Kostenwahrheit: Warum ein Bioapfel in Wahrheit günstig ist

Kostenwahrheit: Warum ein Bioapfel in Wahrheit günstig ist

Wer denkt, ein nachhaltiger Apfel müsse teurer sein als ein konventioneller Apfel aus dem Ausland, der irrt. Denn vermeintlich günstige Preise verschweigen Kosten für Schäden, die wie ein Boomerang auf uns zurückfallen.

Du stehst im Supermarkt und möchtest Äpfel kaufen. Vor dir liegen palettenweise Äpfel und du willst dich für den „richtigen“, den nachhaltigen Apfel, entscheiden. Ideal wäre es, wenn ein Blick aufs Preisschild die Unterschiede zwischen den konventionellen Äpfeln aus Neuseeland und den Bioäpfeln aus deiner Region offenbaren würde. Denn über die Marktpreise solltest du doch alle nötigen Informationen wie Herstellungskosten oder Knappheit des Apfels im jeweiligen Land erkennen können. Du solltest also den wahren Wert deines Apfels sehen. Doch: Die Preise, die du siehst, bilden nicht die Wirklichkeit ab.

Kostenwahrheit – Enkelkinder zahlen die Rechnung

Der vermeintliche Kostenvorteil von nicht ökologisch angebauten Äpfeln existiert nur auf dem Preisschild. Tatsächlich sind die Marktpreise für konventionelle Lebensmittel stark verzerrt, weil sich die sozial-ökologischen Kosten ihrer Herstellung zurzeit nicht im Produktpreis wiederfinden. Der landwirtschaftliche Nitrat- und Pestizideinsatz etwa verursacht in Deutschland allein Wasseraufbereitungskosten in Höhe von mindestens 650 Millionen Euro pro Jahr.

Diese stolze Summe zahlst du nicht an der Supermarktkasse. Du finanzierst sie aber über deine Steuern beziehungsweise gibst die Rechnung für die Schäden an der Natur an spätere Generationen weiter. Denn selbstverständlich müssen die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Böden, das Klima und die Biodiversität berücksichtigt werden. In Wirklichkeit ist der konventionelle Apfel also mit allen anfallenden Schadenskosten deutlich teurer.

Konsum in umweltgerechte Bahnen lenken

Würden sich all diese externen Kosten im Preis wiederfinden, den du im Supermarkt siehst, hättest du einen wirtschaftlichen Anreiz, dein Konsumverhalten in sozial verantwortliche und umweltgerechte Bahnen zu lenken: Der Bioapfel wäre dann preiswerter als die konventionelle Alternative. Es braucht deshalb mutige gesetzliche Rahmenbedingungen, die dir bei deiner Entscheidung im Supermarkt helfen, eine nachhaltige Wahl – nicht nur für deinen Geldbeutel – zu treffen.

Das Thema Kostenwahrheit ist wichtig im Bereich von Lebensmitteln, umfasst aber auch alle Konsumgüter und Dienstleistungen. Hersteller und Anbieter, die die Umwelt zerstören oder Menschenrechte verletzen, sind bereits jetzt „ethisch insolvent“. Wären die durch sie verursachten Schäden Teil der Produktpreise, wären sie auch ökonomisch unter Druck. Wahre Preise würden Anreize setzen.

Ideen und Instrumente, wie wir zu wahren Preisen gelangen, liegen längst auf dem Tisch. Dazu zählen beispielsweise eine ehrliche CO2-Bepreisung sowie eine Abgabe auf Spritz- und Düngemittel oder auch auf Methan.

Dem System den Spiegel vorhalten

Wenn mehr Menschen ihre Entscheidungen im Supermarkt stärker an Nachhaltigkeitsaspekten orientieren können, werden das vor allem die Unternehmen spüren, die auf ein unreflektiertes „Weiter so“ setzen. Stellen wir uns vor, dass alle Schadenskosten in den Produktpreis einfließen: Nicht nachhaltige Produkte würden sich dann merklich verteuern, sodass du solche Produkte im Supermarkt öfter liegen lässt. Dadurch würden sich entsprechende Geschäftsmodelle perspektivisch als unrentabel erweisen. Darauf aufbauend könnten wiederum Subventionen und Steuern neu organisiert werden und die ganzheitliche Qualität von Produkten, Dienstleistungen und Herstellungsverfahren würdigen.

Das Szenario zeigt: Die grüne Transformation ist für nachhaltige Unternehmen eine echte Chance, für den Rest werden die Risiken eines „Weiter so“ enorm zunehmen. Deshalb werden sich auch Banken vermehrt mit den bisher versteckten Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Kundinnen und Kunden befassen müssen. Dafür müssen sie die Abhängigkeit der jeweiligen Firmenkund*innen sowie deren Einfluss auf ihre soziale und ökologische Umwelt in die Bonitäts- und Risikobewertung integrieren. Ein aufgeklärter Umgang mit diesen Nachhaltigkeitsrisiken ist der Weg für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Banken in einer Welt, die die planetaren Grenzen respektiert und das Gemeinwesen stärkt.

