Eine Illustration zeigt zwei Frauen, die sich die Hand reichen und beim Hochklettern helfen.

Weibliche Finanzplanung: Diese 8 Gender Gaps solltest Du kennen

Um strukturelle Ungerechtigkeiten auszugleichen, müssen sich Frauen intensiver mit Geld beschäftigen. Der allseits bekannte Gender Pay Gap ist dabei nur einer von vielen. Diese acht Finanzlücken solltest Du auch kennen.

Frauen haben statistisch gesehen in nahezu allen Lebensbereichen weniger Geld. Der Gender Pay Gap ist nur die bekannteste Ursache dieser Schieflage. Es gibt ihn in bereinigter (6 Prozent) und unbereinigter (18 Prozent) Form. Elternzeit, Teilzeit und weniger lukrative Branchen, die Frauen für ihren Beruf wählen, gläserne Decken und direkte Lohndiskriminierung – all das führt strukturell und im direkten Vergleich zu schlechteren Gehältern bei Frauen.

Schlusslicht Deutschland

Deutschland ist bei equal pay international regelmäßig Schlusslicht. Die verschiedenen Finanz-Gaps reihen sich im Laufe eines Frauenlebens aneinander wie Sprossen auf einer klassisch männlichen Karriereleiter – nur eben umgekehrt. Gleichzeitig sind Frauen Studien zufolge beim Thema Geld und Finanzen unsicherer und schlechter informiert.

Die gute Nachricht: Daran können wir arbeiten. Jede Person, die schlechte Voraussetzungen für finanzielle Unabhängigkeit hat, kann vorbauen. Die GLS Bank hilft dabei mit ihren Angeboten. Am heutigen Freitag, 8. November, findet ein neu konzipierter Workshop in Berlin statt. Weitere werden folgen. Um informiert zu bleiben, abonniere einfach den neuen Newsletter Frauen & Finanzen.

Unsere Sprache

Eine kurze Info zur Sprache in diesem Artikel: Zwar geht es in der öffentlichen Debatte meistens um Ehefrauen oder Frauen in heteronormativen Beziehungen sowie (alleinerziehende) Mütter. Ungleiche Bezahlung betrifft jedoch potenziell alle Personen, die nicht als cis-Mann wahrgenommen werden. Für den Lesefluss verwenden wir in diesem Text das Wort Frau, meinen aber einen größeren Personenkreis.

Die Ungleichheit zeigt sich am deutlichsten im Gender Lifetime Earnings Gap. Die Kluft beim Lebenseinkommen zwischen Männern und Frauen beläuft sich auf rund 50 Prozent und geht in die Hunderttausende Euro. Das Bundesfamilienministerium nennt 49,8 Prozent (Seite 9). Die Bertelsmann Stiftung kam 2020 auf 45 Prozent – dabei stehen in Westdeutschland 1,51 Millionen brutto verdiente Euro eines Mannes rund 830.000 Euro einer Frau gegenüber. In Ostdeutschland ist der Unterschied wegen insgesamt niedrigerer Einkommen auch bei Männern etwas geringer (40 Prozent). Wenn eine Frau Kinder hat, vergrößert sich die Lücke im Lebenseinkommen auf 62 bis 70 Prozent. Wissenschaftler*innen sprechen hier von der „Motherhood Lifetime Penalty“.

Wer wenig verdient, baut weniger Rentenansprüche auf. Das gilt allgemein, doch es gibt Verstärkereffekte. Die Steuerklasse 5, die erst in fünf Jahren abgeschafft werden wird, und die Rolle der Zuverdienerin beschneiden auf Dauer die eigene Rente. Eine Person, die weniger Geld übrighat, bekommt nicht nur weniger gesetzliche Rente, sondern kann weniger anlegen und privat weniger Vermögen fürs Alter aufbauen. So beziehen Frauen im Durchschnitt ein halb so hohes Alterssicherungseinkommen wie Männer (minus 49 Prozent).

In den meisten Fällen haben diese Frauen nicht weniger Arbeit, sondern nur weniger Erwerbsarbeit geleistet – etwa, weil sie alleinerziehend waren, Angehörige gepflegt oder im klassischen Modell Ehemännern deren lukrative Karrieren ermöglicht haben. Gut, wo der Gewinn als Ergebnis einer gemeinsamen Leistung geteilt wird. Im Falle einer Trennung wird das schwieriger. Es besteht zwar Anspruch auf Versorgungsausgleich. Der Gender Pension Gap ist trotzdem der Hauptgrund für Altersarmut von Frauen.

