Mitbestimmung gehört in einer Genossenschaftsbank zum Konzept. Die italienische Banca Etica beteiligt ihre Mitglieder auf einzigartige Weise. Über die Motive dahinter haben wir mit Beteiligten selbst gesprochen.
Daniela Freda leitet die Abteilung „Mitgliederbeziehungen“ in der Banca Etica. Sie ist eine Schnittstelle zu den regionalen Initiativgruppen, den sogenannten „Gruppi di Iniziativa Territoriale“ (GIT). Die GIT gibt es seit Gründung der Bank im Jahr 1999. Sie bestehen aus Ehrenamtlichen, die aus den Reihen der Mitglieder in ihren Regionen gewählt werden. Die Initiativgruppen unterstützen den Betrieb vor Ort auf vielfältige Weise. Wir haben Daniela Freda gefragt, warum die Banca Etica Partizipation so weitgreifend umsetzt.
Die Banca Etica bindet ihre Mitglieder auf unvergleichliche Weise ein, zum Beispiel in die Öffentlichkeitsarbeit und sogar in die Kreditberatung. Warum macht ihr das?
Auch wenn wir die Auswirkungen nicht direkt messen: Nach unserer Erfahrung stärkt die Beteiligung das Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl und ist Teil unserer Identität. Sicherlich tragen die zahlreichen kulturellen Initiativen, die von den Initiativgruppen durchgeführt werden, dazu bei, das Bewusstsein für die Banca Etica und ein ethisches Finanzwesen zu erhöhen. Ethisches Banking bedeutet für uns weit mehr als nur Nachhaltigkeit. Partizipation ist dabei ein entscheidender Aspekt. Deshalb beziehen wir gewählte freiwillige Mitglieder auch in den Kreditprozess ein.
Wie sieht die Rolle von gewählten Mitgliedern im Kreditprozess aus?
Die Mitglieder übernehmen unter anderem die sozial-ökologische Bewertung von möglichen Kreditprojekten. Die Prüfung geschieht freiwillig und außerhalb der operativen Struktur der Bank. So fördern wir größere Objektivität, da die Mitglieder einen konstruktiven-kritischen Standpunkt vertreten. Durch Besichtigung vor Ort verschaffen sich unsere Prüfer*innen einen Eindruck und teilen diesen mit den Kreditberater*innen. Dabei schauen sie auch auf das Vorhaben, für das der Kredit angefragt wurde. Auf diese Weise mindern wir das Risiko, dass die Banca Etica Organisationen oder Unternehmen finanziert, die nicht mit unseren Werten übereinstimmen.
Die Mitglieder unterstützen die Bankarbeit ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Welche Herausforderungen stellen sich in der Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit macht es anspruchsvoll, zuverlässige und professionelle Abläufe sicherzustellen. Die Mitarbeit, insbesondere in der sozial-ökologischen Bewertung, setzt großes Verantwortungsbewusstsein voraus. Den beteiligten Mitgliedern muss klar sein, dass ihre Aufgabe in den Kreditprozess und damit in eine der Wertschöpfungsketten der Bank eingebettet ist. Wir unterliegen gesetzlich festgelegten und von den Aufsichtsbehörden überwachten Regeln, die alle einhalten müssen.
Wie schafft ihr Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit?
Wir stellen sicher, dass unsere ehrenamtlichen Prüfer*innen an allen Auffrischungsschulungen teilnehmen und regelmäßig zur Verfügung stehen, um die Bewertungen zu übernehmen.
Eine Initiativgruppe umfasst bis zu elf Mitglieder. Diese unterstützen ehrenamtlich, aber durchaus auf professionellem Niveau den Bankbetrieb. Dazu erhalten sie eine eigene Bank-E-Mailadresse und Zugriff auf Tools, Informationen sowie Schulungen. Zu ihren Aufgaben gehören zum Beispiel Veranstaltungsorganisation, Redaktion oder auch die Kommunikation mit Mitgliedern. Darüber hinaus arbeiten sie auch zu strategischen Fragestellungen mit und in der Kreditprüfung – alles freiwillig. Wir haben mit zwei Mitgliedern über ihre Motivation gesprochen: Michele Gramazio, 48, hat zwölf Jahre lang in einer Gruppi di Iniziativa Territoriale mitgearbeitet. Elda Dalla Bona, 72, ist seit neun Jahren Mitglied der GIT Bozen.
Was hat euch dazu bewegt, ehrenamtlich bei eurer Bank mitzuarbeiten?
Michele: Nach einigen Jahren als Mitglied hatte ich das Bedürfnis, die Funktionsweise „meiner“ Bank besser zu verstehen und an der Umsetzung von Maßnahmen zur Erweiterung der Beteiligung der Mitglieder mitzuwirken.
Elda: Ich habe die Banca Etica durch ein aktives Mitglied aus Südtirol kennengelernt und sofort gedacht: Die Bank braucht auch meinen bescheidenen Beitrag, um zu wachsen. Ich habe mich 2005 für den GIT beworben. Nach ein paar Jahren übernahm ich auch die Rolle der Koordinatorin.
Was hat dich überzeugt?
Elda: Mich hat insbesondere die regionale Organisation der Mitglieder überzeugt. Sie ermöglicht es allen, die wollen, selbst zu Förderern eines alternativen Finanzwesens zu werden. Eines Finanzwesens, das wirklich in den Diensten des Bürgers, der Region und der Umwelt steht.
Dein Anteil an einer guten Zukunft?
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Wir hat sich dein Verhältnis zur Bank und zu Geld durch die Mitwirkung verändert?
Michele: Meine Beziehung zur Bank und Organen wie dem Verwaltungsrat, dem Prüfungsausschuss und dem Ethikausschuss sowie zum operativen Bereich wurden enger. Dieser Einblick hat mir geholfen, die wirklichen Probleme im Finanzbereich zu verstehen. Dadurch hat sich nicht nur meine Identifikation mit der Banca Etica erhöht, sondern auch den verantwortungsvollen Umgang mit meinem Geld weiter gefördert.
Elda: Der Eintritt in die Welt der Banca Etica hat meine Beziehung zum Geld verändert. Durch die Schulungen, die die Bank den GIT-Teilnehmer*innen anbietet, habe ich den Wert des Geldes als Instrument des sozialen Wandels besser verstanden. Für mich ist die Banca Etica zu einem Treffpunkt für Menschen geworden, die durch den Geist der Zusammenarbeit und ein gemeinsames Ziel vereint sind.
Die Banca Etica ist Teil des internationalen Netzwerks Global Alliance for Banking on Values, dem auch die GLS Bank angehört. Die GABV setzt sich für eine Transformation hin zu einem transparenten, realwirtschaftlich, sozial-ökologischen Bankwesen ein. Dazu tauschen sich die Mitglieder regelmäßig aus und lernen voneinander.
Beteiligung: Feuer und Flamme
In der Genossenschaftsbank dürfen Mitglieder seit jeher mitreden. Doch Mitbestimmung ist bei der GLS Bank kein Selbstzweck, sondern dient dazu, gemeinsam zu gestalten. Damit das auch in Zukunft gelingt, suchen wir nach neuen Formen der Beteiligung.
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