Das Foto zeigt Eisblöcke.

Nächste Idee der Waldorfschule: Energie aus riesigem Eisblock

Wenn der einhunderttausend Liter große Eisblock an der Freien Waldorfschule Gütersloh Realität wird, muss ich dorthin. Es wäre die siebte Sanierungsmaßnahme (siehe “Der Umbau einer Schule”). Die Waldorfschule entwickelt sich sozial und ökologisch immer weiter, will ein besonderer Lernort sein und möglichst wenig Energie verbrauchen. Ein Interview mit Geschäftsführer Matthias Strehlow, der den Schultrubel Ende des Jahres mit dem Ruhestand tauscht.

Das Foto zeigt Matthias Strehlow.Herr Strehlow, der Phasenwechselspeicher mit dem Eisblock könnte Realität werden und Sie gehen in Rente? Geht das überhaupt?

Matthias Strehlow: Ja. Am 30. November trete ich tatsächlich meinen Ruhestand an. Meine Nachfolgerin steht bereits fest und wir haben auch schon einen guten Plan für die Einarbeitung entwickelt.

Das glaube ich sofort. Im Planen sind Sie unschlagbar, das belegen die vielen Sanierungsmaßnahmen an Ihrer Schule. Erzählen Sie uns, wie Sie auf den Eisblock kommen.

Matthias Strehlow: Wir haben ein Contracting mit den Stadtwerken, das heißt, unsere Wärmeerzeugungsanlage gehört den Stadtwerken und wir kaufen die Wärme ein. Wir möchten komplett weg von fossiler Energie, also vom Gas, können uns aber nicht einfach eine Wärmepumpe in den Garten stellen. Bei 6.000 Quadratmetern Nutzfläche mit Schulbetrieb bräuchten wir 30, 40 Apparate. Erdwärme ist leider auch unmöglich, wir müssten unser Gelände perforieren mit Bohrungen. Der Energieberater der Stadtwerke meinte zu mir:

„Was meinen Sie, was Sie in drei, vier Jahren haben? Permafrost in 90 Meter Tiefe. Weil Sie so viel Wärme aus den dicht beieinander liegenden Bohrungen ziehen. So schnell kommt die Wärme nicht nach.“

Also kam der Phasenwechselspeicher ins Spiel?

Matthias Strehlow: Genau, die nächste Idee ist nun ein Phasenwechselspeicher, der einen viel besseren Wirkungsgrad als eine Wärmepumpe hat. Stellen Sie sich vor: ein 100.000 Liter Eisblock, der im Sommer schmilzt und Kühlung bringt. Im Winter wiederum kann man sehr viel Energie aus Wasser ziehen, wenn es sich in Eis verwandelt. Man braucht einen großen Tank und Pumpen. Dieses Projekt würden die Stadtwerke ebenfalls im Contracting mit uns machen. Das Interesse an diesem Piloten ist groß.

Wann kann ich mir Ihren Eisblock anschauen?

Matthias Strehlow: Das weiß ich leider noch nicht genau. Wir brauchen unbedingt Strom aus erneuerbaren Energien für den Phasenwechselspeicher. Wir prüfen momentan, ob wir noch mehr Photovoltaikmodule installieren können, mit denen wir direkt vor Ort unseren eigenen grünen Strom produzieren können. Wir benötigen vor allem im Sommer Energie für den Eisblock, damit er auch schmilzt.

Andere Ideen für eine Dekarbonisierung haben wir tatsächlich nicht. Daran lese ich das Problem der Gesellschaft insgesamt ab. Wie wollen Sie zum Beispiel ein historisches Rathaus frei von fossilen Energien betreiben? Das ist nicht trivial, das ist richtig kompliziert.

