Das Bild zeigt GLS Bank Vorständin Aysel Osmanoglu. Vor ihr sitzt eine andere Frau.

„Solidarität, Vielfalt und Liebe in die herrschende Ökonomie“

Unsere Wirtschaft ist ungerecht. Das muss sich ändern. Laut Umfragen ist das hierzulande die Meinung einer größeren Mehrheit. Die GLS Bank will diesen Wandel inspirieren und fördern, anknüpfend an ihren Gründungsimpuls von 1974.

Von Falk Zientz, GLS Bank

Anfang Januar 2023 trafen sich die Führungskräfte der GLS Bank zu einer Klausur. Einen Tag lang arbeiteten sie gemeinsam an der Umsetzung der neuen Strategie. Die Grundlagen dafür hatte bereits im letzten Jahr ein buntes Team von Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bereichen und Hierarchiestufen zusammengetragen. Zur Klausur legte die Geschäftsleitung hieraus ein Papier vor. Darin heißt es gleich zu Beginn: „Die aktuellen Krisen erfordern unser beherztes Handeln. Weltweit und in unserer direkten Umgebung bestimmen neben ökologischen zunehmend auch soziale Verwerfungen unser Leben. Wenn wir weiterhin aus Einzelinteressen heraus handeln, investieren und konsumieren, dann führt das zu Konflikten auf allen gesellschaftlichen Ebenen, bis hin zu den aktuellen Kriegen. Höchste Zeit, das Verbindende auch in der Ökonomie wahrzunehmen und zu stärken. Denn eine friedenschaffende Wirtschaftsweise ist möglich.“

In diese Richtung die Wirtschaft neu zu denken, das war der GLS Bank von Anfang an ein Anliegen. Bereits in der Satzung von 1974 geht es um gegenseitige Hilfe statt um Renditemaximierung.

Zweck der Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder und ihrer Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, rechtlich sozialem und kulturellem Gebiet. Das Ziel des Zusammenschlusses ist gegenseitige Hilfe, nicht die Gewinnerzielung für das einzelne Mitglied oder für die Genossenschaft. Wer Geld bei dieser Bank einlegt, tut dies in erster Linie mit Rücksicht auf den Geldbedarf anderer Mitglieder und um im volkswirtschaftlichen Interesse einen Ausgleich des Gesamtetats aller Mitglieder zu erreichen.

Satzung GLS Bank

Jetzt zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass ein Wandel der Ökonomie immer nötiger wird. Dazu die neue Vorstandssprecherin der Bank Aysel Osmanoglu, die nun auch für die Strategieentwicklung der Bank zuständig ist: „Wenn wir Solidarität, Vielfalt und Liebe in unseren wirtschaftlichen Beziehungen leben, dann hinterfragen wir damit auch die herrschende Ökonomie.“

In welche Richtungen es dabei gehen kann, das zeigen einige interessante Entwicklungen in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Bank:

  • Die Energiewende hängt ganz entscheidend davon ab, ob weitere Windkraft- und Photovoltaikanlagen gebaut werden können. Dazu Jakob Müller von der GLS Beteiligungsaktiengesellschaft: „In den 80ern war das eine technische Herausforderung, danach eine finanzielle – also ob sich die Anlagen rechnen. Mittlerweile geht es ganz entscheidend um die soziale Akzeptanz. Gegen die Menschen vor Ort können die Ausbauziele nicht erreicht werden.“ Ein Ansatz dazu ist Bürgerenergie, sodass Investor*innen vor Ort aus den Anlagen eine Rendite erhalten. Noch entscheidender für die Akzeptanz kann die Zusage der Betreibergesellschaft sein, einen Teil ihrer Umsätze dauerhaft für das Gemeinwesen vor Ort einzusetzen, etwa für die Vereine und deren Jugendarbeit oder für Freizeiteinrichtungen. Davon haben dann wirklich alle etwas.
  • Das Auto mit anderen Menschen zu teilen, war vor 30 Jahren, als die GLS Bank das erste Carsharing finanziert hat, hierzulande noch kaum vorstellbar. Mittlerweile gehören Sharing-Unternehmen zu den ganz Großen der globalen Wirtschaft. Einige GLS Kund*innen lassen das soziale Potenzial dahinter erahnen: Da ist etwa Fairnica, ein Mietservice für ökologische Mode, der regelmäßig auch zu Kleidertauschpartys einlädt – ein Einkaufserlebnis, das ein normaler Laden niemals bieten kann. Ganz aktuell sorgt die Mehrwegpflicht für einen Boom im Geschirrverleih. Unser Kunde reCup war dafür schon länger Trendsetter und ist nun mit seinen Bechern und Bowls gefragt wie nie. Hier geht es um Kreislaufwirtschaft zusammen mit allen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette.
  • Ökologisches Bauen war bislang oft teurer, auch wenn es sich langfristig durch geringere laufende Kosten rechnet. Wer bei Wohnprojekten und Ökodörfern mitmachen will, muss entsprechend viel Kapital mitbringen. Dass dadurch Menschen mit wenig Vermögen ausgeschlossen werden, will aber niemand. Entsprechend vielfältig und kreativ sind solidarische Lösungen. Was sich außerdem bewährt hat und Schule machen könnte, ist das Prinzip der Gemeinflächen, also gemeinsam genutzte Gärten, Gästezimmer und Freizeitbereiche. Weil die Einzelnen dadurch weniger Quadratmeter für sich brauchen, entlastet dies die Kosten und die Umwelt. Und besonders wichtig: Die Lebensqualität steigt durch das soziale Miteinander.-

