Wenn viele Gärtner*innen ihre Kräfte bündeln, hilft das dem Projekt „Mit vereinten Gärten“. Vor zwei Jahren haben wir schon einmal davon berichtet, dass ein Schweizer Biosaatgut-Produzent gemeinsam mit einer Stiftung widerstandsfähige Salatsorten entwickelt. Dazu braucht es auch jetzt wieder Salat-Anbauer*innen, die auch mal gerne wissenschaftlich arbeiten. Hier kommt unser Projekt-Update.
Das Wichtigste zuerst: Für die inzwischen vierte Anbausaison 2022 sucht das Gemeinschaftsprojekt “Mit vereinten Gärten” erneut viele experimentierfreudige Hobby- und Profigärtner*innen. Sie sollen im Spätsommer Salat-Testlinien im eigenen Garten anbauen und den Grad des Mehltau-Befalls zurückmelden.
Was sind die Voraussetzungen für eine Teilnahme? Freude am wissenschaftlichen Arbeiten, Freude an Salatvielfalt im Garten – dafür sind ca. fünf Quadratmeter Fläche für mindestens 40 Salatpflanzen erforderlich – und der Wunsch, einen Beitrag zur nachhaltigen Lebensmittelerzeugung zu leisten.
Wer diese Komponenten inklusive eines grünen Daumens mitbringt, sollte sich bis spätestens Mitte Mai anmelden – auf www.mit-vereinten-gaerten.org.
Den “Falschen Mehltau” überlisten
Die “vereinten Gärten” wollen den “Falschen Mehltau” (Bremia lactucae) überlisten. Der lässt Salatblätter schlapp werden und bedeckt sie mit weißlichem Pelz und bräunlichen Flecken. Nicht schön. Denn diese Pflanzenkrankheit richtet vor allem im Bio-Anbau immer wieder große wirtschaftliche Schäden an. Dort wird nämlich auf den Einsatz von Fungiziden verzichtet.
Die einzige Methode, den unerwünschten Pilzbefall unter Kontrolle zu bringen, sind resistente Sorten. Leider ist der Erreger enorm anpassungsfähig, sodass die sogenannten Resistenzen, die in moderne Sorten eingekreuzt werden, keinen langfristigen Schutz bieten. Innerhalb von ein bis zwei Jahren schafft es der Mehltau, diese “Abwehrmauer” wieder zu durchbrechen.
Hier setzt das Konzept des Biosaatgut-Unternehmens Sativa und der Stiftung ProSpecieRara an: Neue robuste Salatsorten sollen den Mehltau tolerieren. Das heißt, sie sollen auch mit Mehltau-Befall noch in einem “verkaufsfähigen” Zustand sein. Und sie sollen über lange Zeit sowie über unterschiedliche klimatische Bedingungen hinweg widerstandsfähig bleiben.
[grey_box]Sativa Rheinau: Biosaatgut aus der Schweiz
Das Unternehmen Sativa Rheinau wurde gegründet, um eine eigenständige und gentechnikfreie Saatgut-Produktion für den Biolandbau sicherzustellen. Alte und seltene Sorten stehen im Vordergrund: Sie sind nicht nur eine Bereicherung im Garten, sondern bilden auch die Grundlage einer modernen und biologischen Pflanzenzüchtung. [/grey_box]
[grey_box]ProSpecieRara: Stiftung & Erhalter-Netzwerk
Die Stiftung ProSpecieRara setzt sich für den Erhalt und die Förderung von alten und seltenen Kulturpflanzensorten und Nutztierrassen ein. Das “Erhalter-Netzwerk” von ProSpecieRara basiert primär auf Privatpersonen, die in ihren Gärten Sorten vermehren. Sativa Rheinau ergänzt mit seinem Know-How dieses Netzwerk. [/grey_box]
Die bisherigen Ergebnisse
Durch das Gärtner*innen-Netzwerk, das mit dem Projekt in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden entstanden ist, können verschiedene Salatlinien an vielen verschiedenen Standorten auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet werden. Alleine wäre die Aufgabe, robuste Sorten zu entwickeln, nicht stemmbar: So bauten im vergangenen Jahr bereits sage und schreibe 1.900 Gärtner*innen Salate an!
Das Projekt startete 2019. Im zweiten Versuchsanbau im Sommer 2020 wurden 59 Salat-Testlinien in insgesamt 1.200 Gärten angebaut. Sieben Linien davon wiesen eine gute Widerstandsfähigkeit gegenüber Mehltau auf. In der dritten Saison 2021 wurden in 1.900 Gärten weitere 60 Salatlinien sowie vier der sieben identifizierten Linien getestet. Übrig geblieben sind zwei Favoriten, deren Saatgut jetzt vermehrt wird. Im Jahr 2023 folgt der Praxistest: Dann werden beide Linien auf größeren Flächen ausgesät und Erntefähigkeit, Reife-Homogenität und Haltbarkeit am Feld geprüft.
Alt und widerstandsfähig
Das “Laibacher Eis” findet man in keinem Eisbecher – es ist eine alte Eisberg-Sorte, die auch nach einem Befall mit Mehltau noch vermarktungsfähig ist, denn sie besitzt eine natürliche Widerstandsfähigkeit gegen Mehltau. In der Sativa-Züchtung werden solche alten und widerstandsfähigen Sorten mit Salatsorten gekreuzt, die in ihren Eigenschaften (Kopfform, Farbe und Geschmack zum Beispiel) den Ansprüchen des modernen Biosalatanbaus entsprechen.
Acht Jahre Züchtungszeit
Wie lange dauert die Entwicklung neuer Sorten? Zählen wir mal nach… Der Produzent Sativa steckt fünf Jahre in die Vorzüchtung robuster Salatsorten. Im Netzwerk “Mit vereinten Gärten” werden favorisierte Linien weitere zwei Jahre getestet. Danach muss eine neue Sorte noch das Praxisjahr überstehen. Es sieht so aus, als könnten 2024 die ersten zwei neuen mehltau-toleranten Salatsorten angemeldet werden: nach acht Jahren Züchtungszeit.
Jetzt seid ihr dran. Salatgärtner*innen meldet euch und arbeitet mit an neuen guten Sorten.
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