Aus der Fichte – genauer: ganz bestimmten Fichten – entstehen die besten Instrumente. Ohne sie wäre Stradivari Schreiner geblieben, die kulturelle Welt eine andere. Erkundigungen über Tonholz, Schwingungen und die Musik des Waldes.
Kurzfassung
Die Entdeckung, dass Holz zum Klingen gebracht werden kann, ist kulturgeschichtlich von vergleichbarer Tragweite wie die Erfindung des Rades. Ohne den Resonanzkörper Holz gebe es keine Violinen, Klaviere, Flöten, Gitarren. Mozart und Beethoven hätten für ihr Genie andere Tätigkeitsfelder finden müssen. Das musikalische Klangwerk der Menschheit hätte einen vollkommen anderen Klang.
Wann das Holz für den Klang entdeckt wurde, lässt sich nicht genau datieren. Seine Schwingungseigenschaften wurden vermutlich zuerst bei Trommeln und Flöten genutzt. Bei der Trommel für die Übermittlung von Nachrichten und als akustische Vertiefung von Ritualen. Der Flöte brachte das Holz technologisch einen Entwicklungssprung von der steinzeitlichen Knochenflöte. Einher damit ging ein musikalischer Innovationsschub. Von der ältesten in Europa gefundenen Holzflöte aus der späten Bronzezeit bis zu Mozarts berühmtem Flötenkonzert in G aus dem Jahr 1777 mussten dennoch rund 2800 Jahre vergehen. Mit der Fidel spielten Musikanten schon im 11. Jahrhundert auf. 500 Jahre vor Stradivari.
Für die ältesten Bäume der Erde sind das keine beeindruckenden Zeiträume. Im Wettlauf, den ältesten Baum zu entdecken, haben schwedische Forscher 2008 ein Exemplar gefunden, das – bisher noch unbewiesen – 9550 Jahre alt sein soll. Eine Fichte.
In Deutschland gilt die Fichte allgemein lediglich als Baum düsterer Märchenwälder oder als schnell wachsendes Bauholz. Dabei ist sie als unersetzlicher Tonträger ein Schatz. Eine Platte aus Fichtenholz, gerade einmal 8 Millimeter dick, beherbergt als Resonanzboden die Seele des Klaviers.
Das Klangholz oder Tonholz hat seine eigene Industrie geschaffen, Tonholzhändler, Tonholz-Sägereien, Instrumentenbauer. Als Wirtschaftsfaktor spielt Tonholz gegenüber dem für die Bauindustrie, Möbel- und Luxusgüterindustrie benötigten Holz keine bedeutende Rolle. Doch eine Fichte, die so gewachsen ist, dass sie zu Tonholz verarbeitet werden kann, erfährt eine Wertsteigerung bis zu 800 Prozent. Viele Musiker haben ein geradezu symbiotisches Verhältnis zu ihrem Instrument. „Ohne meine Violine“, sagt das einstige Geigenwunderkind Midori, „bin ich nicht ich.“
Die berühmtesten Violinen werden im norditalienischen Cremona gefertigt. Seit Jahrhunderten rätseln Forscher und Geiger, was die Stradivaris und Guarneris so herausragend macht. Sicher ist nur: Wer sie nicht sensibel behandelt, den belohnen sie nicht. Die legendären Geigenbaumeister aus dem 17. und 18. Jahrhundert haben in ihren Werkstätten Instrumente von einer Tonqualität, Brillianz und einem Farbenreichtum im Klang geschaffen, dass die gesamte Geiger-Weltelite sie für ihr Violinspiel für unverzichtbar hält – seit über 200 Jahren.
Isaac Stern, einer der Jahrhundertgeiger und einst väterlichen Förderer von Midori, sprach von der engen „psychologischen“ Verbindung zwischen sich und seinem Instrument. Yehudi Menuhin erzählte mit größter Selbstverständlichkeit, dass er den Kopf seiner Stradivari jedes Mal küsse, bevor er sich in ihren Instrumentenkasten zurücklege.
Für die Klangqualität der Geigen machen Experten unter anderem die klimatischen Bedingungen in Norditalien verantwortlich. Dazu kommt aber auch das handwerkliche Können der Geigenbauer – zum Beispiel in den Hochburgen Cremona und Mittenwald, wo das alte Handwerk heute wieder gelehrt wird. Um den Klangzauber des Holzes zu entschlüsseln hat sich Wald-Autor Uwe Prieser auf die Spuren von Musikern, Geigenbauern und Experten für Tonhölzer begeben. Den vollständigen Text von Uwe Prieser lest ihr in Wald 1/2015.
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