Wer günstig sein Geld anlegen möchte, landet schnell bei ETFs. Neben allen Vorteilen wird hier jedoch oft übersehen: Die Finanzprodukte sind nur selten wirklich nachhaltig und fast nie sozial. Aber es gibt gute Ansätze. Eine Erklärung.*
* Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde erstmals am 26. Mai 2023 veröffentlicht. Aufgrund der Debatte über die Nachhaltigkeit bei ETFs hat unsere Autorin Angelika Ivanov den Text überarbeitet und aktualisiert.
Was ist eigentlich ein ETF?
ETF steht für Exchange-Traded Funds. Übersetzt: börsengehandelte Fonds. Okay, allein diese Erklärung hilft vermutlich nur Finanzexpert*innen weiter. Ganz grundsätzlich könnt Ihr Euch diese Fonds so vorstellen: ETFs sind ein virtueller Korb mit, sagen wir mal, Eiern. Welche Eier in den Korb kommen ist aber bereits festgelegt. Denn die Eier sind Aktien, Staatsanleihen, Derivate oder andere Finanzinstrumente.
Nehmen wir als Beispiel einen ETF, der den deutschen Leitindex DAX nachbildet. Dieser umfasst die 40 größten Unternehmen, die an der Börse gelistet sind (ja, es gibt auch Unternehmen, die nicht an der Börse sind). Unser ETF-Korb ist also eine Art Kopie der aktuellen Reihenfolge im DAX. Man spricht hier von einer künstlichen Nachbildung der entsprechenden Unternehmenswerte. Das geschieht in der Regel vollautomatisch. Ein ETF ist also eine Abbildung der Aktienanteile eines Index.
Welche Arten gibt es?
Es gibt physische und synthetische ETFs. Physisch bedeutet, dass der ETF tatsächlich in die Unternehmen, deren Aktien er beinhaltet, investiert. Synthetisch heißt, dass der ETF einen Index nachbildet. Die Regel lautet: Existiert ein Börsenindex, so kann ein ETF ihn auch nachbilden. Soweit die Grundlagen.
Nachhaltige ETFs: Wie viele gibt es?
Wer nun in einen ETF investieren will, stellt schnell fest: Es gibt viele davon. Laut Stiftung Warentest gibt es Stand Ende 2023 etwa 2.700 ETFs. Knapp 1.000 sind als nachhaltig deklariert. Und da geht es schon ans Eingemachte. Wir wollen ja wissen, ob es einen nachhaltigen ETF geben kann. Die Antwort ist: Nein, zumindest mit den sozial-ökologischen Kriterien der GLS Bank. Bis heute gibt es keinen Index, der ausschließlich sozial-ökologische Unternehmen listet, die den Ausschluss- und Positivkriterien der GLS Gruppe standhalten. Das bedeutet: keine Geschäfte mit Waffen, fossiler Energie, Menschenrechtsverletzungen oder Einsatz von Pestiziden. Kurz: alles, was unsere Lebensgrundlage auf der Welt langsam aber sicher vernichtet.
Nachhaltige ETFs: Wo liegt der Unterschied zwischen ESG und SRI?
Das heißt: Wie nachhaltig ein ETF ist, hängt davon ab, was drin ist. “Aber mir werden doch immer wieder welche angeboten”, könnte es nun heißen. Ja, auf dem Finanzmarkt werden grüne ETFs beworben. Sie haben die Endungen ESG (Environment, Social and Governance) oder SRI (Socially Responsible Investment) im Namen. Die einen sind besser fürs Klima, die anderen schlechter. Wir schauen mal genauer hin. Das steckt in nachhaltigen ETFs:
1. Best-In-Class-Ansatz
Hier landen die Werte der besten Unternehmen einer Branche im ETF. Es werden also Kriterien definiert, wie zum Beispiel: Wie effizient ist das Unternehmen? Wie unabhängig sind Aufsichtsräte? Das Problem dabei ist, dass etwa ein Autohersteller keineswegs nachhaltig sein muss. Er muss nur besser sein als die anderen Autohersteller, um Bester in seiner Branche (Best-in-Class) zu sein.
