Vier junge Männer an einem Tisch im Gespräch

Finanzwissen: Was bedeutet eigentlich „Engagement“

Unsere Blog-Reihe zu den vier Wirkhebeln der GLS Bank bei nachhaltigen Investmentfonds:
1. Schenkgeld
2. Engagement
3. Kapitalbereitstellung
4. Signale setzen

Mit dem Geld, das Menschen bei uns anlegen, wollen wir die größtmögliche sozial-ökologische Wirkung erzeugen und zum Beispiel nachhaltige Unternehmen stärken. Geld ist für uns also ein Hebel für gesellschaftliche Veränderung. Was für eine Rolle in diesem Zusammenhang das sogenannte „Engagement“ spielt, kläre ich im Gespräch mit Richard Buch von der GLS Investments.

Nachhaltige Investmentfonds können auf verschiedenen Wegen Wirkung entfalten, das habe ich im Blogartikel „Nur noch kurz die Welt retten: Mit nachhaltigen Investmentfonds?“ erläutert. Dort kannst du eine kurze Zusammenfassung der vier Wirkhebel lesen: Signale setzen, Kapitalbereitstellung, Schenkgeld und Engagement bzw. ins Gespräch gehen. Was Letzteres konkret bedeutet, habe ich meinen Kollegen Richard gefragt; er ist unser Experte für dieses Thema im Nachhaltigkeitsresearch der GLS Investments.

Richard Buch
Richard Buch ist Experte für das Thema Engagement im Nachhaltigkeitsresearch der GLS Investments. Foto: Patrick Tiedtke

Richard, was bedeutet Engagement und warum ist das wichtig für die sozial-ökologische Wirkung von Investmentfonds?

Unter Engagement, das übrigens englisch ausgesprochen wird, verstehen wir, ins Gespräch oder in den Dialog zu gehen – und zwar mit Unternehmen, bei denen wir Verbesserungen in Sachen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit anmahnen wollen. Als Kapitalgeber und Anteilseigner von Aktiengesellschaften tragen wir – im Auftrag unserer Fonds-Anleger*innen – eine Mitverantwortung für die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Menschen und Umwelt. Also suchen wir das Gespräch, wenn etwas im Argen liegt: zum Bespiel bei einem Papierhersteller, dessen Recyclingfaser-Anteil unerklärlicherweise stark gefallen ist, oder bei einem Hersteller von Beatmungsgeräten, deren Einsatz mutmaßlich zu Todesfällen geführt hat.

Wie geht ihr im Engagement konkret vor?

Alle Unternehmen des GLS Anlageuniversums unterliegen einem täglichen Monitoring, das heißt, wir beobachten die Firmen. Wenn kontroverse Meldungen bekannt werden, kontaktiert unser Research-Team das Unternehmen via Mail und bittet um Stellungnahme. Im Verlauf des Dialogs nutzen wir dann auch Telefon- und Videokonferenzen, um an weitere Informationen zu gelangen. Wir sammeln so viele Infos wie möglich, denn diese helfen letztlich dem GLS Anlageausschuss, in der folgenden Sitzung eine fundierte Entscheidung zu treffen. Der Ausschuss bewertet, ob das Unternehmen durch sein Verhalten gegen unsere Anlage- und Finanzierungsgrundsätze verstößt. In diesem Fall wäre die letzte Konsequenz die Entfernung aus dem GLS Anlageuniversum.

Wie wirken sich eure Nachfragen und Mahnungen auf die Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen aus?

Die Unternehmen nehmen wahr, dass es Investoren gibt, für die eine tatsächlich nachhaltige Ausrichtung des Geschäftsbetriebs essenziell ist. Einige sind sehr einsichtig und reagieren positiv auf unsere Hinweise. Immer mehr Investoren interessieren sich für die sozial-ökologische Ausrichtung der Unternehmen und haken bei Kontroversen nach. Besonders wenn wir uns mit anderen verbünden, können wir effektiv auf Veränderungen pochen.

