noch besser – auf einen 1,5-Grad-Pfad kommen, sagt die Klimawissenschaft. Und weil sich die menschliche Gesellschaft verletzlicher zeigt, als die Forscher ursprünglich angenommen hatten, kommt es auf jedes Zehntelgrad an.

Deswegen müssen die globalen CO2-Emissionen schnell runter: um knapp die Hälfte bis 2030, um zwei Drittel bis 2035 und um hundert Prozent bis zur Mitte des Jahrhunderts. Das sind die Zielmarken, die der Weltklimarat jetzt setzt. So hängt das, was wir in den kommenden zehn Jahren tun, mit Jahrtausenden zusammen.

Konsequenter Klimaschutz ist machbar

Die Klimawissenschaft versprüht hier weiter Hoffnung, nährt das Möglichkeits-Narrativ. Alles, was wir an Techniken brauchen, sei vorhanden, sagt sie. Der Bericht zeigt, dass konsequenter Klimaschutz sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbar ist. So sind im letzten Jahrzehnt die Kosten für Solarstrom um 85 Prozent, für Windstrom um 55 Prozent und für Batterien um 85 Prozent gesunken.

Viele Klimaschutzmaßnahmen haben inzwischen niedrigere Kosten als ihre konventionellen Alternativen. Das gilt etwa für Solar- und Windstrom, Elektroautos oder die Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Fahrradinfrastruktur.

Maßnahmen mit dem größten Klimaeffekt

Der Weltklimarat veröffentlichte dazu in seinem neuen Bericht eine eindrucksvolle Grafik (PDF), welche Maßnahmen mit den geringsten Kosten den größten Klimaeffekt versprechen.

Ausschnitt einer Grafik des Weltklimarats, die die Maßnahmen mit den geringsten Kosten und den größten Klimaeffekten zeigt.
Dieser Ausschnitt einer Grafik des Weltklimarats zeigt die Maßnahmen mit den geringsten Kosten und den größten Klimaeffekten. Quelle: https://www.de-ipcc.de/358.php

Die Größe der Balken überrascht nicht wirklich. Voran stehen Ausbau von Windkraft und Solarenergie; Reduzierung der Methan-Emissionen aus Kohle, Öl und Gas; Erhalt und Schutz von Ökosystemen, nachhaltige Waldbewirtschaftung, Aufforstung, Carbon Farming, Gebäudeeffizienz und Brennstoffwechsel. Derzeit gehypte Techniken wie beispielweise CO2-Abscheidung- und Verpressung kommen nur am Rande vor: zu teuer und zu wenig effektiv.

Anhand dessen kann übrigens jeder, der in Klimaschutz investieren will, selbst prüfen, welche Projekte klimapolitisch und wirtschaftlich am sinnvollsten sind. IPCC-Berichte zu lesen, kann ziemlich gewinnbringend sein.

 

Das Verständnis von grundlegenden naturwissenschaftlichen Zusammenhängen der Klimakrise ist relevant. Es gibt eine Initiative, die Kindern ab der 5. Klasse genau dieses Wissen vermittelt: Geoscopia. Wie Wissenschaft unter die Menschen bringen geht, erfährst du in unserem Blogbeitrag “Klimabildung: Geoscopia ist besser als Lehrbücher“.

Klimabildung: Geoscopia ist besser als Lehrbücher

  1. Oliver Schmitt

    Sehr interessante Hinweise, vielen Dank. Ich habe bis jetzt nur die Zusammenfassung gelesen, werde mich wohl weiter damit beschäftigen müssen.
    Was mir aufgefallen ist: “efficient livestock systems” klingt nach irgendwas mit Tierhaltung, die wird also nicht hinterfragt, und eine drastische Reduzierung tierlicher Ernährung wird nicht bei den Reduktionspotenzialen gesehen. Der Elefant im Raum …

  2. Unterzeichner

    Konsequenter Klimaschutz ist machbar. Ja, wenn man denn will. Deutschland will irgendwie nicht so richtig. Und ganz besonders will unser Verkehrsminister Herr Wissing nicht. Er will lieber Autobahnen bauen. Und sein Widerstand gegen das bereits ausverhandelte Verbrenner-Aus in der EU verursacht gerade richtig Wirbel. Laut heute Journal heute Abend „fürchtet man in Europa nun, Deutschland könnte das gesamte Klimaschutz-Programm der EU aufs Spiel setzen.“
    Fridays for Future sagt ganz zu Recht, „ Volker Wissing [ist] Teil der Krise selbst“ und fordert daher seinen Rücktritt. Bisher haben über 131.000 Leute (nach zwei Tagen) zugestimmt. Ich auch.
    https://weact.campact.de/petitions/verkehrsminister-wissing-treten-sie-zuruck-1?from_action_confirmation=true

  3. Matthias Losert

    Am 17.3. fand in Stuttgart die Investment Messe statt. U. a. war die Rohstoffbranche vertreten, um die Rohstoffversorgung, insbesondere bei Kupfer, Nickel und Zinn für das 1,5 Gradziel zu beleuchten.
    Fazit: die Nachfrage übersteigt die Kapazität bestehender Minen und Minen in der Pipeline. Für die Erschließung einer Mine benötigt die Branche ca. 15 Jahre, was für das Erreichen der Klimaziel zu spät ist. Ebenso wenig können Innvoationssprünge bei der Rohstoffverarbeitung in der Solar- und Windenergiebranche die voraussichtliche Nachfragelücke schließen.
    Alternativ wäre Atomkraft, was eine Bauzeit von ca. Jahre benötigt und eine Abhängigkeit vom verarbeitenden Rohstoff Uran in Russland schafft.
    Denkbar wäre noch Geothermie als Stromquelle, wobei der Einsatz von Dampfturbinen fragwürdig sind und Wärme-Magnet-Turbinen nicht marktreif sind.

    Erfolgreiches Investment für das 1,5 Gradziel? … Nehmen Sie wenigsten die Gewinnerwartung mit!

  4. Oliver Schmitt

    Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Sie haben die Chuzpe, hier im Blog einer nachhaltigen Bank solche Schwurbeleien zu schreiben? Die Mehrheit der Wissenschaft ist ein sehr guter Maßstab für die Wahrheit, da können Sie schreiben was Sie wollen.
    An die GLS: ich denke die Kommentare werden moderiert. Den von Herrn Ferger hätten Sie gerne kassieren können.
    Schöne Grüße

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