Das heißt konkret, dass auch Unternehmen aus Umweltsünder-Branchen wie etwa Öl- und Gasgewinnung in einem ETF vertreten sein können. Beispiel: Der Ölkonzern BP galt im Dow Jones Sustainability Index (DJSI) lange Zeit als nachhaltiges Unternehmen – bis die zum Konzern gehörende Bohrinsel Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko die bis dahin schwerste Umweltkatastrophe dieser Art in der Geschichte auslöste. Heute ist das Ölunternehmen Shell im Portfolio. Dieser Ansatz ist daher sehr kritisch zu bewerten.
2. Best-in-Class-Ansatz plus Ausschlusskriterien
Ein wenig zielführender mit Blick auf die Nachhaltigkeit sind Best-in-Class Fonds mit Ausschlusskriterien. Bedeutet: Indexanbieter meiden bei dem Aufbau des ETF Unternehmen, die Geld mit Waffen, Alkohol, Pornografie oder Glücksspiel verdienen. In solchen Fällen wird das „S“ in ESG besonders stark gewichtet. Manche erweitern ihre Angaben um Atomkraft, Kohlekraftwerke und seltene Erden.
3. Best-in-Progress-Ansatz
Beim Best-in-Progress Ansatz geht es darum, Unternehmen zu belohnen, die sich besonders schnell in ihrer Nachhaltigkeit verbessern. Dieser Ansatz wird aber noch selten genutzt.
4. Die Angabe SRI bei einem ETF
SRI steht für „Social Responsibility“ („soziale Verantwortung“). Dabei herrscht auf dem Markt die Regel, dass Unternehmen, die mindestens fünf Prozent mit problematischen Geschäftsfeldern erwirtschaften, aus dem Index fallen. Das Problem: Bei multinationalen Konzernen sind fünf Prozent des Umsatzes immer noch gigantische Summen, die auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen.
5. Der ETF der Umweltbank
2024 hat das Institut einen ETF auf den Markt gebracht und hier einen innovativen Ansatz gewählt. Das hat auch innerhalb der GLS Bank die Debatte neu entfacht. Kann es nachhaltige ETFs geben? Die kurze Antwort lautet für uns weiterhin: Nein. Wir arbeiten lieber mit aktiv gemanagten Produkten und nachhaltigen Fondssparplänen.
Die längere Antwort ist etwas differenzierter.
ETFs sind unschlagbar günstig – das hat seinen Preis
Wir sehen, dass ein Invest in ETFs im Vergleich zu einem Investmentfonds aus Kundensicht überzeugt. Sie sind günstig. Das ist auch aus unserer Sicht ein wichtiges Kriterium für eine Geldanlage. Doch wir stellen Sinn vor Gewinn. Deswegen ist es wichtig, dass wir immer aktiv in unsere Anlagen eingreifen und auch deinvestieren (das Geld herausziehen) können, wenn etwa ein Verstoß gegen unsere sozial-ökologischen Kriterien bekannt wird.
Das ist bei einem ETF nicht einfach möglich. Hier fehlt das menschliche Korrektiv, das die Qualität des Investments ausmacht.
Ein weiteres Hindernis kommt hinzu. ETFs sind in der Regel breit gestreut. Das ist mit Blick auf das Risiko sinnvoll. Zum Nachteil wird es aber, wenn Nachhaltigkeit eine Rolle spielt.
Beispiel: Ein ETF bildet viele Titel ab – rund 1.200. Hinter jedem Titel steht ein Unternehmen. Möchte man bei einer so hohen Zahl die Kosten niedrig halten, was ja essenziell ist, können nur quantitative Daten aus Unternehmensberichten ausgewertet werden.
Dabei muss man wissen, dass die Finanzwirtschaft keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit hat. Die Berichtspflichten sozial-ökologischer Werte sind unzureichend oder kaum vorhanden. Zudem sehen wir derzeit klimapolitische Rückschritte, wo Themen wie Investitionen in Rüstung und Atomkraft auf einmal als sozial und grün umgemogelt werden sollen.
