Der Mensch hält Tiere, um sie zu essen. Im Schnitt essen die Deutschen 55 Kilogramm Fleisch pro Jahr, der Verzehr sank 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 Kilo. Die Medien sprechen von einem Rekordtief beim Fleischverzehr – ein absurder Begriff, da unser Konsum von tierischen Produkten immer noch 75 Prozent über dem Maß liegt, was unsere planetaren Grenzen aushalten können. Angesichts von Rekorddürren und der sechsten Hitzewelle in diesem Jahr stellen sich Fragen: Welche Tierhaltung wollen wir? Und wie viele Tiere wollen wir halten?
Der Speiseplan der Zukunft: Planetary Health Diet
37 Wissenschaftler*innen, darunter Klimaforscher*innen und Ernährungswissenschaftler*innen, erarbeiteten 2019 die „Planetary Health Diet“. Das Ziel der Forscher*innen war es, eine wissenschaftliche Grundlage für einen Wandel des globalen Ernährungssystems zu schaffen und die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen zu schützen. Neben einer drastischen Fleischreduktion fordern die Autor*innen der Studie vor allem die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft und eine Halbierung der Lebensmittelverschwendung.
Agrarwende von unten: Funktioniert in 100 Jahren nicht?
Das Ernährungsverhalten ist tief in der Kultur eines Volkes verwurzelt. Viele Menschen wollen sich nicht fleischlos ernähren und fühlen sich angegriffen, wenn sie auf Fleisch „verzichten“ sollen. Unsere Kultur kennt nur Wachstum. Mehr Konsum? Wohlstand! Weniger Konsum? Verzicht! Diese kapitalistische Ideologie führt bei Veränderungsversuchen zu massivem Widerstand in breiten Bevölkerungsschichten.
Egal ob es sich um weniger Autos, weniger Fleisch oder weniger Flüge dreht, das Framing ist immer dasselbe: Linke Öko-Terroristen wollen zurück in die Steinzeit. Niemand will zurück in die Steinzeit, aber ein Weiter-So ist die schlechteste aller Alternativen. Dabei auf Aufklärung zu setzen, funktioniert nicht. Das Wissen, dass unser Konsumverhalten klimaschädlich ist, ist allgemein bekannt. Alternativen wie Tofu oder Seitan sind in jedem Supermarkt erhältlich, dennoch sinkt der Fleischkonsum kaum spürbar. Auch bei der Tierhaltung gibt es zu wenig Veränderung.
Wir brauchen: Mehr mutige Entscheidungen von oben
Es gilt, unsere Ernährungskultur zu verändern. Hier sind der Staat, die Medien und die Unternehmen gefragt. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen: Eine Prämie für die Umstellung auf Öko-Landbau, Subventionen auf Obst, Gemüse und Fleischalternativen, Einführung einer Zuckersteuer, kostenloses Schulessen in Bio-Qualität – die Möglichkeiten sind vielfältig und Geld ist vorhanden. Es muss nur umgelenkt werden: weg von klimaschädlichen Subventionen hin zu Subventionen, die unsere Zukunft sichern.
Unternehmen sind in der Verantwortung, ihren Mitarbeiter*innen ein gesundes, vegetarisches und/oder veganes Mittagessen in Bio-Qualität anzubieten. Davon profitiert nicht nur das Klima, sondern vor allem die Gesundheit der eigenen Belegschaft. Zu Hause kann sich jede*r sein Schnitzel braten, aber die Umstellung auf Bio, Vegetarisch, Vegan muss in öffentlichen und privaten Kantinen aus Klimaschutzgründen zum Standard werden. Nur so können wir die Ernährungswende schaffen.
Wiesen und Weiden: Bodenschutz, Wasserschutz, Klimaschutz
Wiesen und Weiden sind in Deutschland eine wesentliche Voraussetzung für die Artenvielfalt. Viele Insekten und Vögel sind abhängig von offenen Kulturlandschaften: Großer Brachvogel, Kiebitz, Braunkehlchen und Wiesenpieper – alles Arten, die besonders stark vom Aussterben bedroht und in Weidelandschaften zu Hause sind. Bunte Wiesen können aber noch viel mehr: Sie sind Bodenschutz, Wasserschutz und Klimaschutz zugleich.
Wiesen, welche dauerhaft angelegt sind und mit Vieh genutzt werden, können auf lange Sicht in etwa so viel CO2 speichern wie Wälder. Die Weidehaltung im ökologischen Landbau leistet damit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz und die Biodiversität. Extensive Beweidungsprojekte sind kein Widerspruch zu vegetarischer oder veganer Ernährung, sondern eine ideale Ergänzung zur Verringerung des Fleischkonsums und der Massentierhaltung. Tiere machen dort Sinn, wo sich Flächen nicht für den Acker- oder Gemüseanbau eignen – das sind in Deutschland ein Drittel aller landwirtschaftlichen Flächen.
Kreislaufwirtschaft auf Bio-Höfen: Wie viele Tiere können ernährt werden?
Das Ideal der ökologischen Wirtschaftsweise ist die Kreislaufwirtschaft: Auf dem Hof werden nur die Stoffe eingesetzt, die der Hof selbst zur Verfügung stellt. Der Hof wird als lebendiger Organismus gesehen, alle Ökosysteme und Lebensräume hängen zusammen. Bio-Landwirte verwenden keine künstlichen Düngemittel und keine Pestizide. Ein Landwirt hält so viele Tiere, wie er mit seinem Land ernähren kann. Der Mist der Tiere sorgt für eine hohe Bodenfruchtbarkeit – ohne diese zusätzliche Düngung würde der Ertrag auf den Höfen zusammenbrechen. Natürlich fällt durch die Kreislaufwirtschaft viel weniger Fleisch zum Verzehr an, als wir es gewohnt sind. Aber genau das ist das Ziel: 75 Prozent weniger Konsum von Fleisch und Produkten tierischer Herkunft.
Wir fordern: Das Ende der Massentierhaltung
„Wann hören wir auf Fleisch zu essen?“ Das ist die falsche Frage. Die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, lautet: „Wann beenden wir die Massentierhaltung?“ Wir haben kein „Rekordtief“ im Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch, sondern wir haben ein Problem in der Umsetzung von Wissen in Handeln. Eine pflanzenbasierte, regionale und saisonale Ernährung ist gesund für alle: den Menschen, das Klima und die Tiere.
PS: Das Öko-Institut hat heute die Ergebnisse einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie veröffentlicht. Sie trägt den Titel: „Gesundes Essen fürs Klima – Auswirkungen der Umsetzung der Planetary Health Diet auf den Landwirtschaftssektor“.
Du findest weitere interessante Beiträge auf unserem Blog, etwa einen Text zur dringend erforderlichen Systemänderung in der Landwirtschaft oder einen über die Helden unserer „Massentierhaltung braucht deinen Kontowechsel“-Kampagne.
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