Auf EU-Ebene könnte es dazu kommen, dass Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen wird. Die EU-Kommission hat dies vorgeschlagen, nun stimmen die 27 Mitgliedsstaaten ab. Deutschland hat bereits beschlossen, den hoch umstrittenen Unkrautvernichter ab Anfang 2024 auf nationaler Ebene nicht mehr zuzulassen. Über die widersprüchlichen Einschätzungen zu Glyphosat habe ich mit Timo Hülsdünker von der GLS Bank gesprochen.
Was ist das Problem mit Glyphosat?
TIMO HÜLSDÜNKER: Glyphosat wird gerade dahingehend bewertet, ob es krebserregend ist für den Menschen. Zum einen für die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, die damit also bei der Anwendung von Glyphosat in Kontakt kommen. Zum anderen wird das aber auch für uns Konsument*innen evaluiert: Was passiert, wenn sich Rückstände dieses Pestizids auf meinen Kartoffeln, dem Mais oder auf Äpfeln befinden und ich das nicht richtig wasche?
Noch gibt es keine verlässlichen Studien zu Pestizidrückständen auf Lebensmitteln und deren kumulierten Auswirkungen. Aktuell reduziert sich die Debatte auf den wichtigen Schutz der Anwender*innen. Die Diskussion über die Auswirkungen von Glyphosat auf die Umwelt und Biodiversität gerät dabei in den Hintergrund.
Glyphosat ist ein Herbizid. Das heißt, es tötet sogenannte Unkräuter, also schlussendlich Pflanzen, die ich auf dem Acker nicht haben möchte. Diese Pflanzen dienen Insekten aber ganz oft als Nahrung oder auch zum Schutz. Wenn diese Pflanzen fehlen, fehlt Insekten die Nahrung und das wirkt sich negativ auf die Biodiversität aus. Hinzu kommt, dass Glyphosat im Boden bleibt und tiefer in die Erde dringt. Es kontaminiert unser Grundwasser und verursacht hohe Kosten bei der Wasseraufbereitung.
Trotz dieser vielen kritischen Punkte und zurecht geäußerter Bedenken: Warum schlägt die EU-Kommission vor, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen?
TIMO HÜLSDÜNKER: Glyphosat ist das Pestizid, das in der Landwirtschaft in Europa mit am meisten genutzt wird – und noch darüber hinaus: Die Deutsche Bahn beispielsweise ist der größte Einzelabnehmer von Glyphosat in Deutschland und hält damit ihre Gleise frei. Denn Glyphosat ist ziemlich wirkungsvoll, in gewisser Hinsicht optimal. Es gibt nicht viele Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind. Es ist daher breit einsetzbar, es tötet im Prinzip alles, mit dem es in Kontakt kommt – außer die Pflanzen, für die es, in Anführungszeichen, programmiert ist.
Gleichzeitig läuft das Pestizid-Zulassungsverfahren so ab, dass der Gesetzgeber sagt, die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind hinnehmbar – sie können akzeptiert oder gemanagt werden, das Risiko ist begrenzt.
Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens dazu, dass Glyphosat wirklich krebserregend ist. Es gibt sehr viel Evidenz, die dafür spricht, aber es gibt auch einige Studien, die zum gegenteiligen Ergebnis kommen. Unter anderem die Studien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, die Studien der Hersteller; aber auch andere namenhafte Institute können nicht hundertprozentig nachweisen, dass es Krebs erzeugt.
Aus meiner Sicht brauchen wir keine hundertprozentige Sicherheit, um Glyphosat vom Markt zu nehmen. Unterm Strich zeigt die Forschung, dass das Risiko, dass Glyphosat Krebs erregt, sehr, sehr hoch ist. Auch wenn der letzte Zweifel nicht ausgeräumt wurde, sollten wir das Risiko nicht eingehen. Und die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität sind hinreichend belegt. Auch das wäre ein legitimer Grund, die Zulassung zu entziehen.
Noch ein wichtiger Punkt: Ein sofortiger Verzicht auf Glyphosat in der Landwirtschaft würde vermutlich zu recht hohen Kosten führen. Man bräuchte andere Mittel, die es ersetzen und teurer sind. Oder man müsste mit viel Personalaufwand maschinell nachhelfen. Man könnte selbstverständlich auch auf einen wesentlichen Teil seines Ertrags verzichten. Das möchte die konventionelle Landwirtschaft natürlich vermeiden.
Als GLS Bank hoffen wir, dass die Bundesregierung dabei bleibt, Glyphosat auf nationaler Ebene im kommenden Jahr nicht mehr zuzulassen. Warum ist das unsere Haltung?
TIMO HÜLSDÜNKER: Für uns als Bank sind die Risiken und die Umweltschäden, die mit dem Einsatz von Glyphosat, von Pestiziden insgesamt einhergehen, einfach zu hoch. Das wollen wir nicht mittragen. Es gibt andere Möglichkeiten, Landwirtschaft zu betreiben, insbesondere die biologische Landwirtschaft. Die finanzieren wir als Bank seit 50 Jahren und wir sehen: Es funktioniert durchaus auch ohne Pestizide.
Es ist auf jeden Fall hilfreich, unsere Ernährungsgewohnheiten zu hinterfragen: Sind die noch nachhaltig oder sollten wir etwas verändern? Wenn wir auf Pestizide verzichten, haben wir einen Ertragsverlust von etwa 20 Prozent. Das bedeutet, wir bräuchten zusätzliche Flächen, um unsere Ernährung zu sichern. Viele landwirtschaftlichen Flächen werden für Bio-Benzin oder Schweinefutter genutzt. Wir könnten weniger Fleisch essen, weniger Biokraftstoffe verfahren – dann hätten wir mehr freie Fläche, um ökologische Lebensmittel zu produzieren. Was wiederum mit positiven Effekten für die Biodiversität einhergehen würde.
Das alles sind Gründe, warum wir uns als Bank für eine Besteuerung von Pestiziden einsetzen und hoffen, dass die Bundesregierung bei dem Entzug der Zulassung für Glyphosat im kommenden Jahr bleibt.
Das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft, in dem wir Mitglied und Bündnispartner sind, macht sich für ein Glyphosat-Verbot stark. Dort kannst du eine Botschaft an Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir unterzeichnen:
Bei uns auf dem Blog kannst du auch lesen, warum ein Glyphosat-Verbot so wichtig ist.
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