Die Welt wird immer schlechter – zumindest habe ich das Gefühl, es wäre so. Über das Gefühl Weltschmerz.
Die Dystopie ist das Gegenteil einer Utopie, die Antithese zum Guten. Sie vereint alles, was in unserer Gesellschaft falsch läuft und potenziert es noch einmal. Greift einen kleinen Missstand auf und spinnt ihn weiter zu einer Schreckensvision. Nur einzelne Menschen haben das Gefühl, dass die Welt nicht so gut ist wie sie scheint. So wie wir auf der Straße die Leute mit ihren „Das Ende ist nah“-Schildern belächeln, so gehen auch diejenigen unter.
Ich mag Dystopien: Wie bedrückend die Welt, und wie dunkel die Landschaft ist, und wie die Menschen denken, dass alles schön ist. Ich mag den Widerstandskämpfer, der manchmal gewinnt und manchmal wieder zurück in die Reihen gedrängt wird. Als ich in der Schule „Schöne Neue Welt“ von Aldous Huxley lesen musste, habe ich den Sinn des Ganzen nicht so recht verstanden. Aber mittlerweile liebe ich dieses Empfinden, diese Zukunftsangst, dass es wirklich eines Tages so kommen könnte: Der Weltuntergang, die Apokalypse, der Zusammenbruch des Systems.
Noch funktioniert alles irgendwie. Noch.
Vielleicht leben wir ja schon in einer Dystopie und merken es nicht? Natürlich ist das alles längst nicht so schlimm wie in den ganzen Büchern, Filmen und Computerspielen: Die Welt steht heute nicht vor dem Abgrund (also, nicht dass ich wüsste!), die Erde ist noch halbwegs bewohnbar und wir haben unsere persönlichen Freiheiten im Rahmen der Gesetze. Wie lange bleibt das noch so? Die Ressourcen der Erde sind ungleichmäßig verteilt, was dazu führt, dass viele Menschen grundsätzlich zu wenig Nahrungsmittel haben, keinerlei Zugang zu Schulbildung, bei manchen Menschen ist sogar ihr Leben dauerhaft in Gefahr. Außerdem wird die Umwelt kontinuierlich weiter zerstört, denn wir brauchen Palmöl, vergiften uns mit Glyphosat, Weichmachern und Aluminiumsalzen, und überhaupt…
Kann ich überhaupt etwas tun?
Der einzelne Mensch ist nahezu machtlos. Auch bei einem nachhaltigen, minimalistischen Lebensstil und einem geringen Konsum bleibt oft das Gefühl, nichts ändern zu können: Die Welt ist schlecht und ich kann nichts dagegen tun. Diese Melancholie, diese Art Depression ist schlicht und ergreifend Weltschmerz: Machtlosigkeit durch negative Schlagzeilen, die uns Tag für Tag um die Ohren gehauen werden. Wer weiß schon, ob nicht früher genauso viel Schlechtes geschehen ist wie heute. Mag sein, aber früher haben wir es einfach nicht gewusst.
Dozentin der Philosophie Sabine Döring sagt im ZEITCampus-Interview mit Michael Wolf: „Wir können heute nicht mehr sagen: Ich habe hier meine kleine private Welt. Wir können nicht mehr die Augen vor den Lebenssituationen in anderen Ländern verschließen. Mit der Flüchtlingskrise haben wir die Probleme genau vor der Haustür.“ Und das ist es, was mir und zig anderen Angst macht: Wir können nicht abschalten, machen die Probleme der Welt zu unseren eigenen. Das ist auch richtig so, aber es soll uns nicht entmutigen. Sabine Döring erklärt: „Und dann stellen wir uns die Frage: Wie können wir diese Lebensbedingungen verbessern? Es ist gut und wünschenswert, sich damit auseinanderzusetzen. Aber es kann uns auch überfordern.“
Den Weltschmerz annehmen
Was kann ich tun, wenn ich wütend bin über das Leid der Welt, das Hungern, das Sterben von Menschen und Wäldern? Ich finde, man darf sich dadurch nicht verrückt machen lassen. Die Erkenntnis, dass die Welt schlecht ist, sollte motivieren, selber aktiv zu werden. Wer nicht nach Lösungen sucht, sondern einfach nur leidet, ohne etwas zu tun, muss den Schmerz aushalten. Schade ist, wenn man sich selber engagiert, aber trotzdem das Gefühl hat, nichts zu bewirken. Denn das stimmt nicht. Alle Veränderungen beginnen klein, und daher ist aus meiner Sicht auch Stolz angebracht, wenn man sich überwindet, etwas für die Welt zu tun. Damit meine ich nicht die Erleichterung, durch eine gute Tat Karmapunkte zu sammeln, sondern die Gewissheit, dass man es gut gemeint und gut gemacht hat.
Dass man sich vom Elend der Welt ein Stück weit deprimieren lässt, ist natürlich einerseits anstrengend und aufwühlend, spricht aber auch für eine empathische Seite eines Menschen. Und es ist wichtig, sich dieser Seite bewusst zu sein und daraus auch die Motivation zu nehmen, das eigene Verhalten zu reflektieren. In gewisser Weise ist der Weltschmerz auch eine Art Liebeskummer. Im Prinzip hat man vielleicht ein bisschen Mitschuld, aber die aktuelle Situation hat ein anderer geschaffen und man selbst kann daran nichts ändern. Das mag für den jetzigen Moment nicht besonders tröstend sein. Wenn wir uns aber nicht unterkriegen lassen, durchhalten und einige Dinge hinterfragen, kann es das nächste Mal durchaus anders laufen.
Wie empfindet ihr zurzeit unsere Welt? Geht es euch gut oder habt ihr auch gelegentliche Erfahrung mit einer gewissen negativen Stimmung, die euch bei bestimmten Ereignissen überfällt? Was tut ihr dagegen? Und wenn ihr keinen Schmerz empfindet, bedeutet das, dass euch die Welt egal ist, oder ist das einfach ein realistisches Denken, weil wir sowieso nichts bewirken können? Teilt uns eure Gedanken mit.
Foto: (CC BY-SA 2.0) von @sorenastrup664
Dieser Artikel ist Teil der Kurzserie „Nachhaltigkeit im Denken und Tun“. In Kürze erscheint auf dem GLS Bank Blog der zweite Teil „Nachhaltigkeit. Warum sollte ich? Und vor allem, wie?“.
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