Elinor – Eine kleine Revolution

Elinor – Ein Konto, eine Gruppe von Menschen und viel Vertrauen. Das trifft sich bei Elinor. Jetzt können das die ersten Nutzer*innen ausprobieren.

Von Julian Mertens, GLS Bank

Der sechste Stock in der Bochumer GLS Bank. An einem runden Tisch sitzt Lukas Kunert. Er zeigt eine Website, die eine kleine Revolution darstellt. Seit Monaten bestimmt sie seinen Alltag. Es geht um etwas zutiefst Menschliches: Den Wunsch nach Sicherheit, verbunden mit der Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen. Der ideelle Kleber heißt Vertrauen. Über Elinor.network kann sich eine Gruppe zusammentun und sich diesen Wunsch erfüllen. Um das zu ermöglichen haben sich Profis aus der GLS Gemeinschaft in Bochum getroffen, um bei der Entwicklung zu helfen. Aber was ist daran so neu, wo doch jede*r Deutsche bereits 2.200 Euro im Jahr an Versicherungsbeiträgen zahlt?

Elinor kommt ohne Konzerne aus

Elinor kommt völlig ohne Versicherungskonzerne und Makler aus. Die Leute organisieren sich selbst, am besten gleich mit den Freunden und Kollegen, die sich untereinander kennen. Nehmen wir an, mein Fahrrad wird gestohlen. Ich bin darauf angewiesen, weil ich jeden Tag damit meine Kinder zur Schule bringe und zur Arbeit fahre. Ich könnte das über eine Hausratversicherung regeln, vorausgesetzt, ich erfülle deren Kriterien und mein Rad ist noch nicht zu alt. Wenn das Rad am Bahnhof gestohlen wurde, wo das häufiger vorkommt, wäre gleich ein höherer Beitrag fällig. Auf jeden Fall geht es um viel Kleingedrucktes, spätestens, wenn ich mein gestohlenes Rad melde. Das verursacht viel Arbeit bei der Versicherung und somit hohe Kosten, die ich letztlich über meine Versicherungsbeiträge zahlen muss.

Elinor: Fahrräder, Tiere, Musikinstrumente oder Fotoausrüstung — alles solidarisch absichern.
Elinor – Fahrräder, Tiere, Musikinstrumente oder Fotoausrüstung — alles solidarisch absichern.

Lukas Kunert hält das für überflüssig. Seine Lösung: Vertrauen. „Die Welt um uns herum wird immer komplizierter. Mit Vertrauen können wir sie wieder einfacher machen“, sagt er. Eine Gruppe soll sich möglichst einfache Regeln geben — und, wenn es darauf ankommt, miteinander in Kontakt treten. Digital, versteht sich, denn wenn jemand in Not ist, soll schnell und einfach geholfen werden. Immer, wenn das einer Gruppe gelingt, ist es ein besonderes Ereignis. Denn Helfen macht bekanntlich glücklich!

Dieses Ziel verfolgt Lukas Kunert gemeinsam mit dem IT-Entwickler Ruben Rögels, der Finanzmathematikerin Daria Urman und Falk Zientz von der GLS Bank. Sie treiben Elinor seit November 2017 voran. „Große zentrale Systeme sind nicht für alles eine Lösung. Wenn es um gelebte Solidarität geht, dann brauchen wir auch dezentrale Ansätze“, so Zientz. Das Prinzip beruht auf „peer to peer“ im Sinne von „gleich zu gleich“. Die Bezeichnung kommt ursprünglich aus der IT, wo Computer zu einem Netzwerk zusammengeschlossen werden, um sich gegenseitig Rechenleistung zur Verfügung zu stellen. „Eigentlich ist das Prinzip schon sehr alt. Im zweiten Jahrhundert vor Christus zogen durch Babylonien Karawanen, deren Mitglieder sich gegenseitig verpflichteten, Schäden gemeinsam zu ersetzen“, erklärt Kunert.