Mit der Vermögens- und Rentenkluft hängt auch eine Schieflage bei der Gewährung von Krediten durch Banken zusammen. Frauen erhalten im Durchschnitt geringere Summen und schlechtere Konditionen, wie das Portal Check24 hier vorrechnet. Kredite aber können die Basis für eine eigene Immobilie oder für den Aufbau eines eigenen Geschäfts zum Lebensunterhalt sein. Dafür haben Frauen schlechtere Ausgangsbedingungen als Männer.

Boni und Sonderzahlungen sind in vielen Unternehmen Teil der Gehaltspraxis – entweder individuell ausgehandelt oder durch Gehaltsabschlüsse für alle Mitarbeitenden. Doch in voller Höhe erhält diese nur, wer auch Vollzeit arbeitet. Mitarbeitende in Teilzeit, Elternzeit oder Elternteilzeit erhalten die Extrazahlungen nur anteilig. Das wirkt sich besonders negativ auf junge Mütter aus, denn weiterhin gehen nur wenige Männer überhaupt in Elternzeit und dann meistens nur für ein, zwei, drei Monate.

Boni wiederum sind häufig Gehaltsbestandteil von hoch dotierten Führungspositionen, die häufiger männlich besetzt sind. Unterm Strich profitieren also Männer erstens häufiger und zweitens in Form höherer Summen von Sonderzahlungen, die den Abstand beim Lebenseinkommen weiter vergrößern.

Selbst wenn eine Frau in Teilzeit zunächst den gleichen Stundenlohn wie ihre männlichen Kollegen erhält: Über die Jahre wirkt sich in vielen Unternehmen die Dauer der Anwesenheit aus. Es summiert sich eine Kluft zwischen den Arbeitsstunden, den Erfahrungen und den zufälligen Begegnungen. Es hat Auswirkungen auf Netzwerke und die Kapazität, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Daraus erwächst ein potenzieller Nachteil für den Karriereverlauf und die Gehaltsentwicklung.

Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor: Neben einer Teilzeittätigkeit steht bei vielen Menschen nicht mehr Freizeit, sondern ein vollgepacktes Leben mit Sorgearbeit und privaten Verpflichtungen. Das gilt auch bei Vollzeit, belastet in Paarbeziehungen aber auch dann stärker die Frau – Stichwort Mental Load. Wer den Kopf voll hat mit vielen verschiedenen Dingen, hat nicht immer die Kraft, am nächsten Karriere- oder Gehaltsschritt zu arbeiten. Über die Jahre hat das deutliche Auswirkungen.

Hier zeigt sich besonders deutlich auch, dass Nicht-Erwerbstätigkeiten unserer Gesellschaft weniger wert sind. Sorgearbeit, Ehrenämter, politisches und gesellschaftliches Engagement – all das ist nicht vereinbar mit Vollzeit-Erwerbsarbeit und trotzdem wichtig. Die dabei gewonnenen Kompetenzen sollten Arbeitgebern eher mehr als weniger wert sein.

Laut Studien wissen Frauen über Finanzkonzepte wie Inflation, Risikodiversifizierung und Investitionsverhalten weniger und schneiden schlechter ab als Männer. Das hat jedoch nichts mit ihrer Kompetenz zu tun, sondern mit einem schlechteren Zugang zu Finanzbildung. Die Gründe: weniger verfügbares Geld und damit weniger Anlässe für Investitions- und Finanzentscheidungen, tradierte Vorstellungen und weniger Zeit für ein Eintauchen in die Welt des Geldes – siehe oben. Eine Partnerschaft verstärkt den Effekt. Der Gender Financial Literacy Gap beträgt je nach Familienstand zwischen 6 und 20 Prozent.

Seit der Coronakrise wissen es alle: Frauen stecken erheblichen Zeitaufwand in unbezahlte Sorgearbeit. 30 Stunden gegenüber 21 Stunden in der Woche. Das sind rund 44 Prozent mehr als Männer. Wie oben beschrieben verringert das die Zeit, in der frau Geld verdienen oder sich mit Geldanlage und Finanzbildung beschäftigen könnte. Würden Frauen für ihre Sorgearbeit angemessen entlohnt, würde unsere Volkswirtschaft zusammenbrechen. Schon in den 1970er Jahren demonstrierten Frauen in Italien für „Wages for Housework“.