Das Potenzial gemeinsam entfesseln

Um die Schadenskosten eines Produktes oder einer Leistung vollständig einzupreisen, braucht es detaillierte Informationen über die Zusammenhänge und Auswirkungen unseres Handelns auf unsere soziale und ökologische Umwelt. Während für Klimaprozesse bereits viele Erkenntnisse vorliegen, stehen wir etwa bei der Bilanzierung von Biodiversität oder sozialen Aspekten noch am Anfang. Sobald die gesetzlichen Vorgaben klar sind und das gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch größer geworden ist, werden die bereits vielversprechenden Ansätze schnell weiterentwickelt. Das Potenzial ist da, wir müssen es nur noch gemeinsam entfesseln.

Wenn es uns gelingt, Kostenwahrheit herbeizuführen, kannst du in den Supermarkt gehen und deine Äpfel guten Gewissens einfach anhand des niedrigsten Preises auswählen.

Dieser Beitrag ist zuerst in leicht abgeänderter Form als Kolumne auf www.dup-magazin.de erschienen.

Wir sind neugierig: Was macht ihr demnächst im Supermarkt vor den Apfelregalen? Werdet ihr euch anders entscheiden? Oder kauft ihr sowieso nur Bioprodukte? Schreibt uns gerne in den Kommentaren!

Mit wahren Kosten beschäftigt sich auch dieser Blogbeitrag über den Gärtner Christian Hiß, der soziale und ökologische Folgekosten wirtschaftlicher Tätigkeiten berechnet.

Kategorien Transparenz

Jan Köpper leitet die Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Laura Mervelskemper. Er ist für Konzeption und Umsetzung der gesellschaftlichen Wirkungsmessung sowie der Übersetzung von Nachhaltigkeitsrisiken zuständig. Zudem arbeitet er in der Stabsstelle an der Integration von Nachhaltigkeit und Wirkung in sämtliche Kunden- und Steuerungsprozesse der Bank.

  1. Ellen Eifler

    Ich versuche immer (und immer mehr) ökologische , saisonale und regionale Lebensmittel zu kaufen und zu essen. Bei mir gib es nur Bioäpfel !

  2. Klaus Merckens

    Wir kaufen grundsätzlich nur Bio, wo möglich DEMETER.
    Das beschriebene Problem besteht auch bei vielen anderen Produkten. Ein weiterer Aspekt ist auch wichtig. Das DEMETER Bananen nur ca. die Hälfte von DEMETER Äpfeln kosten hat auch nichts mit den realen Kosten zu tun. Aufklärung und Verantwortliches Entscheiden beim Einkauf tut Not. Danke an die GLS und Danke an Jan Koeppner für den wichtigen Beitrag.

  3. Martin Ströter

    Vielen Dank Herr Koepper,
    wenn ich viele brauche pflücke ich die Äpfel bei meinem Schwager ( Biobauer) aus dem eigenen Gärtchen sind es viele Kräuter und Tees. Mir ist die Idee gekommen mit einem Permamaker oder Plakaten auf das Problem hinzuweisen.
    Super Artikel , hat mir sehr gefallen und auch ma wieder wach gemacht.
    Mit einem fröhlichen Gruß möchte ich Ihnen danken.. Martin Ströter / Langenhorster Str.18 / 42551 Velbert.
    P.S.: Eine Antwort würde mich freuen. martin-josef-stroeter@online.de

    • Jan Köpper

      Vielen Dank Herr Ströter, hab Ihnen bereits eine Mail geschickt und freue mich über einen etwaigen Austausch!

  4. Hallo Herr Köpper,
    vielen Dank für diesen tollen Artikel! Da sprechen Sie mir und vielen in unserem True-Price-Netzwerk aus der Seele! Es fehlen politische Rahmenbedingungen aber auch das Bewusstsein von Konsument:innen für wahre Preise. Wir haben mit Truesday Kaffee zu wahren Preisen auf den Markt gebracht. Externe Kosten, wie Klimawandel, Bodenverunreinigung, Wasserverschmutzung und Luftverschmutzung werden – sofern sie nicht vermieden werden konnten – eingepreist, reduziert und kompensiert. Über einen tiefergehenden Austausch mit Ihnen würde ich mich (auch als GLS-Bank-Kunde) sehr freuen!

  5. Schön theoretisch. Wer ist „wir“?

    Hallo Herr Köpper,

    vielleicht sollte es öfter überall brennen? Gerade habe ich den Kommentar eines Franzosen gesehen, dessen Haus abgebrannt ist. Er stand davor und meinte „das macht was mit mir“.

    Oha! Doch jetzt?

    Die Betroffenheit schafft es ja vielleicht, dass neu gedacht wird…

    Es gibt viele kleine Schritte und Akteure, die nahezu unbeachtet konsequent Gutes und Neues schaffen. Das Beispiel der vielen Müllsammler, die ohne Reklame einfach machen und eher zufällig entdeckt werden. Das ist toll. Ebenso die vielen Helfer der Flutkatastrophe und des Ukraine-Krieges. Chapeau!

    Was auch toll wäre, wenn es noch mehr Nachahmer gäbe. Tun ist gut.

    Ich mache auch was. Kunst mit Re-use Material, wie Pappe, alten Stoffen und Restholz.

    Was noch nicht klappt, ist das Wachküssen des gesamten Kunstmarktes und der Museen! Da bekomme ich keine einzige Reaktion. Und ich schreibe schon viele Institutionen und Galerien an.

    Ich mache weiter und verlasse mich nicht auf das „wir“.

    Vielleicht kann die GLS Bank ja eine neue Kunst-Aktion ins Leben rufen? Ich kann unterstütze gerne.

    Sustainability in Art.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Michael Otto Poschmann

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