Das soll jetzt mit digitalen Mitteln neu aufgegriffen werden. Über Elinor kann ich eine Gruppe gründen und Menschen einladen, mit denen ich beispielsweise Fahrräder, Smartphones oder Haustiere absichern will. Dann vereinbaren wir, wie viel jeder einzahlt (vielleicht monatlich ein Prozent vom Wert meines Rads) und wie wir abstimmen (beispielsweise 2/3 Mehrheit) bei Auszahlungen und einfache Mehrheit bei Aufnahme von neuen Mitgliedern). Jeder hat vollen Einblick in alle Regeln, Entscheidungen und Zahlungen der Gruppe. Neben Fahrrädern kann es etwa auch wie in den USA um Tierarztkosten für Hunde oder Katzen gehen. In Großbritannien sichern sich bereits viele Menschen gegenseitig die Schäden ihrer Mobiltelefone ab und zahlen meist viel schneller und unkomplizierter, als eine Versicherung das je tun kann. Oder die Absicherung von Berufsunfähigkeit, wie sie in den Niederlanden schon von über 10.000 Selbstständige in lokalen Gruppen umgesetzt wird.

„Wir haben in mehreren Workshops mit Experten über alle möglichen Anwendungsfelder gesprochen“, sagt Kunert. „Genau betrachtet ist bereits jeder von uns in Gruppen aktiv, in denen es gemeinsame Interessen und eine Vertrauensbasis gibt. Das wollen wir bewusst machen und Tools zur Selbstorganisation zur Verfügung stellen.“ Im Mai 2018 wird das Experiment Elinor gestartet. „Wir haben so viele Theorien und Überlegungen, jetzt müssen wir einfach mal loslegen“, sagt Kunert. Das Risiko ist es ihm mehr als wert.

Eins bleibt: „Wir werden keine Versicherung. Ich will nicht an einen Konzern zahlen, sondern ganz konkret jemandem helfen, den ich kenne. Und er hilft später vielleicht einmal mir.“ Es bleibt spannend!

[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]

 

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3 Antworten zu „Elinor – Eine kleine Revolution“

  1. Avatar von Georg Hohenbild

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    moin zusammen,
    würde gerne mit einer Art Haftpflicht meinen Hof und am liebsten auch meinen Schlepper (Traktor) und mein Auto absichern.
    Bin bei Artabana, einer Gesundheitssolidargemeinschaft schon etwa 10 Jahre und weiß daß sowas gut funktionieren kann – allerdings treffen wir uns auch regelmäßig, sind mit anderen Gruppen in unserer Region vernetzt, um z.B. in Großschadensfällen Hilfe zu bekommen und auch die Nachbarregionen kooperieren wenns eng wird…

    Bin also offen für eine neue Gruppenbildung, allerdings eher persönlich als online, online geht sicher wenns um Fahrräder und andere überschaubarere Dinge geht.

  2. […] Fairsichern – Ein Konto, eine Gruppe von Menschen und viel Vertrauen. Das trifft sich bei fairsichern. Jetzt können das die ersten Nutzer*innen ausprobieren. Von Julian Mertens,… Der Beitrag Fairsichern – Eine kleine Revolution erschien zuerst auf Das Blog. Original Artikel anzeigen […]

  3. Avatar von Helmut
    Helmut

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    Gute Idee. Ich ärgere mich auch oft darüber, wie viel Zeit und Energie ich damit verschwende, dass so viele Dinge immer komplizierter werden.

    Aber dieses „digital, versteht sich“ schafft meines Erachtens gleich wieder neue Probleme. Wir machen uns immer abhängiger davon, dass wir immer und überall online sind. Und dass, obwohl immer häufiger vor den Gefahren, sei es durch einen Cyberangriff auf unsere Infrastruktur oder nur einen simplen Systemausfall, gewarnt wird. Obwohl wir schon (in meiner Stadt!!) erleben mussten, dass ein wichtiges Krankenhaus wegen eines Hackerangriffs für Wochen teilweise den Betrieb einstellen musste. Trotzdem wollen manche Leute nicht eher Ruhe geben, bis nicht auch noch die letzte Zahnbürste am Internet hängt – weil die Digitalisierung als das universelle Heilsversprechen dargestellt wird.
    Eines Tages werden wir die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute jeden Prozess digitalisieren, verfluchen. Und wer regelmäßig Zeitung liest, hat auch heute schon genug Gründe, von der Digitalisierung nicht mehr ganz so begeistert zu sein.

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