Vor über 30 Jahren hat Wirtschaftsprofessor Günter Faltin die Projektwerkstatt gegründet, die Muttergesellschaft der Teekampagne. Es ging ihm dabei weniger um Tee, sondern darum, seinen Studenten an der FU Berlin zu zeigen, dass eine bessere und intelligentere Art des Wirtschaftens möglich ist. Heute ist das Unternehmen der größte Verkäufer von Darjeelingtee und kann auf eine beachtliche Erfolgsgeschichte zurückblicken.
Von Horst Hamm
Wer einmal in die Erzeugerländer kommt, kann es selbst überprüfen. In Indien oder Sri Lanka kostet Tee nur rund ein Zehntel von dem, was ein Teefreund hierzulande auf den Tisch legen muss. Weil der Ökonom Günter Faltin (Teekampagne) schon in den 80-er Jahren erkannt hatte, dass es in erster Linie die aufwändigen Kleinverpackungen und die verschiedenen Zwischenhändler sind, die zu diesem immensen Preisaufschlag führen, suchte er nach grundsätzlichen Alternativen.
„Warum Tee in einer 100-Gramm-Packung kaufen, wenn er drei Jahre haltbar ist? Mit einer 1-Kilo-Verpackung spare ich neun Teetüten, neun Vorder- und Rücketiketten sowie neunmal den Versand und die Rechnungstellung.“
Günter Faltin, emeritierter Professor für Entrepreneurship und Gründer der Teekampagne
Deshalb verkauft die Teekampagne von Anbeginn an ihren Tee ausschließlich in Großverpackungen. Und weil sie die geschmackvollen Blätter direkt von den Teegärten im indischen Darjeeling und in großen Mengen bezieht, umgeht sie vom Verkäufer in Kalkutta über den Importeur in London oder Hamburg bis zum Groß- und Einzelverkäufer sämtliche Zwischenhändler. Nachdem der Tee in Deutschland angekommen ist, wird er in Kampagnenform – daher der Name Teekampagne –verschickt: Bestellungen werden übers Jahr gesammelt und immer dann bearbeitet, wenn die neue Ernte eingetroffen ist. Damit fallen auch kaum Kosten für Lagerhaltung an.
Mit diesem Konzept kann das Unternehmen seither den besten Tee der Welt – der wächst nach Aussagen von Kennern an den Südhängen des Himalaja – zu einem unschlagbar günstigen Preis anbieten: Für ein Kilo „First Flush“, das ist die erste Ernte nach der Winterpause, muss ein Teeliebhaber aus Deutschland 29,50 Euro bezahlen, zuzüglich Versandkosten.
Die gesamte Kalkulation macht das Unternehmen auf seiner Webseite transparent.
Transparenz ist bei der Teekampagne oberstes Gebot: Jede angelieferte Partie kann bis zu ihrem Ursprungsort zurückverfolgt werden. Und über die aufgedruckte Chargennummer auf der Packung kann jeder Kunde diesen Weg nachvollziehen. Diese Kultur der Offenheit und Erkennbarkeit entspricht der Qualitätsinitiative „Bio mit Gesicht“, die von mehreren Bio-Verbänden initiiert wurde und die jedem Kunden die Möglichkeit gibt, sich ein genaues Bild von vielen Bio-Produkten zu machen.
Ihren Tee können die Kunden einfach online zurückverfolgen.
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Rund die Hälfte des Erlöses geht an die Teegärten in Indien. Damit gibt die Teekampagne den Plantagenbesitzern genügend Spielraum, ihre Pflückerinnen fair zu bezahlen. Die andere Hälfte schlägt für Lohn- und Bürokosten in Potsdam, Seefracht, Verpackung, Biokontrollen, Versicherungen und Steuern zu Buche. Und für das von der Projektwerkstatt initiierte Nachhaltigkeitsprojekt „Save the Environment and Regenerate Vital Employment“, kurz SERVE. Bereits 1992 wurde es als Wiederaufforstungsprogramm gestartet und 1996 dem WWF-Indien zur Organisation übertragen. Bis heute wurden drei Millionen heimische Bäume gepflanzt. Sie verringern die Erosionsgefahr in den Steilhängen Darjeelings erheblich und verbessern die Lebensbedingungen in den Teeplantagen grundsätzlich.
Das gilt auch für die Tatsache, dass die Teekampagne die Gärten dazu gebracht hat, ihren Pestizideinsatz zu verringern.
Von Anfang an hat sie nämlich ihren Tee auf Schadstoffe analysieren lassen, auf dem Rücketikett ihre Kunden über die Chemierückstände informiert und mit den Erzeugern daran gearbeitet, sie mit jeder Ernte immer weiter zu senken. Mit dem Ergebnis, dass heute alle Verpackungen der Teekampagne das Bio-Siegel tragen. Und weil auch andere Abnehmer inzwischen auf „bio“ Wert legen, hat sich Darjeeling zur Musterregion in Sachen ökologischer Landbau entwickelt. Die Hälfte aller Teegärten ist biozertifiziert. Als größter Kunde hat die Teekampagne an dieser Entwicklung maßgeblichen Einfluss. Um diesen Erfolg besser einschätzen zu können: Bio-Vorreiter Deutschland kommt nur auf einen Anteil von 6,5 Prozent ökologisch bewirtschafteter Agrarfläche.
„Dieser Erfolg hat uns ermutigt, in diesem Jahr erstmals Tee aus Assam anzubieten“, sagt Geschäftsführer Thomas Räuchle. „Dabei sind wir selbstverständlich unseren Prinzipien treu geblieben: Wir kaufen nur beste Bioqualität direkt beim Erzeuger, bieten nur Großpackungen und versenden in Kampagnenform.“ Möglich ist dies, weil die Chamong-Gruppe, mit denen die Teekampagne seit Jahrzehnten zusammenarbeitet, sowohl in Darjeeling als auch Assam mehrere Teegärten betreibt. 2017 hat sie die ersten 20 Tonnen Assam an die Teekampagne geliefert.
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Über die Teekampagne
Die Teekampagne hat ihren Sitz in Potsdam. 20 Mitarbeiter kümmern sich dort um die Wünsche der mittlerweile rund 200.000 Kunden. Jahresumsatz: rund 400 Tonnen verkaufter Tee, davon 220 Tonnen First und Second Flush aus Darjeeling – die hochwertigsten Ernten. Neuerdings im Angebot: Tee aus Assam.
Günter Faltin, geboren 1944, war Professor für Entrepreneurship an der FU Berlin und nahm mehrjährige Gastprofessuren in Asien wahr. 1985 gründete er die Projektwerkstatt mit der Idee, die Teekampagne zu initiieren. 2001 rief er die Stiftung Entrepreneurship ins Leben, weil er davon überzeugt ist, dass wir kreativere Formen des Wirtschaftens brauchen.
„Wir ruinieren das Klima, achten nicht auf die Endlichkeit der Ressourcen, löschen eine Art nach der anderen aus und bauen eine immer höhere Staatsverschuldung auf. Unser Wirtschaftssystem gleicht einem Kartenhaus, das früher oder später zusammenbrechen wird. Die Ökonomie zieht vor allem Menschen an, denen Gewinnmaximierung besonders wichtig ist. Wir bräuchten mehr Akteure, denen Werte wichtig sind.“
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Horst Hamm schreibt als Umweltjournalist seit über 30 Jahren vor allem zu Klimawandel, Energiepolitik, Ressourcenverbrauch und Biolandbau.
2015 hat er auf Einladung der Teekampagne einige Teegärten besucht, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet.
Fotos: Jacqueline Lindner & Teekampagne
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