Sie setzte sich früh ein für Windenergie und Carsharing, für soziales Unternehmertum und ökologische Werte. Damit ist die Bank heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wie hat sie das nur geschafft? Eine Reise durch die Geschichte der GLS Bank in drei Teilen.
Wenn es auf neues Terrain geht, sind nur die Wenigsten in der Lage, voranzuwurzeln. Nehmen wir z. B. die Kröten-Binse. Oder gerne auch den Dreiteiligen Zweizahn. Oder die Nachtkerze. Während es sich andere Pflanzen bequem machen auf sattem Humus, sind sie es, die auf unbekanntes Gelände vorstoßen und den Boden als erste befruchten, sie sind die ersten Eroberer von unbewachsenem Gebiet. Die Experten nennen sie deshalb Pionierpflanzen und rühmen ihr Geschick für eine erfolgreiche Kolonisation.
Die Zentrale der Kröten-Binse des Bankensektors liegt mitten im Pott, in Bochum, zehn Fußminuten südlich vom Hauptbahnhof, inmitten von Wohnhäusern aus der Ära des Gelsenkirchener Barocks. Also ziemlich weit entfernt von den gläsernen Bankriesen in Frankfurt am Main, und das nicht nur räumlich. Denn die GLS Bank ist keine normale Bank. Vor mittlerweile 40 Jahren stieß sie auf ein neues Gelände vor und beackert seitdem den Boden für eine nachhaltige Zukunft, gefolgt von Zweizähnen und Nachtkerzen in aller Welt. Aber dazu später.
Wer verstehen will, wie der GLS Bank diese Besiedlung gelingen konnte, sollte mitkommen zu ihren Wurzeln, in eine Bochumer Straßenbahn des Jahres 1956. Der Rechtsanwalt Wilhelm Ernst Barkhoff wird dort von einem entfernten Bekannten angesprochen, ob er nicht bei der Gründung der ersten Waldorfschule im Ruhrgebiet helfen könne. Er kann: Der Jurist leistet dem Gründerkreis in vielerlei Hinsicht entscheidende Starthilfe. Barkhoff organisiert auch den ersten Kredit, damals noch von einer etablierten Bank. Die Eltern und Freunde des Schulprojekts bürgen dafür — das Prinzip der Bürgengemeinschaft ist erfunden. Die Zusammenarbeit mit etablierten Banken zeigt: Der Initiative ging es zunächst ganz pragmatisch um Lösungen für ihre Vorhaben.
Heute lernen und wirken über tausend Kinder auf dem Gelände mit seinen modernen Schulhäusern in Bochum-Langendreer. Viele pädagogische Innovationen haben hier begonnen, etwa das Musikprojekt “Jedem Kind ein Instrument“.
Weitere Pläne und Ziele folgen. Aber Wilhelm Ernst Barkhoff stellt immer wieder fest: Ausgerechnet jene Unternehmen und Projekte, die die Gesellschaft voranbringen, kommen nur sehr schwer an Geld — da helfen auch die Banken zu oft nicht weiter. Es gibt kaum Kapital für die Vorausdenker, die auf dem Weg sind in eine nachhaltig geprägte Zukunft, die eine Wirtschaft mit menschlichem Antlitz prägen wollen, eine Gesellschaft des fairen Miteinanders und der Gerechtigkeit. Und viele Initiativen brauchen Schenkungsgeld, das sie nicht zurückzahlen müssen. Eine Erfahrung, die Barkhoff auch später noch als Vorstandsmitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands immer wieder macht.
Also hilft nur Handeln.
1961 wird ein Verein gegründet, die spätere GLS Treuhand e. V. Dieser Verein fördert Schulprojekte, landwirtschaftliche und medizinische Initiativen, Sozialeinrichtungen etc. Ab 1967 wird die Gemeinnützige Kredit-Garantiegenossenschaft GKG aufgebaut, die gegenüber Banken Sicherheiten für nachhaltige Unternehmungen stellt. Dann, am 11. März 1974, gründen Wilhelm Ernst Barkhoff, Dr. Gisela Reuther, Rolf Kerler und Albert Fink die GLS Bank. Es ist nicht nur das Jahr, in dem Willy Brandt als Bundeskanzler zurücktritt und der Bomber der
Nation, Gerd Müller, die deutsche Fußballnationalmannschaft in den WM-Olymp schießt. Es ist vor allem das Jahr eins nach der Ölkrise, jener Krise, die den Menschen zum ersten Mal vor Augen geführt hat, welche Folgen die Macht über eine natürliche Ressource auf unser aller Leben haben kann.