Es wäre zwar möglich, auch bei einem ETF aktiv einzugreifen und Investments zu verändern. Doch genau das aktive Beobachten, Deinvestieren und das aktive Aktionärstum (sogenanntes Engagement) nach einem klaren Kriterienkatalog würde die Kosten in die Höhe treiben. Damit wäre der größte Vorteil von ETFs ad absurdum geführt.
Was bedeutet Aktionärstum bzw. Engagement?
Aktionär*innen haben Macht. Sie können mit Unternehmen ins Gespräch gehen und ihre Werte vertreten. Das machen auch wir als GLS Bank. Wie genau? Zunächst einmal suchen wir das direkte Gespräch mit Entscheidungsträger*innen der Unternehmen. Taucht etwa eine Kontroverse auf, beispielsweise der Verdacht auf Steuerhinterziehung eines CEOs oder der Zweifel an sauberen Lieferketten, bekommen wir das durch kontinuierliches Monitoring mit. Dann verlangen unsere Nachhaltigkeitsresearch-Analyst*innen eine Stellungnahme. Oder sie fragen nach einem Plan, wie sich das Unternehmen verbessern möchte. Gibt das Unternehmen nichts raus, entscheidet unser Anlageausschuss in der nächsten Sitzung, ob wir lieber rausgehen – also deinvestieren. Das ist Engagement. Das geschieht nicht nur bei Kontroversen und rechtlichen Verstößen. Wir sprechen auch Themen an, die uns besonders wichtig sind wie Klimaschutz und Soziales. Manchmal schließen wir uns auch mit anderen Investor*innen zusammen, um unseren Forderungen mehr Gewicht zu verleihen. So arbeiten wir etwa mit dem Netzwerk Shareholders for Change für mehr Biodiversität.
Unsere Alternative zu ETFs und Sparplänen in ETFs: Aktiv gemanagte Aktienfonds und Fondssparpläne
Deswegen gehen wir einen anderen Weg. Auch unsere Anleger*innen wollen einen einfachen Weg, um Geld zu sparen und anzulegen. Dabei sind ihnen die sozial-ökologischen Kriterien wichtig. Diese Kombination bieten wir mit unseren Investmentfonds und dem Anlageassistenten GLS onlineInvest.
Gibt es nachhaltige ETFs? Unser Fazit
Wir als GLS Bank werden keinen ETF auflegen. Den GLS Bank-Kriterien für nachhaltige Anlagen hält dieses Finanzprodukt nicht stand. Wir beobachten aber den Markt und freuen uns, wenn die politischen Vorgaben zu immer besseren sozial-ökologischen Standards führen, an denen sich auch große Finanzhäuser orientieren. Schließlich hat die Finanzwirtschaft den größten Hebel, um die Klimakrise zu bekämpfen.
Tipp 1
Um schnell herauszufinden, ob ein ETF Deinen eigenen Ansprüchen genügt, lohnt der Blick auf zehn größten Titel. Sind Umweltsünder oder Großkonzerne mit fragwürdigen Geschäftspraktiken dabei? Dann lieber kritisch bleiben.
Tipp 2
Wenn Du ohnehin in ETFs investierst, hat Angelika Stahl, Leiterin des Vermögensmanagements der GLS Bank, einen wichtigen Hinweis: „Achte darauf, dass Du Dein Geld in physische ETFs investierst. Also in einen Fonds, der tatsächlich die Aktien eines Unternehmens hält.“ Synthetische Anlagen hingegen, die lediglich einen Index künstlich nachbilden, hält sie für problematisch. „Damit investierst Du in Derivate, also spekulative Finanzinstrumente. Aus ESG-Sicht ergibt das keinen Sinn.“
Auf unserer Website findet ihr mehr Informationen zu den GLS Fonds sowie zur Arbeitsweise unseres externen Anlageausschusses und unseres Research-Teams.
Passend dazu können wir Euch noch die Einschätzung unseres Kollegen Lukas Adams präsentieren – hier hört Ihr ihn in einer etwas älteren Podcast-Folge zu dem Thema.
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