Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln steigt. Frische, regionale Produkte liegen im Trend. Doch die heimischen Bauern profitieren kaum davon. Die ökologisch bewirtschafteten Flächen stagnieren.
Gastbeitrag von Ulf Schönheim, Regionalwert AG Hamburg
Woran das liegt? Auch am Bio-Boom überraschenderweise. Denn aufgrund der hohen Nachfrage muss immer mehr importiert werden. Aber: eingeführte Ware ist häufig billiger als heimische. So passiert auch im Bio-Sektor, worunter die konventionelle Landwirtschaft seit Langem leidet: Für Bauern steigt der Preisdruck, während Handel und Verarbeiter gut verdienen.
Dazu kommt: Die Preise für landwirtschaftliche Flächen sind in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Teilweise so stark, dass sich häufig nur noch subventionierter Maisanbau rechnet. Ein weiteres Problem: Die Hofnachfolge. Rund 70 Prozent der Landwirte haben keinen Nachfolger. Gleichzeitig gibt es aber viele gut ausgebildete junge Landwirte, die gern einen Hof übernehmen wollen. Dies aber niemals können – mangels Geld oder Hof in der Familie.
Die Folgen: Die Zahl der Höfe sinkt. Der Kapitalbedarf ist hoch. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche wächst in Deutschland kaum noch – und damit das Angebot an heimischen Bio-Produkten.
Hohe Chancen für gute regionale Lebensmittel
Gleichzeitig zeigen Studien, dass gute regionale Produkte hohe Chancen hätten – wenn der Verbraucher im Boot ist und weiß, woher die Erzeugnisse kommen und wie sie erzeugt wurden.
Genau das will die Regionalwert-Idee erreichen. Und zwar, indem sie die Bürgerinnen und Bürger eng einbindet – als Miteigentümer und Multiplikatoren.
Das geht so: Die Regionalwert AGs geben regelmäßig Aktien aus. Nicht börsennotiert, sondern in Eigenemission. Jede Bürgerin, jeder Bürger und jede Firma oder Organisation kann regionaler Öko-Aktionär werden. Das Geld investiert die Regionalwert AG dann als Eigenkapital in Höfe, die Investitionen brauchen oder keinen Nachfolger haben. Und in Verarbeiter, Händler, Gastronomen.
Die eigene Rendite erwirtschaften – auf sozialer, ökologischer Basis
Mit der Investition verpflichten sich die Partnerbetriebe auf soziale und ökologische Standards. Und darauf, sich untereinander möglichst viel Erzeugnisse abzunehmen. Das Geld und die guten Erzeugnisse bleiben in der Region – und werden mehr.
Der Aktionär hat gleichzeitig ein großes Interesse daran, dass es seinen Betrieben gut geht. Dass er stolz sein kann auf seine Landwirte und ihre Produkte – und er will deshalb möglichst viel bei ihnen kaufen. Auch eine kleine Rendite ist angestrebt – aber immer auf ökologisch und sozial nachhaltiger Basis.
Daneben wollen die Regionalwert AGs aber mittelfristig auch finanzielle Gewinne erwirtschaften. Diese entstehen, wenn es den Partner-Betrieben wirtschaftlich gut geht. Denn die Regionalwert AG ist als Eigenkapital-Investor an Gewinn und Verlust beteiligt.
Die Aktionäre entscheiden dann auf der Hauptversammlung, wie Gewinne verwendet werden sollen: Im Verbund belassen (also reinvestieren und damit die Regionalwert AG stärken – und den Wert der Aktie) oder als Dividende ausschütten.
Enkeltaugliche Landwirtschaft durch Kooperation statt Kostendruck
Mit der Regionalwert-Idee entsteht ein regionaler, sozialer und ökologischer Verbund. Vom Acker bis zum Teller, vom Aktionär bis zum Verbraucher. In dem alle dasselbe Interesse haben: Eine lebendige, enkeltaugliche Landwirtschaft, die Böden sichert, erhält und verbessert. Die die Vielfalt fördert. Die dafür sorgt, dass junge Leute ausgebildet und schwächere Menschen integriert werden. Die auf Kooperation setzt statt auf Konkurrenz und Kostendruck. Die echte regionale Werte schafft.
Kurz: Eine Rendite, die auf sozialen, ökologischen und regionalen Faktoren fußt. Wie das praktisch funktioniert, zeigen drei Beispiele aus Freiburg. Dort wurde 2006 die erste Regionalwert AG gegründet. Sie hat Anfang des Jahres ihre letzte große Kapitalerhöhung abgeschlossen.
Drei aktive Regionalwert AGs, weitere in Gründung.
Inzwischen gibt es insgesamt drei Bürger-Aktiengesellschaften nach Freiburger Vorbild. Die Regionalwert AG Isar-Inn ist seit 2011 aktiv. An der Regionalwert AG Hamburg kann man sich bis Ende Juli erstmals als Aktionär beteiligen. Und die Gründungsgruppen im Rheinland und in Österreich freuen sich über Mitgründer.
Wir sind überzeugt: Gemeinsam kann die Ernährungswende gelingen. Deshalb macht mit! Als Öko-Aktionär.
Ulf Schönheim, 43, bildet gemeinsam mit dem Agraringenieur Malte Bombien den Vorstand der Regionalwert AG Hamburg. Zuvor hat er zwölf Jahre bei Hamburger Finanzdienstleistern die Kommunikation betreut, davon die letzten neun Jahre in leitender Funktion. Parallel hat er einen Lieferservice für regionale Lebensmittel gegründet. Der Diplom-Soziologe und Werbekaufmann stammt aus Schleswig-Holstein und lebt mit seiner Familie in der Elbmarsch. Zwei Hamburger Blogger haben ihm den Spitznamen „Regionalulf“ verliehen.
Fotos: Porträt Ulf Schönheim von Maximilian Buddenbohm, andere Regionalwert Hamburg
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