Vom 13. bis 16. Februar findet in Nürnberg die Biofach statt, die Messe für die internationale Bio-Branche. Schwerpunktthema in diesem Jahr: „Food for the Future: Frauen und nachhaltige Ernährungssysteme“. Dabei steht die transformative Kraft von Frauen im Lebensmittelsektor im Fokus. Das Blog der GLS Bank greift das Thema in einer „Starke Landwirtinnen“-Reihe auf. In Teil 2 sprechen wir mit Heike Kühner von der Höfegemeinschaft Pommern. Dazu gehören drei Höfe mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Nordosten Deutschlands, kurz vor der polnischen Grenze und einer sogar direkt an der Ostseeküste.
Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Nur knapp jeder fünfte Landwirtschaftsbetrieb wird von einer Frau geleitet. Im Ökosektor liegt der Anteil erfreulicherweise bei 27 Prozent.
Warum haben es Frauen schwerer in der Landwirtschaft? Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen?
Zuerst ist es wichtig zu sagen, dass es nicht die eine Antwort gibt. Ich würde tatsächlich auch ein Fragezeichen daran machen, ob die Zahlen der Studie (Befragung von mehr als 7000 Frauen zu ihrer Lebens- und Arbeitssituation in der Landwirtschaft) das richtige Bild malen. Wer sieht sich denn als Betriebsleiter? Ich finde, gerade in Familienbetrieben kann man schon ein Fragezeichen daran machen, wer die Hosen anhat. Viele Familienbetriebe haben einen alleinigen männlichen Betriebsleiter, aber das Büro wird von einer Frau geführt, die wiederum als einzige die finanzielle Übersicht hat.
Das heißt, wir haben in vielen familiengeführten Landwirtschaftsbetrieben einen Mann auf dem Trecker sitzen, der den Titel „Chef“ trägt. Den Überblick darüber, was ein Trecker pro Monat kostet, welche Ausgaben es gibt und ob ich mir die Maschine leisten kann, die hat der Chef nicht. Den hat die Frau, weil sie die Bilanzen macht. Das ist ein ultraspannendes Ergebnis der Studie. Ich glaube, die tatsächliche Verantwortungsverteilung spiegelt sich vielleicht gar nicht so unbedingt darin wider, wer welchen Titel hat.
Es muss normaler werden, dass eine Frau Verantwortung übernimmt, und auch respektiert werden. Manchmal frage ich mich, warum wir das immer noch diskutieren.
Männer funktionieren nach dem Prinzip „fake it till you make it“ – und wir Frauen halt nicht. Wir Frauen müssen nachweisen, dass wir alles schon mal gemacht haben, damit man uns glaubt, dass wir das auch wirklich können. Und wenn wir von zehn Anforderungspunkten nur acht erfüllen, bewerben wir uns nicht auf diese Stellen. Wir Frauen ticken also auch selbst anders.
Es macht übrigens auch einen Unterschied, ob ich mich auf eine Stelle auf einem Hof mit lauter Angestellten bewerbe oder in einen Familienbetrieb einheirate und als Schwiegertochter erstmal meinen Platz finden muss. Dazu kommt, dass es immer noch wir Frauen sind, die die Kinder kriegen und naturbedingt für eine Zeit ausfallen, in der auf einem Hof die Vertretung geregelt sein muss.
Aber in zehn Jahren werden wir viel weiter sein. Dann werden Frauen mehr Verantwortung haben.
Welche Stärken kannst du auf den Höfen mit einbringen? Gibt es Themen, die du als Frau eventuell anders, einfacher oder vielleicht auch besser lösen kannst als männliche Betriebsleitungen?
Diese Frage ist spannend, denn sonst werde ich immer gefragt, wo es als Frau schwerer ist – und darauf habe ich direkt viele Antworten.
Ich habe das Gefühl, als Frau ist es manchmal leichter, da mich die Männer nicht als Konkurrenz sehen. Sie fühlen sich nicht direkt in ihrer Ehre angekratzt.
Ich sage immer: Jeder muss wertgeschätzt werden in dem, was er tut und entsprechend seiner Möglichkeiten. Ich kann von jemandem, der kein Büromensch ist, nicht verlangen, dass er eine perfekte Dokumentation macht. Auf den einzelnen Menschen einzugehen und den einzelnen Menschen zu sehen, das können wir Frauen vielleicht besser.
