Ein Apfel wird in einem Labor auf Schadstoffe geprüft.

Pestizide in Lebensmitteln: Wenn die Falschen die Zeche zahlen

Niemand findet Pestizide in Lebensmitteln gut. Immer mehr Menschen kaufen Bio ein, um sicherzugehen, dass in den eigenen Nahrungsmitteln keine Gifte sind. Aber wer kommt dafür auf, dass die Produkte aus dem ökologisch kontrollierten Anbau tatsächlich schadstofffrei sind? Wer prüft das und wer muss dafür zahlen?

Spätestens seit der Studie zur Fernübertragung von Pestiziden wissen wir, das Spritzmittel nicht nur genau da landen, wo sie ausgebracht werden. Oft trägt der Wind die Schadstoffe aufs nächste Feld oder sogar bis in die nächste Stadt. Teilweise landen sie dabei auch auf biologisch bewirtschafteten Ackerflächen. Also muss geprüft werden, was in den Bio-Lebensmitteln hängengeblieben ist.

Die Studie “Pestizid-Belastung der Luft”
In einem sogenannten “Citizen-Science-Projekt” wurden 116 Standorte in der gesamten Bundesrepublik während des Jahres 2019 untersucht. In 163 Proben wurden 152 Wirkstoffe nachgewiesen. Davon waren 138 Stoffe auf landwirtschaftliche Quellen zurückzuführen. Von den 138 gefundenen Wirkstoffen waren 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen.
Zur Zusammenfassung der Studie als PDF

Wer prüft, ob Pestizide enthalten sind?

Nun könnte man denken, in unserem Land gilt das Verursacherprinzip. Wer die Giftstoffe ausbringt, müsste für Analysen und Folgekosten aufkommen. Doch weit gefehlt. Die Kosten tragen in diesem Fall die Biounternehmen. Gesetzlich vorgeschrieben sind solche Analysen nicht.

Aber schon vor über 20 Jahren hat der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) einen Orientierungswert eingeführt (siehe Kasten unten). Den müssen alle Hersteller*innen und Großhändler*innen einhalten, die im Verband Mitglied sind. Schließlich haben Kund*innen an Bio besonders hohe Erwartungen – und die sollen nicht enttäuscht werden.

Der Orientierungswert für Pestizide
Mit konkreten Angaben zu den Mengen einzelner Stoffe hilft der Orientierungswert den Mitgliedsunternehmen bei Pestizidbefunden in Bio-Produkten. Ein Befund kann auf der einen Seite ein klares Signal für den Einsatz von unzulässigen Pestiziden sein. Er kann andererseits unbeabsichtigt entstanden sein: etwa durch Altlasten oder Verfrachtungen aus dem konventionellen Landbau oder auch durch Verunreinigungen aus Verarbeitungsmaschinen, Lagerstätten, Transportbehältern und Verpackungen.
Konkrete Bespiele, wie der Orientierungswert angewendet wird, enthält dieses PDF-Dokument.

Hier zahlen eindeutig die Falschen die Zeche! Denn letztendlich tragen über die Endpreise alle, die Bio kaufen, die wahren und teilweise indirekten Kosten der konventionellen Landwirtschaft mit.

Aber was kostet das alles?

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren hat zusammen mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BeL) untersucht und ausgerechnet, welche Kosten jährlich für diese Überprüfungen entstehen. Demnach muss die Bio-Branche hochgerechnet rund 23 Millionen Euro pro Jahr (hier zur Pressemitteilung) allein für freiwillige Pestizidrückstandsanalysen ihrer Produkte aufbringen. In der Rechnung nicht enthalten sind Personalkosten sowie Kosten für Reklamationen auf Grund unverschuldeter Belastung von Bio-Produkten mit chemisch-synthetischen Pestiziden. Die Verbände schätzen die gesamten Folgekosten durch chemisch-synthetische Pestizide für die Bio-Branche in Deutschland auf mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr.

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und der Bundesverband Naturkost Naturwaren fordern die Bundesregierung auf, dem Verursacherprinzip folgend, sofort einen Schadensausgleichsfonds in dieser Höhe einzurichten. Der muss durch die Unternehmen finanziert werden, die chemisch-synthetische Wirkstoffe in den Verkehr bringen. Eine Möglichkeit dafür könnten auch Erträge einer Abgabe auf Spritz- und Düngemittel sein.

Unfaire Kosten: Bio-Branche zahlt jährlich Millionen für konventionellen Pestizideneinsatz
Quelle: Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft

#agrarwendejabitte

Diese Abgabe fordert die GLS Bank schon seit vielen Jahren. Denn wenn die Biobranche überlebensfähig bleiben soll, braucht es faire Wettbewerbsbedingungen.

Zu diesem Thema kannst du auf unserem Blog den Text “Pestizidabgabe – Agrarwende politisch anpacken” aus dem Jahr 2021 lesen oder unseren Beitrag aus 2020, der kurz nach der Veröffentlichung der Studie entstanden ist: “Pestizide – Wieviele bleiben auf dem Acker?

Diesen Artikel teilen

Eine Antwort zu „Pestizide in Lebensmitteln: Wenn die Falschen die Zeche zahlen“

  1. Avatar von Katja Stegemann-Jungbluth
    Katja Stegemann-Jungbluth

    |

    Ein sehr guter Kommentar. Grundsätzlich werden viel zu wenig Folgekosten ökologischer Schädigungen berechnet. Das Recht müsste dringend zugunsten der Geschädigten aktualisiert werden. Ein Schadensausgleichsfond wäre sehr wünschenswert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere aktuelle Themen