Wo Menschen den Care Gap innerhalb ihrer eigenen Beziehung oder Familie wegorganisieren, indem sie eine Haushaltshilfe einstellen, verlagert sich das Problem leider nur. Häufig sind es migrantische, schlecht verdienende Frauen, die diese Arbeit erledigen – und bei sich zuhause dann die zweite Schicht mit ihren eigenen Kindern und Haushalten dranhängen müssen.

Auch im Steuerrecht liegen Gründe für das Auseinanderdriften weiblicher und männlicher Finanzbestände. Trotz nachgewiesener Nachteile für Frauen hält sich das deutsche Ehegattensplitting von 1958 hartnäckig. Es begünstigt die Konstellation Alleinverdiener*in plus nicht erwerbstätige oder dazuverdienende Person. Pro Jahr bezuschusst der Staat solche Ehen mit rund 20 Milliarden Euro und bis zu 10.000 Euro pro Haushalt. Egal, ob Kinder dazugehören.

Alleinerziehende dagegen werden in Deutschland so hoch besteuert wie in keinem anderen Land, auch wenn sie einen etwas höheren Freibetrag erhalten als Singles. Der OECD-Durchschnitt bei Steuern für Einelternfamilien liegt bei rund 15 Prozent, in Deutschland bei 31,5 Prozent. Wege zur Arbeit erstattet das Finanzamt, Wege zur Kita und zur Schule jedoch nicht.

Das Steuerrecht sieht hingegen geringere Sätze für hohe Vermögen, Unternehmensanteile, Geldanlagen, Immobilien und so weiter vor als für Erwerbsarbeit. Diese Vermögen befinden sich jedoch zum größeren Teil in männlicher Hand.

Weitere Gaps liegen bei Erbschaften, zwischen Ost- und Westdeutschland sowie in Bezahlung von Kinderkrankentagen. Für Frauen mit Migrationsgeschichte, Frauen höheren Alters oder mit einfacher Bildung verkomplizieren sich die Unterschiede noch. So gibt es auch große Unterschiede zwischen Frauen je nach Bildungsgrad, Herkunft, Familienstand, Kinderzahl und Arbeitgeber. Die Gender Gaps ließen sich zu einem großen Teil durch radikale Transparenz, höhere Löhne und mehr weibliche Lohnarbeit lösen. Ein Schlüssel sind männliche Allies, indem auch sie Transparenz leben und einfordern und durch ihr eigenes Verhalten klischeehafte Erwartungen an männliche Angestellte helfen zu verändern. Sie müssen bereit sein, Privilegien abzugeben, und bei ihrem Arbeitgeber für ein verändertes Männerbild einstehen. Es braucht darüber hinaus eine andere Wertschätzung von Sorgearbeit, Ehrenämtern und Engagement.

Mein Fazit

Auch im Status Quo besteht viel Potenzial für Frauen, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Mit Frau. Macht. Geld. geht die GLS Bank einen Schritt weiter mit ihren Info- und Bildungsangeboten für Frauen und alle, die sich als solche verstehen.

Für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema empfehle ich:

Emilia Roig: Das Ende der Ehe
Unlearn Patriarchy I und II (verschiedene Herausgeberinnen)
Sophia Fritz: Toxische Weiblichkeit
Teresa Bücker: Alle_Zeit
Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt (Roman)

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Eine Antwort zu „Weibliche Finanzplanung: Diese 8 Gender Gaps solltest Du kennen“

  1. Avatar von Ingo Klamann
    Ingo Klamann

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    Die guten Nachrichten zum Gender-Pay-Gap: a) Es gibt schon seit Jahrzehnten keine geschlechtsspezifischen Tarifvereinbarungen mehr. Für die Hälfte aller Beschäftigen ist das also kein Thema. b) Außertarifliche Löhne brauchen Verhandlungsgeschick. Hier bieten sich Chancen, weil sich keine Chefin und gewiss kein Chef sagen lassen will, Frauen zu benachteiligen. Es ist also eine Frage des persönlichen Verhandlungswillens. c) Eine Frau muss nicht alles selbst verdienen, was es braucht, um im Wohlstand zu leben.

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