Wenn ich dann mit einer solchen alternativen Story anfange, dann sieht mein Gegenüber schnell sein Weltbild infrage gestellt. Das kann ihn irritieren, aber hoffentlich auch inspirieren.

Aysel Osmanoglu

Solche Entwicklungen können Mut machen. Denn eigentlich sollte es in der Wirtschaft ganz um die Bedarfe von Menschen gehen, nicht um die Bedarfe von Unternehmen. Wenn der Sinn im Vordergrund steht, dann dient die Wirtschaft dem Menschen, nicht umgekehrt. Das Geld könnte sich wandeln zu einem Instrument, das die Verbundenheit von Mensch zu Mensch stärkt.

Dass eine solche Sichtweise auf Ökonomie einiges ins Wanken bringen kann, das hat Aysel Osmanoglu schon öfters erfahren. Sie ist immer wieder im Gespräch mit Vorständ*innen anderer Banken: „Wenn ich dann mit einer solchen alternativen Story anfange, dann sieht mein Gegenüber schnell sein Weltbild infrage gestellt. Das kann ihn irritieren, aber hoffentlich auch inspirieren.“

Was haben diese Fragen in der GLS Bank selbst ausgelöst? Ein Ergebnis ist der Fokus auf soziale Gerechtigkeit. Darum ging es auch in der bereits erwähnten Strategieklausur der Führungskräfte Anfang Januar. Die Finanzierungen sollen mit Blick auf soziale Teilhabe in allen Branchen ausgeweitet werden, bei weiterhin ambitionierten ökologischen Zielen. Welche sozialen Aspekte sind etwa für die Kreditvergaben in der ökologischen Landwirtschaft relevant? Welche für regenerative Energieprojekte oder für nachhaltige Immobilien? Die Bank ist dabei, ihre Wirkziele entsprechend weiterzuentwickeln, sodass auch die sozialen Wirkungen konkret nachvollzogen werden können. Gleichzeitig geht es um die Frage, wie der Zugang zur Bank für Menschen mit geringem und unregelmäßigem Einkommen ausgebaut werden kann. Ebenfalls wird das politische Engagement zu sozialen Fragen gestärkt. Die Bank hat sich bereits 2017 mit ihren ersten politischen Forderungen für die Besteuerung von Kapital und für die Entlastung von Arbeitseinkommen eingesetzt. In den Medien ist das auf ein ganz besonderes Interesse gestoßen, auch weil eine Bank ganz offensichtlich kein Eigeninteresse etwa an einer Vermögenssteuer hat. Außerdem werden Banken hinsichtlich Finanzthemen als kompetent angesehen. Wir sind also echt gefragt.

Indem wir in dieser Art unsere politischen Aktivitäten und gleichzeitig unser Bankgeschäft auf soziale Gerechtigkeit fokussieren, wird die besondere Wirksamkeit der GLS Bank sichtbar. Für die GLS Gemeinschaft mit allen Mitgliedern, Kund*innen und Partnerschaften bedeutet das mehr Verbundenheit, Solidarität und Vielfalt. Die aktuellen Krisen zeigen, wie wichtig all das in Zukunft sein wird. Vielleicht sogar wichtiger als Geld.

Was denkt ihr? Hinterlasst uns eure Gedanken und Meinungen im Kommentarfeld. Wir freuen uns über eure Beiträge.

Den kompletten Bankspiegel 2023/1 – “Die GLS Bank im Wandel”, kann man auch hier als PDF downloaden (2,3 Mbyte).

Weitere Artikel findest du im Bankspiegel 2022.

