Banane, Avocado und Kaffee? Oder doch lieber Honig und Tee? Vielleicht denkt ihr auch gerade über ein zweites Frühstück oder einen Snack nach? Grotesk dabei ist: Egal, wofür ihr euch entscheidet, alles ist in mehrfacher Ausführung im Supermarkt zu finden. Dass wir aus Tausenden von Regalmetern unsere Lieblingswaren auswählen können, ist jedoch bereits Teil der Ernährungssouveränität. Doch was bedeutet Ernährungssouveränität eigentlich genau?
Laut Weltagrarbericht beschreibt die Ernährungssouveränität das „Konzept zur Demokratisierung der Lebensmittelproduktion, das fortentwickelt und unterschiedlichen Gegebenheiten angepasst wird“. Als zweites der 17 Sustainable Developement Goals (SDGs) ist die Bekämpfung des Hungers sowie die Sicherheit und Verbesserung der Ernährung nun seit acht Jahren ein zentrales Ziel der nachhaltigen Entwicklungspolitik.
Ernährungssicherheit seit 1966 politisches Ziel
Ernährungssicherheit ist aber kein neues politisches Ziel: Bereits 1966 wurde von der UN-Sozialcharta festgelegt, dass jeder Mensch ein „grundlegendes Recht […], vor Hunger geschützt zu sein“, besitzt. Seitdem ist die Zahl an hungernden Personen jedoch nicht gesunken. Zuletzt litten über 700 Millionen Menschen weltweit unter Hunger. Bei der Menge an Nahrungsmitteln, die jährlich weggeworfen wird, stelle ich mir oft die Frage, wie das sein kann: Überfluss auf der einen Seite und Mangel auf der anderen?
Dass wir Menschen den Hunger auf der Welt noch immer nicht gestoppt haben, kann zum einen daran liegen, dass erst in den 1990er Jahren die Ernährungssouveränität als Konzept auf die politische Agenda kam. Was passierte damals? Landwirtschaft als Industriezweig breitete sich global aus, infolgedessen wurden viele Landwirt*innen vor allem im globalen Süden ausgebeutet. Ihnen wurde ihre Lebensgrundlage entzogen, sodass ihre Ernährungssicherheit in Gefahr war.
Leider ist diese Gefahr präsenter denn je: Durch die klimatischen Veränderungen verändern sich auch die ökologischen Bedingungen für die Landwirtschaft. Nahrungsmittel verlässlich zu produzieren, wird zunehmend schwieriger. Umso wichtiger ist es, dass wir als Konsument*innen sorgsam mit Lebensmitteln umgehen.
Das Problem der Wegwerfmentalität
Neulich war es bei mir mal wieder so weit: Ich musste verdorbene Lebensmittel wegwerfen. Also los zum Supermarkt, neue Sachen fürs Abendessen kaufen. Und dort erschlug mich wieder einmal die riesige Auswahl. Die Regale: durchgängig befüllt; sie werden immer voller, das Angebot immer diverser. Natürlich ist das auch angenehm. Ich kann selbst bestimmen, was ich möchte und in meinem Warenkorb landet. Aber ständig frage ich mich, ob soviel Auswahl wirklich notwendig ist. Von jährlich elf Millionen Tonnen weggeworfener Lebensmittel in Deutschland stammen 59 Prozent aus privaten Haushalten.
Lebensmittel sind zu einer Ware geworden, mit der sich das ganz große Geschäft machen lässt – egal, ob verarbeitet oder unverarbeitet. Insbesondere bei verarbeitetem Essen sind die Inhaltsstoffe längst unüberblickbar. Ähnlich nebulös sind die sozialen und ökologischen Bedingungen in der Landwirtschaft – vor allem im globalen Süden. Die biologische Vielfalt sowie die Produktivität der Böden nimmt ab, Erzeuger*innen im globalen Süden werden nicht nur ihres Landes beraubt, sondern entlang der internationalen Lieferketten ausgebeutet. Zudem müssen sie sich in ihrer täglichen Arbeit giftigen Pestiziden aussetzen. Und das alles nur, damit wir uns zwischen vier Bananensorten und 20 unterschiedlich aufbereiteten Tafeln Schokolade entscheiden können.
Extremwetter führt zu Hungerunsicherheit
Durch die häufigen Extremwetterereignisse verschlechtert sich die Lage vieler Menschen. So sind laut des World Food Programme der UN und einer Studie von Südwind (2022) viele Länder stark von einer Hungerunsicherheit betroffen. Die Prognosen des UN-Berichts liefern erschreckende Zahlen: In Nigeria und dem Sudan könnte die Zahl der hungernden Menschen im Vergleich zu den Jahren 2019/2020 um 50 Prozent ansteigen. Zeitgleich werden jährlich 931 Millionen Tonnen an Essen weggeworfen. Das sind ca. 17 Prozent der produzierten Nahrungsmittel. Sie wurden zum Teil bei der Herstellung oder beim Transport beschädigt oder verderben irgendwann.