Gegenüber Frauen fällt es Männern vielleicht auch leichter, zu sagen: „Der neue Trecker hat zwar 20 PS oder 50 PS mehr als der letzte, aber das ist eigentlich gar nicht das, was wir brauchen. Wir brauchen eigentlich eine Maschine, die kleiner und kompakter ist, damit sie in den Stall passt.“ Ich vermute, ein männlicher Chef wird eine solche Rückmeldung nicht unbedingt erhalten.
Du warst bereits im Betrieb, bevor du die Geschäftsführung übernommen hast. Hat sich in der Höfegemeinschaft seit deiner Übernahme etwas an der Zusammenarbeit verändert bzw. hast du etwas verändert?
Es hat sich bestimmt etwas verändert, aber ich würde das nicht am Geschlecht festmachen. Bevor ich die Geschäftsführung übernommen habe, waren wir ein Team aus einem älteren Mann mit viel Berufserfahrung und Ackerschwerpunkt und mir, einer jüngeren Frau mit weniger Berufserfahrung und Tierschwerpunkt. Beide aus dem ehemaligen Westen, beide studiert. Ich betone das, weil es in der Landwirtschaft immer heißt: „Du hast bloß studiert und nichts Gescheites gelernt?“
Kurzum: Es gibt so viele Unterschiede, ich würde das nicht nur auf Mann oder Frau runterbrechen. Ich habe einfach einen anderen Führungsstil, als mein Kollege oder andere Bereichsleiter zuvor hatten.
Was ist das Besondere an der Höfegemeinschaft Pommern? Wie groß ist das Team und was zeichnet die Menschen aus?
Ich glaube, wir sind gar nicht so besonders. Wir sind ein normal großer Betrieb und unsere Einzelbetriebe zählen eher zur kleineren Kategorie. Wir haben eine schöne Mischung aus Menschen aus der Region, die einfach gerne in der Landwirtschaft und auf dem Hof vor Ort arbeiten, und Menschen, die zu uns kommen, weil sie besondere Freude an Bio-Landwirtschaft haben oder einzelne Aspekte davon toll finden.
Im Gespräch mit Bewerber*innen für die Tierhaltung oder den Ackerbau lautet eine der wichtigsten Fragen, ob wir pünktlich Gehalt zahlen und in der Lage sind, dies jeden Monat zu tun. Das heißt im Umkehrschluss: Das ist wohl nicht überall üblich, was ich schon krass finde.
Wir sind ein gutes Team. Ich kann aber nicht sagen, dass wir einen „Wow-Yeah“-Teamspirit haben. Ich kann nicht durchs Hoftor schreien: „Nur bei uns ist es cool.“
Ich will dem Menschen wertschätzend gegenüber sein und in der Sache klar. Wenn die Arbeit schlecht erledigt wird, dann sage ich das auch. Aber jeder hat das Recht, in einer stressigen Situation auch mal zu explodieren und sich Luft zu verschaffen. Aber es muss danach möglich sein, wieder miteinander zu reden. Man darf Kritik äußern, aber nicht auf eine persönlich verletzende Art.
Warum braucht es mehr Frauen in Führungspositionen in der Landwirtschaft?
Die Wissenschaft sagt doch ganz klar, dass gemischte Teams am allerbesten arbeiten. Wenn nur Männer auf einem Haufen sitzen, ist das nicht gut. Und wenn nur Frauen zusammenarbeiten, ist das auch nicht gut. Egal in welchem Bereich. Mit gemischten Betrieben und gemischten Teams erreichen wir am meisten. Wenn wir also produktiv sein wollen, wenn wir viel Geld verdienen wollen, dann machen wir gemischte Teams.
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In Teil 1 unserer Starke-Landwirtinnen-Reihe sagt Amelie Schlottmann: „Wenn der Bauch grummelt, suche ich lieber eine Alternative.“
In Teil 3 sagen die Schwestern Marlene und Lucia vom Biohof Gruber Schöfthal: “Wir sind nicht in der Vorstellung verhaftet, wie richtige Landwirtschaft auszusehen hat”
In Teil 4, dem letzten Teil unserer Reihe, sprechen wir mit Eva Vollmer vom gleichnamigen Weingut. Der landwirtschaftliche Familienbetrieb, den Eva Vollmer von ihren Eltern übernommen hat und leitet, liegt in Ebersheim, südlich der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz.
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