1991 hat die Freie Waldorfschule Gütersloh ein altes städtisches Schulgebäude bezogen – und aufwändig umgebaut. Schritt für Schritt wurde erweitert und saniert, gleich mit dem Ziel, Gas und Energiebedarf zu senken.
Es gibt wohl kaum eine energetische Sanierungsmaßnahme, die die Freie Waldorfschule Gütersloh in den vergangenen 20 Jahren nicht durchgeführt hat. Auf der Liste stehen neue Dächer, Dämmungen, dreifach verglaste Fenster, neue Türen, alles elektrisch und vom Handy aus steuerbar. Es gibt Belüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, ein Blockheizkraftwerk im Keller, eine Photovoltaikanlage. Das Flachdach des Hauptgebäudes trägt drei riesige Lüftungsgeräte, zwölf Meter lang, jeweils zwei Tonnen schwer. In jedem Schulraum wurden Anwesenheits- und CO2-Sensoren verbaut. Die einen schalten nach 45 unbewegten Minuten Licht und Lüftung aus, die anderen verstärken den Frischluftzustrom, sobald der Kohlenstoffdioxid-Anteil in einer Klasse zu hoch ist.
Einzug im laufenden Schulbetrieb
Das sagt der Mann, der drei Neubaumaßnahmen und drei Sanierungsprojekte gemeistert hat (und vom Handy aus, so sagt er mit einem breiten Schmunzeln, jedem Lehrer in seinem Raum die Luft abdrehen kann): Matthias Strehlow. Er ist 65 Jahre alt, arbeitete als Elektroingenieur in der Industrie und übernahm 1994 die Geschäftsführung der Freien Waldorfschule in Ostwestfalen. In der Anfangszeit schlüpfte diese unter das Dach ihrer Mutterschule in Bielefeld – bis Lehrkräfte und Schüler*innen fast aus allen Fugen quollen. Die Schulgründer*innen gingen auf Gelände- und Gebäudesuche. 1991 wurden sie – unter anderem nach Ausschluss einer denkmalgeschützten Schnapsfabrik in Isselhorst – fündig: Im laufenden Betrieb übernahmen sie die städtische Grund- und Hauptschule Gütersloh im Stadtteil Friedrichsdorf, inklusive Hausmeister. „Das war damals auch eine politische Entscheidung“, erklärt Strehlow. „Die Stadt wollte eine vielfältige Schullandschaft haben. Davon haben wir profitiert.“
Grundstück und Gebäude im Erbbaurecht
Die Waldorfschule erhielt Grundstück und Gebäude im Erbbaurecht, was bedeutete: relativ niedrige Zinsen. Dafür bestand bei den Gebäuden Handlungsbedarf. Nicht nur waren sie 1950, 1969 und in den 70ern erbaut und in die Jahre gekommen. Auch passten sie nicht dazu, „was uns als Schule auszeichnet und besonders macht“. 2001 stand fest:
Auf 1.000 Quadratmetern entstand ein Neubau mit Schmiede, Holzwerkstatt, Handarbeits- und Kunsträumen. Sechs Jahre später wurde klar: „Eine Aula wäre schön.“ Zu dem Zeitpunkt kam die GLS Bank ins Spiel. Sie ist bis heute Begleiterin und Finanzierungspartnerin der Schule, stand ihr bis zur jüngsten Sanierungsmaßnahme, der Turnhalle, zur Seite. „Die Schule agiert sehr zukunftsgerichtet und bezieht uns frühzeitig ein. So lerne auch ich bei jedem Termin dazu, wie sich ökologisches Bauen mit pädagogischem Anspruch verbinden lässt“, sagt Rolf Ansgar Müller, der die Schule seitens der GLS Bank betreut. Er freut sich vor allem über die partnerschaftliche Zusammenarbeit. „Wir können uns immer darauf verlassen, dass trotz aller Herausforderungen mit den anvertrauten Mitteln absolut verantwortungsbewusst umgegangen wird.“
„Hope the best and plan the worst“
Inmitten von Baulärm und Förderanträgen hält Matthias Strehlow Durchhaltevermögen und Dialogbereitschaft für essenziell. Seine wichtigsten Lerneffekte aus der Sanierung: ausführlich und solide planen, mit allen Beteiligten weit im Vorfeld sprechen und sich nicht unter Druck setzen (lassen). Seine zweite Erkenntnis: „Hope the best and plan the worst.“ Hoffe das Beste, plane das Schlimmste. Dieses Mantra hilft ihm vor allem bei der Akquise von Fördermitteln. „Es ist schon ein bürokratischer Irrsinn, wenn man öffentliche Zuschüsse haben will. Das ist das Gegenteil von Planungssicherheit. Man muss Mut haben und an seine Einschätzungen glauben.“
Im Rückblick auf die fast 20-jährige Umbauzeit war die Umsetzung der einzelnen Projekte nicht immer einfach, erweist sich aber heute umso mehr als richtig: Sie wirken in einem Maße gegen Erderhitzung und Klimakrise, wie es die Gesetzgebung jetzt erst anstrebt. Vorteile zeigen sich auch angesichts der Verknappung fossiler Energien und dem Preisanstieg in Folge des Ukrainekriegs. Zufrieden stellt Strehlow fest: „Wir stoßen jetzt sehr wenig CO2 aus.“ 1991 heizte die Schule mit zwei 500-Kilowatt-Gaskesseln, heute benötigen sie ein Viertel der Energie. Währenddessen ist die Raumfläche mit Werkstätten und Aula auf 6.000 Quadratmeter gestiegen.
Die aufwändige ökologische Sanierung der Waldorfschule sichert den pädagogischen Anspruch für die Zukunft.
Der heutige Wärmebedarf entspricht einem Viertel gegenüber dem Stand vor der Sanierung, trotz des Anstiegs der Raumfläche.
Der sukzessive Aus- und Umbau ermöglicht ein ganzheitliches und kostenintensives Konzept.
Kooperationen ermöglichen Sanierungsschritte
Ohne Kooperationen hätte sich die Freie Waldorfschule Gütersloh nicht derart entwickeln können. Kommune, Bezirksregierung, Versicherer, Banken – jeder Partner ermöglichte Sanierungsschritte. Für die Verbundenheit zur Stadt ist die Aula von zentraler Bedeutung. Sie steht ganz Friedrichsdorf als Versammlungsort offen. Dort finden städtische Veranstaltungen und Wahlen statt, die Vogelfreunde treffen sich, die Freiwillige Feuerwehr feiert ihr Jubiläum.
Welche Pläne die Waldorfschule als Nächstes verfolgt, lest ihr in unserem Gespräch mit Geschäftsführer Matthias Strehlow. Er teilt darin auch spannende Erkenntnisse zum Thema Belüftungsanlagen.
Dieser Text ist im Sinnmacher 2023 / 1 erschienen. Du möchtest über unsere Sinnmacher-Beiträge informiert werden? Dann abonniere unseren Newsletter für Firmenkund*innen und erhalte neben wissenswerten Informationen auch unser Magazin für Geschäftskund*innen.
Mehr Informationen aus unserer Branche Bildung und Kultur gibt es auf unserer Webseite.
Du möchtest in die Zukunft investieren? Dann ist unser Blogbeitrag zum Kinder Perspektivenfonds vielleicht von Interesse für dich.
Schreibe einen Kommentar