Die Bankgründung — ein großer Schritt, sollte man meinen. Doch damals geschieht das fast nebenbei im Trippellauf: Die Tagesordnung der Versammlung vom 11. März 1974 führt die GLS Gründung als siebten von acht Punkten auf. Denn eigentlich geht es nur um ein weiteres Instrument für die wachsenden Aktivitäten: Weil die Initiative immer mehr Kredite vergibt, muss man sie in eine neue Form gießen. Was niemand an diesem Tag Anfang 1974 ahnt: Diese Bank, die erste ihrer Art weltweit, wird in den nächsten Jahrzehnten die Gesellschaft so nachhaltig verändern wie nur wenige andere Unternehmen der Republik. Und dafür gibt es Belege. Sehr gute Belege.
Erstes Windrad der Republik durch GLS Bank
40 Autominuten nördlich von Hamburg in Schleswig-Holstein, inmitten saftiger Äcker und trockenen Humors, liegt Hof Dannwisch. Das Hauptgebäude ist ein wuchtiger Klinkerbau mit Reetdach, darin befinden sich ein Hofladen, eine eigene Käserei und Rohmilchverarbeitung. Bis vor Kurzem drehte sich oben über den Dächern eines der ersten Windräder Deutschlands, finanziert 1988 von der GLS Bank. Der Betrieb bewirtschaftet 150 Hektar Weide- und Ackerflächen, hält fast ebenso viele Rinder, 60 Schweine und 400 Hühner. 50 Menschen finden hier Arbeit. Der Hof ist inzwischen sogar so etwas wie ein sozialer Treffpunkt in der ländlichen Gegend geworden, zu den Hoffesten zweimal im Jahr kommen jeweils über 3 000 Besucher. Seit über 50 Jahren bewirtschaftet Familie Scharmer den Hof Dannwisch schon nach ökologischen Grundsätzen. Sie war eine der wenigen, die bereits 1957 biologisch- dynamischen Landbau betrieb. Thomas Scharmer erinnert sich: „Das war eine harte Zeit. Mein Vater Dieter war isoliert und es gab damals ja kaum Abnehmer für solche Produkte.“
Dann, 1978, die Katastrophe: Das historische Hauptgebäude wird durch einen Brand fast vollständig zerstört. Wie soll es weitergehen? Es ist Wilhelm Ernst Barkhoff, der die Scharmers davon überzeugt, weiterzumachen. Aber nicht wie eh und je, also nicht wie seit über 200 Jahren als Familienbetrieb, sondern zusammen mit anderen als Gemeinschaftsunternehmen. Wilhelm Ernst Barkhoff, Dr. Gisela Reuther, Albert Fink und Rolf Kerler hängen sich mit aller Kraft rein, kämpfen wie Ackergäule: Mit ihrer noch jungen GLS Bank sorgen sie für die Finanzierung des Wiederaufbaus, entwerfen den heute im Kern noch gültigen Gesellschaftervertrag und setzen schließlich die Anerkennung beim Finanzamt durch.
Mit Erfolg: Heute gehört dem Verein Hof Dannwisch e. V. der gesamte Betrieb vom Hof bis zum letzten Huhn. Mitglieder, und damit auch Teilhaber, sind Kundinnen und Kunden, Freundinnen und Freunde und vier Familien — darunter auch die Familie von Thomas Scharmer, die den Hof als Betriebsgemeinschaft vom Verein gepachtet hat.
[button link=“https://blog.gls.de/bankspiegel/geschichte-der-gls-bank-immer-die-nase-im-wind-2/“ color=“green“]Hier geht es zum zweiten Teil.[/button]
[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]
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