Das GLS Bank-Logo auf Transparenten bei Demonstrationen? Für den eigenen Geschäftszweck dort sein Fähnchen in den Wind hängen? Das passt sicher nicht. Aber sich raushalten, wenn es um Rassismus und Klimakrise geht kommt auch nicht in Frage. Das sehen auf jeden Fall viele Mitarbeiter*innen so – und stoßen auf eine begeisterte GLS Community.
Von Falk Zientz, GLS Bank
Es war schon dunkel am Abend des 3. September. Kübra Anac und Stefan Möller standen in Chemnitz neben ihrem E-Mobil der GLS Bank. Bis oben hin hatten sie es vollgepackt mit Getränken, Gebäck, Obst und Gemüse, alles geschenkt von GLS Kunden. Gerade war der letzte Song vom Solidaritätskonzert #wirsindmehr verklungen. Schon strömten die Menschen auf dem Rückweg an ihnen vorbei. Beide fingen an zu verteilen: Brezeln, geschmierte Käsebrote, Apfelsaft. Zunächst zogen sie damit prüfende Blicke auf sich. Sie sagten: „Hier, von unseren Kunden. Danke, dass Ihr hier wart!“, und ernten schnell ein Lächeln und dankbare Abnehmer. Dann gesellt sich ein Ehepaar zu ihnen, GLS Kunden*innen, wie sich herausstellte. Beide fangen an, mit zu verteilen. Immer wieder ist zu hören: „Schön, dass meine Bank hier ist!“ Stefan meint hinterher: „Ich habe noch nirgendwo eine so hohe Kundendichte erlebt wie da auf der Straße“.
Jede Marketingabteilung wäre stolz gewesen auf einen solchen Erfolg. Darum ist es Stefan aber nicht gegangen. Als Bochumer Regionalleiter macht er sonst vor allem Kreditgeschäft. Vier Tage vor Chemnitz saß er aber abends in der U-Bahn und las von einem aktuellen Post der AfD Hochtaunuskreis: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt ist es zu spät!“ Stefan hat schon einiges in diese Richtung gelesen, aber das war ihm jetzt zu viel: „Ich fühlte mich ernsthaft bedroht! Mir war klar: Ich muss jetzt was tun.“ Er wusste auch gleich, was.
Zuerst besprach er die Idee beim Abendessen mit seiner Frau: Am Montag wolle er nach Chemnitz fahren zum Solidaritätskonzert gegen Rassismus und unterwegs von seinen Kunden Verpflegung für die Menschen dort einsammeln. Seine Frau bestärkte ihn. Am nächsten Tag hatte er für die Einschulung seiner jüngsten Tochter frei, fing aber zwischendurch schon einmal an zu telefonieren. Es gab einiges zu tun: Er fragte Kreditkollegen, ob sie Termine übernehmen könnten und wer mitkommen will. Und er rief einen ersten Kunden an: Peter Lubberich vom Saftmobil bei Kassel, der regelmäßig seinen Apfelsaft in die Bank liefert. „Alle waren sofort begeistert. Ich hörte kein einziges ‚Ja, aber…‘ oder ‚Lass uns das erst mal überlegen…‘. Alle haben sofort mitgedacht, wie wir das schnell umsetzen können.“ Das ist gar nicht so selbstverständlich in einer Bank, denn Bankgeschäft muss in definierten und durchregulierten Abläufen funktionieren. Jetzt ging es aber darum, etwas Neues zu wagen und im Moment zu ergreifen, was auf einen zukommt. „Ob unsere Kunden tatsächlich mitmachen, was uns dort in Chemnitz erwartet, ob die Bank dafür beschimpft wird – das wussten wir ja alles nicht“, so Stefan. Ihn machte auch nachdenklich, dass ihm einige sagten: „Passt auf Euch auf!“
Am Montag gegen 9.30 Uhr konnte er endlich losfahren, gemeinsam mit seiner Kollegin Kübra Anac. Kübra begleitete die Aktion online und stellte laufend Videos und Fotos ins Netz. Bereits am Wochenende hatten sie Äpfel, Saft, Müsliriegel, Brezeln, Zwiebelkuchen und Bier von Kunden*innen aus der Region ins Auto gepackt. Jetzt ging es zu Höfen und Läden an der Strecke in Richtung Osten.
Eine besondere Station für Stefan war der Eschenhof. Denn erst vor ein paar Wochen hatte er einen Kredit abgesagt – zunächst. Es dauerte dann eine Weile, bis er sich überzeugen lies. Das merkte auch der Eschenhof. „Ach, da kommt der Stefan, der uns den Kredit nicht geben wollte“, wurde er gleich von der Bäuerin Sophie Seidel empfangen, natürlich mit einem Lächeln. Und was sie alles nach Chemnitz mitgab: Selbst geschmierte Demeter-Käsebrote, frisch gebackene Nussecken, Weintrauben und eine Kiste Bier.
Nach ihrer Rückkehr mussten Kübra und Stefan in der Bank viel erzählen und sie erhielten nur Zuspruch. Eine E-Mail vom Vorstandsmitglied Christina Opitz hat sich Stefan über seinen Schreibtisch gehängt: „Ich finde Ihre Haltung und Ihre Umsetzungsstärke super und gratuliere zu dem Erfolg. So tolle Ideen bräuchten wir häufiger.“
Stefan findet, genau darauf komme es an: „Sich positionieren und dann ganz in die Situation hineingehen. Das merken und schätzen die Menschen.“
Weiter zur Positionierung der GLS Bank: Interview mit Vorstandssprecher Thomas Jorberg im Artikel „Diese Entwicklungen schreien geradezu nach Communitys!“ hier im Blog.
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[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]
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