Kolumne von Philip Kovce, Autor
Geldschöpfung: Das klingt zunächst nach einer Aufgabe von Zentralbanken und Nationalstaaten. Es klingt nach einer ökonomischen und politischen Fachdisziplin, die allein von disziplinierten ökonomischen und politischen Fachleuten beherrscht wird. Sollte der Leitzins gesenkt werden? Sollten Staatsanleihen gekauft werden? Ja, ganz grundsätzlich: Wie lässt sich die Geldmenge am besten regulieren? Und zu welchem Zweck? Mit welchem Ziel? Das alles sind wichtige geldpolitische Sachfragen, deren Beantwortung zweifelsohne jede Menge Fachwissen erfordert.
Und doch: Geld wäre schlicht und einfach nichts wert ohne den geschöpften Wert, der hinter der Geldschöpfung steht — also ohne all die Güter, die wir tagtäglich herstellen, ohne all die Dienstleistungen, die wir tagtäglich erbringen. Wir sind die Wertschöpfer hinter der Geldschöpfung! Wozu dann aber, so ließe sich fragen, überhaupt noch Geldschöpfung?
Genügte nicht einfach nur Wertschöpfung? Für Selbstversorger lautet die Antwort: ja. Für Fremdversorger, die wir heute alle mehr oder weniger sind, lautet die Antwort: nein.
Selbstversorger schätzen — so könnte man sagen — selber wert, was sie wertschöpfen. Sie konsumieren, was sie produzieren. Geld spielt dabei keine Rolle. Fremdversorger schätzen wert, was andere wertschöpfen, und wertschöpfen selber für andere. Sie konsumieren, was andere produzieren, und produzieren selber für andere. Bei dieser Arbeitsteilung spielt Geld eine große Rolle. Es hilft, die Wertschätzung der Wertschöpfung zu spiegeln und damit transparent zu machen. Wenn Geld in diesem Sinne Bewusstsein bildet, dann ist Geld nichts anderes als Geist.
Fragt sich nun: Wie lässt sich mit diesem Geist des Geldes sinnvoll umgehen? Die Gestalter Fabian Roschka und Philipp Tok bringen drei Möglichkeiten auf den Punkt. Mittels Geld, so schreiben sie, träten wir stets in Beziehung zu anderen und drückten dabei mehr oder weniger bewusst Anerkennung, Vertrauen, ja sogar Liebe aus:
Geld sei Anerkennung — „jeden Tag genau dort, wo ich es einer Arbeit entgegenbringe, da, wo ich sage: ‚Es ist wertvoll, was du machst und gibst. Danke!‘“
Geld sei Vertrauen — „überall dort, wo ich seine Wiederkehr, seine Mehrung in die Hände eines anderen lege, da, wo mein Vorschuss überwiegt.“
Und Geld sei schließlich Liebe — „überall dort, wo ich es gebe, ohne die Erwartung einer Gegenleistung. Immer da, wo es überrascht und befreit.“
Zusammengefasst: „Wo ich schenke, liebe ich. Wo ich leihe, vertraue ich. Wo ich kaufe, anerkenne ich.“
Die arbeitsteiligen Ökonomien der Anerkennung, des Vertrauens, der Liebe beruhen auf Kaufgeld, Leihgeld, Schenkgeld. Die Brötchen, die ich kaufe, anerkennen die Leistungen vom Bauern bis zum Bäcker. Die Bäckerei, die einen Kredit erhält, um einen neuen Ofen in Betrieb zu nehmen, erntet einen Vertrauensvorschuss. Und die Gewinne, die die Bäckerei für gemeinnützige Saatgutforschung spendet, ermöglichen als freie Gabe freie Forschung.
Die Macht, ja der Sinn des Geldes besteht in unserer Gestaltungsmacht, in unserer Gestaltungsfreiheit. Wir können damit lieben, vertrauen, anerkennen. Wir können damit die Wertschätzung der Wertschöpfung zum Ausdruck bringen. Wenn wir diese Gestaltungsmacht aus freien Stücken ergreifen, dann sind wir nicht länger schlafwandelnde Geldgeschöpfe, sondern jeden Tag aufs Neue tatsächlich Geldschöpfer.
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[green_box]Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel zum Thema „Wirkung – Transformation durch grünes Geld“. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/.[/green_box]
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