Carolin Engwert ist Grafik- und Webdesignerin, seit ein paar Jahren aber vor allem leidenschaftliche Gärtnerin. In ihrem Gartenblog „Hauptstadtgarten“ nimmt sie uns mit in ihren Berliner Schrebergarten. Ginge es nach ihr, hätte sie immer in der einen Hand eine Gartenschere und in der anderen ein Handy, denn es gibt immer etwas zu schneiden, zu fotografieren oder aufzuschreiben. Sie hat für uns einen stadtgrünen Wirtschaftsteil zusammengestellt zu Urban Gardening:
Urban Gardening – Freizeitausgleich für gestresste Städter? Ein Versuch die Feinstaubbelastung in Großstädten in den Griff zu kriegen? Oder ein Weg zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln? Was vor ein paar Jahren noch als Hobby für Hipster mit Biolatschen und Upcycling-Hochbeeten aus Europaletten erschien, ist heute im Mainstream angekommen.
Selbstgebaute Hochbeete sind mittlerweile so massentauglich, dass angeblich sogar die Europaletten knapp werden. Falls man diese zum Gemüseanbau benutzen möchte, hier ein nützlicher Hinweis: “Das Holz der Europaletten wird in der Regel gegen Ungeziefer behandelt. Anhand eingebrannter Kennzeichnungen auf den Klötzen der Palette ist auch ersichtlich, wie.”
Dieser Wirtschaftsteil möchte neben Urban Gardening Vorzeigeprojekten, wie den Prinzessinnengärten in Berlin auch die Randerscheinungen des Gärtnerns in der Stadt beleuchten. Z.B. die kleinen, aber feinen Interventionen von Steven Wheen: “Es ist schon Urban Gardening. Allerdings kursieren verschiedene Begriffe für das was ich mache. Mein Projekt dreht sich um das Thema Glück. Und so lange ich Menschen mit damit glücklich mache, ist mir egal wie man das nennt.”
Diese Glücksgefühle haben übrigens viele Gartenprojekte gemeinsam. Das Wühlen im Dreck scheint entsprechende Rezeptoren im Stammhirn anzusprechen – auch bei der wachsenden Community von Neu-Schrebergärtnern, deren sonnige Tage hoffentlich noch lange nicht gezählt sind. “Kleingärten sind wichtig für die Stadt, als Grünflächen, als Orte der sozialen Bindung, der Bildung und der Erholung. Dennoch: Es gibt in Berlin gerade einen ganz massiven Nutzungskonflikt. Die Stadt und private Investoren suchen überall Flächen für Wohnungen.”
Viele der neu gebauten Stadtviertel sind leider keine architektonische Meisterleistung: öde Gebäude mit grauen Betonfassaden, dafür mit Tiefgaragenstellplatz. Ganz anders die Architektur von Stefano Boeri. “Die Hochhäuser sehen unwirklich aus. In einer nördlichen Ecke von Mailands Zentrum, wo früher die Arbeiter der Stadt wohnten, sind sie umringt von verglasten Wolkenkratzern, Leuchtreklamen, Straßenlärm. Zwei Wohnblöcke, 80 und 110 Meter hoch, über und über mit Bäumen bewachsen, unglaublich grün, wie aus einem Science-Fiction-Film in die Stadt gefallen.”
In China entsteht gerade sogar ein ganzer Stadtteil nach seinen Entwürfen.
Wo wir schon beim Thema Bäume sind. Habt Ihr Euch schon mal Gedanken gemacht, nach welchen Kriterien Stadtbäume in Deutschland ausgesucht werden? “Einen Baum nur nach der Optik oder der Schönheit auszuwählen, das wäre fatal, das hilft uns überhaupt nicht weiter.”
Wenn alles so zugebaut ist, dass der Platz für weitere Bäume nicht ausreicht, kann man auch auf die Idee kommen, bestehende Bauwerke zu begrünen – wie es gerade in Mexico City geschieht. “Sie filtern Abgase, Feinstaub und Schwermetalle und sollen so bessere Atemluft für die Bewohner schaffen: vertikale Gärten, die eine Bürgerinitiative jetzt an 700 Betonpfeilern in der Megacity entstehen lässt.”
Die einen werden glücklich, die anderen hoffen auf bessere Luft. In Entwicklungs- und Schwellenländern hat Urban Farming darüber hinaus echtes Potenzial, hungernde Menschen satt zu machen. Im Herbst 2017 fand in Berlin die internationale Urban Farming Konferenz statt, auf der sich Vertreter von 70 Projekten aus fünf Kontinenten drei Tage lang zum Thema ausgetauscht haben. Ich hatte das Glück dabei zu sein und zu erfahren, welche Chancen das Urbane Gärtnern in Entwicklungsregionen bietet. “Auch die Stiftung Welthungerhilfe hat ihre Projektarbeiten in der Entwicklungshilfe bereits in Richtung Urban Gardening als Konzept zur Bekämpfung von Mangel- und Unterversorgung ausgedehnt.“
Zum Schluss noch ein Hinweis auf den „Weltacker“, ein Projekt der Zukunfts-Stiftung Landwirtschaft, das uns den globalen Anbau von Nahrungsmitteln anschaulich vermitteln möchte. “1,4 Milliarden Hektar Ackerland durch sieben Milliarden Menschen macht 2.000 Quadratmeter für jeden von uns. Alle Probleme und Chancen nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährung lassen sich auf dieser Fläche darstellen. “
[green_box]Dieser Wirtschaftsteil ist ein Gastbeitrag von Carolin Engwert zum Thema Urban Gardening. Weitere spannende Gastbeiträge anderer Autoren und Blogger findet Ihr hier.[/green_box]
Foto: (CC BY 2.0) von Matthias Ripp
Schreibe einen Kommentar