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19 Antworten zu „„Solidarität, Vielfalt und Liebe in die herrschende Ökonomie““

  1. Avatar von Johannes Priesemann
    Johannes Priesemann

    Man kann dies Ziel auch fördern, indem man sagt: Danke, dass Sie/für mich arbeiten oder …Du für mich arbeitest.

    Der alte Slogan Sinn vor Gewinn war übrigens besser als: Hier macht Ihr Geld Sinn. Geld macht keinen Sinn. Menschen nehmen es sinnvoll in die Hand. (…bald vielleicht nicht mehr, weil es ungreifbar wird. O b das sinnvoll ist?).

    Niemand arbeitet für Geld. Geld arbeitet für niemanden.

    Also: Danke, dass Ihr Euch gute Gedanken macht! Weiter so!

    1. Avatar von Raik-Michael Meinshausen
      Raik-Michael Meinshausen

      Richtig: Nix „macht“ Sinn. Sinn ergibt sich (oder nicht), z.B. durch Erkennen von Zusammenhängen, Gestalten von Möglichkeiten, etc.

  2. Avatar von Uwe Baumann
    Uwe Baumann

    Weiter so ! Diese Richtungs- Gedanken zu lesen tut gut ! Inbesondere die mögliche friedensschaffende Wirtschaftsweise halte ich für ein elementares Zukunftsbild.

  3. Avatar von Börries
    Börries

    Das Engagement der Bank ist klasse und so notwendig! Am Finanzmarkt wird viel entschieden, wie es mit unserer Welt weitergeht. Könnten Es könnten noch viel mehr Bereiche mit einbezogen werden!
    Ein paar Beispielsweise:
    – Wenn für jede Rüstungsinvestition eine Friedensinitiative ebenfalls aufgestockt würde, dann wäre es eine echte „Zeitenwende“!
    – Wenn zur aktuellen „Antriebswende“ hin zu Elektroautos die „Eigentumswende“ hinzukäme, dass es nicht immer mehr Autos werden – dann wäre etwas nachhaltiges geschafft!
    – Wenn die größten nicht-staatlichen Landbesitzer in Deutschland – die kath. und evang. Kirche – sich zu Kriterien entschließe würden, dass auf den verpachteten Äckern min. in Bio-Qualität angepflanzt werden muss – dann wären wir schnell besser aufgestellt!
    – Wenn zum aktuellen politischen Betrieb mehr und mehr die Fragen an die Bevölkerung gegeben werden – mit sachlicher Aufklärung, wie es zB in der Schweiz vor jeder Volksabstimmung mit dem Abstimmungsbüchlein geschieht, wo zu jeder Frage beide Seite je eine Buchseite mit ihren Infos bestücken kann – dann wären Entscheidungen wie zB Tempolimit auf Autobahnen sicherlich wesentlich schneller umsetzbar.
    – Wenn zu den notwendigen CO2-Reduzierungsbemühungen eine ernsthafte Offensive für mehr Biodiversität hinzukommt, dann gewinnen wir nicht nur eine Welt mit weniger Treibhausgasen, sondern eine echt nachhaltige Welt. Nur CO2 Reduktion mit immer weniger Insekten etc. bringt uns am Ende Zeit, aber keine nachhaltige Welt
    – Wenn es für Firmen endlich eine neue Rechtsform gibt, dass sie „in Verantwortungseigentum“ überführt oder bereits gegründet werden können, dann würde Kapital weniger bestimmend im Wirtschaftsgeschehen. Dann kommt Purpose vor Kapitalgewinn.
    – Als Brasilien mit 0:7 gegen Deutschland bei der WM 2014 verloren hatte, kam von einem Dozenten die Idee auf: Wenn die Deutschen Spieler ihre Gage (die sie bei ihren Gehältern sowieso nicht wirklich nötig haben), an brasilianische Sozial- und Umweltinitiativen spenden, dann wird ganz Brasilien im Finale für Deutschland sein. Leider kamen wir nicht bis zu Jogi Löw durch, auch weil Bekannte von Löw das ihm nicht weitergeben wollten.
    – Wenn Schülerinnen und Schüler eine echte Wahl der Schulform möglich wäre, so dass Schulen in privater Trägerschaft die gleichen finanziellen Vergütungen durch den Staat bekämen (die ja auch von den Eltern, die ihre Kinder auf solche Schulen geben durch Steuern bezahlt werden), dann würde eine gesunde Motivation für alle Schulen entstehen, ihr Portfolio ständig zu erweitern und die „Reichenschulen“ würdn sozial gerechter werden.

    In diesem Sinne – Ideen sind viele bereits da, gut, dass die GLS bereits seit Jahrzehnten ein verlässlicher Mitspieler für
    Sozial- und Umweltfragen engagiert. Bitte immer weiter mehr davon!

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