Eine Gruppe von Menschen bei einem Treffen in Italien
Das sind die Teilnehmer der Wintersitzung der “Shareholders for Change”, aufgenommen im Dezember in Padua, Italien. Von der GLS Investments mit dabei Karoline Wagner (3.v.l.) und Richard Buch (3.v.r.).

Wie kann eine solche Zusammenarbeit beim Engagement aussehen?

Wir sind Anfang 2023 dem europäischen Netzwerk „Shareholders for Change“ beigetreten. Gemeinsam mit anderen Akteuren im Finanzmarkt bündeln wir unsere Aktivitäten gegenüber Unternehmen, in die wir investieren, und verleihen unserem Wort damit mehr Gewicht. Wir arbeiten fallweise mit NGOs zusammen, die sich intensiv mit bestimmten Unternehmen befassen. Eine niederländische NGO zum Beispiel weiß sehr viel über die dortige internationale Entwicklungsbank und konnte uns wertvolle Hinweise zu fehlenden Richtlinien bei der Bank liefern.

In Deutschland ist beispielsweise urgewald ein wichtiger Kontakt für uns, wenn es um die Kapitalbereitstellung von Finanzdienstleistern geht, also z.B. um Versicherer für die Kohle-, Gas- und Öl-Industrie. Bei bestimmten Themen macht es Sinn, sich weitere Expert*innen und andere Investor*innen ins Boot zu holen – so werden wir besser wahrgenommen.

Zukünftig wollen wir nicht nur auf Kontroversen reagieren, sondern auch gezielt thematisches Engagement betreiben, also proaktiv bezüglich eines speziellen Themas auf eine Gruppe von Unternehmen zugehen.

Kannst du uns das thematische Engagement anhand eines Beispiels genauer erklären?

Gerne, lass‘ uns das Thema Vielfalt und Chancengleichheit nehmen, das uns in den vergangenen Jahren besonders wichtig war. Die GLS Gruppe hat sich als Unterzeichnerin der Women’s Empowerment Principles zum Ziel gesetzt, in Unternehmen Frauen in Führungspositionen zu stärken und zu fördern. Viele Unternehmen, auch solche mit bereits guter Nachhaltigkeitsleistung, haben in diesem Bereich noch Verbesserungspotenziale. Also haben wir die Unternehmen im GLS Anlageuniversum angeschrieben, die noch keine Zielquote für eine möglichst geschlechterparitätische Besetzung des Vorstands ausgegeben hatten. Einige Unternehmen haben Besserung gelobt – hier müssen wir jetzt nachhaken.

Was habt ihr euch für das Jahr 2024 vorgenommen?

Wir wollen noch gezielter thematisches Engagement betreiben, weil wir glauben, dass wir so auch einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Transformation in der Wirtschaft leisten können. Wir wollen Unternehmensvertreter*innen zudem ermutigen, über zukunftsweisende Geschäftsaktivitäten verstärkt in der Öffentlichkeit zu berichten. Mit der Auflage des Kinder Perspektivenfonds gemeinsam mit SOS-Kinderdörfer weltweit ist zum Beispiel das Thema Kinderrechte in der Wirtschaft in unseren Fokus gerückt. Die Bedeutung von Kinderrechten in wirtschaftlichen Zusammenhängen wird weitestgehend unterschätzt. Wir freuen uns, dass das Gremium des Fonds, der sogenannte Engagement Council, das Thema angeht; wir wollen ihn bestmöglich unterstützen.

Menschen bei einer Arbeitssitzung zusammen in einem Raum mit Computern
Der Arbeitsraum der “Shareholders for Change” beim Wintertreffen

Beim Treffen der Shareholders for Change im Dezember hat sich übrigens gezeigt, dass wir andere Banken und Akteure auf unserer Seite haben. Dass wir gemeinsam in zukünftige Dialoge gehen können, freut uns sehr! Zusammen können wir mehr erreichen.

(Unser Headerbild zeigt Auszubildende der GLS Bank im Gespräch miteinander. Foto: Stephan Münnich)

 

Ist dir der Wirkhebel Engagement verständlicher geworden? Wenn noch Fragen offen geblieben sind, hinterlasse gerne einen Kommentar.

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