Dabei ist laut der Staatserklärung des Internationalen Forums für Agrarwirtschaft, der Declaration of Nyeleni (2007), die Ernährungssouveränität
Darauf aufbauend verabschiedete die UNO-Generalversammlung im Dezember 2018 die „Erklärung der Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten“. Diese Deklaration stellt den Schutz von Kleinbäuer*innen vor Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen sicher. Demnach sind sowohl Selbstbestimmung als auch das Recht auf eine gesunde Ernährung zentrale Aspekte der Ernährungssouveränität.
Best Practices – Was kann ich tun?
Tipp 1: Informiere dich über die Herkunft deiner Lebensmittel!
Als Entscheidungs- bzw. Unterscheidungs-Hilfe existieren viele Siegel, die die Wahl der konsumierten Lebensmittel ein wenig vereinfachen können.
Bioland, Naturland, Fairtrade, Demeter, EG-Öko-Verordnung oder Öko-Test-Siegel: Der Kauf eines Produktes mit diesen Labels signalisiert das Interesse und den Willen, den eigenen Konsum zu hinterfragen und zu verbessern. Der Trend geht zu Bio-Produkten. Im Jahr 2022 machte der ökologische Landbau laut dem Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft 9,7 Prozent, also ca. 1,8 Millionen Hektar, der deutschen Agrarfläche aus. Das sind rund 37.000 Bio-Höfe in Deutschland, jeder siebte Betrieb. Auch die Anzahl der gekauften Fairtrade-zertifizierten Produkte steigt. Das „Sozialsiegel“, dass nicht nur auf ökologische Standards setzt, sondern auch auf faire Entlohnung und die Unterbindung von Kinderarbeit, erhöhte seinen Umsatz im Jahr 2022 um 11,5 Prozent (im Vergleich zum Vorjahr).
Die Siegel haben zum Teil unterschiedliche Richtlinien bzw. Vorgaben für die Mitglieder. Informiere dich daher vorab, welches Siegel deinen eigenen Ansprüchen gerecht wird. Der Mindeststandard sollte die EU-Öko-Verordnung sein, viele der Labels gehen jedoch bereits über diesen Mindeststandard hinaus.
Tipp 2: Besuche einen Bio-(Super-)Markt oder einen (regionalen) Hofladen!
Insbesondere in regionalen Hofläden erhältst du Obst und Gemüse, das von gängigen Standards abweicht; dort bekommst du krumme Zucchini oder seltsam geformte Gurken. In den Regionalläden kannst du die Erzeuger*innen und den Hof kennenlernen.
Tipp 3: Gehe mit Bedacht einkaufen!
So vermeidest du letztlich das Wegschmeißen von Lebensmitteln. Was genau willst du in den nächsten Tagen kochen? Was brauchst du wirklich dafür? Mit diesen Fakten im Kopf klappt der wachsame Einkauf ohne Versuchung. Zudem sind viele Produkte noch weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus genießbar bzw. zur Weiterverarbeitung nutzbar.
Tipp 4: Steige auf Selbstversorgung um!
Mit Liebe gewässerte Tomaten und selbst gepflückte Pfirsiche schmecken besser als Gemüse und Obst aus dem Supermarkt. Als Kind habe ich sommertagelang meinem Opa beim Herstellen von Honig zugeschaut, meiner Oma beim Tomatengießen geholfen und mir selbst Aprikosen und Pfirsiche für den Nachtisch gepflückt. Das sind Erinnerungen, die meine Beziehung zu Lebensmitteln bis heute prägen. Eigenes Gemüse und Obst anzubauen mag für manche Menschen vielleicht in Richtung „privilegierte Freizeitbeschäftigung“ gehen. Aber Tomaten oder frische Kräuter finden auf jedem Balkon und jeder Fensterbank Platz.
Mein Fazit
Egal ob Deklarationen oder Gesetze, Bio-Hof oder Fairtrade-Kooperativen: Möglichkeiten und Ideen, die dysfunktionalen Agrar- und Ernährungssysteme zu verändern, gibt es viele. Gute Beispiele von Verbraucher*innen und Landwirt*innen existieren. Zum Beispiel der Bio-Hof Engelhardt in Schwäbisch Gmünd, der bereits seit 1989 nach Bioland-Richtlinien arbeitet.
Mehr über den Bio-Hof, die Familie Engelhardt und ihre Motivation, Teil der Agrarwende zu sein, findest du in unserem Blogbeitrag „Wasser im Kreislauf: Jeder Tropfen zählt“.
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