Um so mehr Hut ab, Herr Strehlow, dass Sie sich bei allen energetischen Sanierungen so hineingekniet haben…

Matthias Strehlow: Im Wesentlichen muss man bereit sein, Dialoge zu führen: mit der Bank, mit der Kommune, mit den Stadtwerken, mit den Menschen in der Schule, auch mit Architekten, Handwerkern, Ingenieuren. Wir haben jedes Projekt sowohl im Förderverein der Schule als auch im Schulverein vorgestellt und debattiert. Alle Sanierungen hatten einen langen sozialen Vorlauf, und den muss man auch einplanen. Zu jeder Baumaßnahme haben wir immer mindestens eine große Mitgliederversammlung gemacht. Die Gesichtspunkte, die in den Diskussionen genannt wurden, haben wir nicht als störend, sondern als bereichernd empfunden. Wir haben alle mitgenommen.

Dieses Interview ist die Fortsetzung eines Sinnmacher-Beitrags. Die aktuelle Ausgabe des GLS Bank Magazins für Geschäftskund*innen findet Sie hier zum Download: Sinnmacher, Ausgabe 4, „Von Risiken und Chancen” (als PDF).

Konnten die Schüler*innen und das Lehrerkollegium denn irgendwann überhaupt noch Baulärm ertragen?

Matthias Strehlow: Die schwierigen Maßnahmen fanden immer in den Sommerferien statt. Aber wir hatten schon manche seltsame Situation an der Schule. Beim Hauptgebäude zum Beispiel war das alte Dach mit Kies belegt. Der Dachdecker brachte also einen Bagger mit, hievte ihn aufs Dach und schaufelte damit innerhalb eines Tages den kompletten Kies zusammen, der dann mit einem Förderband abtransportiert wurde. Direkt unten drunter fand zu dem Zeitpunkt Unterricht statt, und das war einigen doch ein bisschen unheimlich…

Wenn Sie alle Sanierungen Revue passieren lassen: Was hat sie erstaunt?

Matthias Strehlow: Die Kenntnisse, die ich beim Thema Belüftung hinzugewonnen habe. Wenn Schüler*innen intensiv lernen und arbeiten, brauchen die unheimlich viel Luft. Wir haben in jedem Klassenraum 30 Schüler*innen, 370 insgesamt. Da benötigen Sie ein Luftvolumen — da habe ich auch gestaunt, das hätte ich nicht gedacht!

Das Foto zeigt die Belüftungsanlage der Schule auf dem Dach.
Auf dem Dach des Hauptgebäudes der Freien Waldorfschule Gütersloh befinden sich die Belüftungsanlagen, die dafür sorgen, dass 370 Schüler*innen genug Luft bekommen.

Zum Glück wurde die Sanierung des Hauptgebäudes von einem Fachingenieur begleitet. Der hat uns vor einer weiteren Erfahrung mit identisch großen Lufteintritts- und Luftaustrittsöffnungen bewahrt. Das hatte schon bei dem Bauprojekt zuvor nicht gut funktioniert. Der Ingenieur fragte mich: „Haben Sie mal eine Kerze ausgesaugt?“ Ich fragte: „Was meinen Sie denn damit?“ Und er sagte: „Naja, man pustet halt normalerweise. Aussaugen funktioniert nicht.“ Was er damit sagen wollte: Das Hereinblasen von Luft in einen Raum braucht viel Fläche, je mehr Fläche, umso besser, weil dann das Empfinden von Zugluft nicht so stark ist. Wie die Luft herauskommt, ist relativ unerheblich, da kann man einen kleinen Schacht machen und dabei viel Geld sparen.

Vielen Dank für dieses unterhaltsame Gespräch, Herr Strehlow, und alles Gute für den Ruhestand. Ich hoffe, wir sehen uns dennoch am Eisblock.

Matthias Strehlow: Na, das hoffe ich aber auch.

Lesen Sie den ersten Beitrag zur Waldorfschule: “Der Umbau einer Schule”

Energetische Sanierung: Der Umbau einer Schule

  1. Das ist ein interessanter Ansatz. Allerdings steht bei einem Anbietet einer solchen Lösung, der Wirkungsgrad: „ ein Eisspeicher mit einem Volumen von zehn Kubikmetern die gleiche Energiemenge liefert wie die Verbrennung von 110 Litern Heizöl.“
    110 Liter Heizöl ist tatsächlich wenig und für die Schule müsste ein ziemlich großes Volumen für den Energiespeicher eingesetzt werden.

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