Mobilität neu denken: Henning Zirkel läuft jeden zweiten Tag zur Arbeit

Mobilität neu denken: Warum rollen, wenn ich auch laufen kann?

Mit dem Ausklingen der Pandemie sind die Blechlawinen zurückgekehrt, die täglich in unsere Städte rollen und Lebensräume zuparken. Auch der kleine Parkplatz vor der Hauptverwaltung der GLS Bank in Bochum füllt sich wieder, nachdem er zwei Jahre fast völlig verwaist war. Wie schade, denke ich – und bin umso faszinierter, als ich mit Kollege Henning über seinen Weg zur Bank spreche: Er joggt jeden zweiten Tag zehn Kilometer, sowohl hin als auch zurück. Er denkt Mobilität so: Warum rollen, wenn ich auch laufen kann? 

Ohne Zweifel: Persönliches Miteinander ist kostbar und wichtig, im Beruf wie in der Freizeit. Doch unsere Alltagsmobilität verbraucht viel Primärenergie (siehe Grafik) und unser aller CO2-Budget. Dies im Kopf, steckten Ende 2022 einige Mitarbeitende der GLS Bank die Köpfe zusammen, um die Mobilität der ganzen Belegschaft neu zu denken. Wir sammeln Geschichten – wie die von Henning, um mit den Menschen in unserem Umfeld die Verkehrswende, die wir uns wünschen, Wirklichkeit werden zu lassen.

In der GLS Bank gibt es viele Angebote, die gute Alternativen zum eigenen Autofahren sind: Wir werden das DeutschlandTicket für alle Mitarbeitenden einführen, inklusive Fahrradmitnahme bei Bedarf. Wir verfügen über eine eCar- & Bikesharing-Flotte, die beruflich wie privat rund um die Uhr per App zur Verfügung steht. Wir können JobRad nutzen und unsere Räder stehen unter rund 50 überdachten Radstellplätzen. Es gibt zwölf Ladesäulen für Elektroautos mit Ökostrom an der Bochumer Bank, alle sind mit dem von GLS Mobilität entwickelten Giro-e Bezahlmodell kinderleicht zu bedienen.

Aber die größte Fülle von Angeboten nützt nichts ohne den eigenen entschlossenen Willen zum substanziellen Wandel. Sei es für sich selbst oder für eine gesellschaftliche Gruppe. Als GLS Gemeinschaft setzen wir Zeichen, indem wir zum Beispiel gut 24 Parkplätze für einen neuen Kindergarten aufgeben werden. Darüber gab es keine Diskussionen und auch keinen Zweifel. Denn bei uns haben Kinder und die Bejahung des Lebens stets Vorfahrt.

Von einem Menschen mit einer definitiv starken eigenen Entschlossenheit will ich euch aber nun berichten: Henning Zirkel, mein Kollege in der Bank, hat bereits viele Menschen inspiriert, ihre Mobilitätsgewohnheiten in Frage zu stellen. Vielleicht bewegt seine Geschichte euch ja auch.

Henning Zirkel aus der Baufi: Jeden zweiten Tag zur Arbeit laufen

Wahrscheinlich wissen viele von uns, dass wir eigentlich mehr tun könnten: mehr für uns selbst, mehr fürs Klima und mehr für unsere Mitmenschen. Will man einen Menschen in der Bank treffen, der nicht nur beim Laufen, sondern auch für sich selbst solche Vorsätze schneller umsetzt, als man gucken kann, so ist das Henning Zirkel aus unserer Baufinanzierung. Denn seit 2021 joggt Henning jeden zweiten Tag zehn Kilometer zur Arbeit und wieder zurück. Selbst inspiriert und motiviert durch einen GLS Kollegen, veränderte Henning damals sein Mobiltätsverhalten grundlegend. Er etablierte eine neue Routine für sich und seine Familie, die ihm und dem Klima nützt. Denn auch 2023 gilt für die Mobilität: je weniger Schnick-Schnack, desto weniger Primärenergie und graue Energie wird verbraucht. Kein Sektor in Deutschland verbraucht mehr – meist fossile Energie – als alltägliche Mobilität beim Pendeln.

Henning Zirkel zieht sich Laufklamotten an.

27.02.2023 | 6.30 Uhr | – 4°C

Wie immer gut gelaunt wirft sich Henning, der seit über 16 Jahren für die GLS Bank arbeitet, in die am Abend zuvor zurechtgelegten Laufsachen. “Diese Vorbereitung ist wichtig für mich”, sagt der 45 Jahre alte Familienvater von drei Kindern. “Die Laufsachen müssen bereitliegen, damit ich morgens den inneren Schweinehund überwinde, egal wie kalt und schlecht das Wetter ist.” Danach geht es los in die dunkel-blaue Dämmerung, die den Frühling ankündigt.

Henning Zirkelläuft an einer Straßenbahn vorbei.

6.47 Uhr | – 4°C | Kilometer 3

Vorbei am noch ruhigen Treiben geht es über leere Radwege aus Langendreer heraus Richtung Natur. Henning versucht, im Alltag möglichst aufs Auto zu verzichten, zum Leidwesen seiner Kinder, die er fast ausschließlich zu Fuß von der Schule abholt. “Ich habe große Freude, alles zu tracken und festzuhalten. Im laufenden Jahr habe ich bislang nur zweimal das Auto zur Bank genommen,” erzählt der begeisterte E-Mobilist und Lastenrad-Nutzer.

Henning Zirkel läuft an Feldern entlang.

6.57 Uhr | – 4°C | Kilometer 4

“Durch meine Zeit in Afrika habe ich bemerkt, wie wenig wir hier unsere Zeit noch im Freien verbringen. Man sieht kaum noch Menschen im Stadtbild. Als der ÖPNV vor Kurzem streikte, waren die Radwege voll mit Menschen, die zur Arbeit radelten. Ich wünsche mir, dass uns wieder bewusst wird, wie kostbar Zeit in Freiem und in Bewegung ist. Für uns und für unsere Umwelt”, erzählt er, während hinter reif bedeckten Feldern langsam die Sonne aufgeht.

Henning Zirkel erreicht den Eingang der GLS Bank in Bochum.

7.29 Uhr | – 3°C | Kilometer 10

“Sitzen ist das neue Rauchen.” Ein Satz, der von den Krankenkassen seit Jahren gepredigt wird, hat durch die mobile Arbeit – bei allen segensreichen Effekten – für alle von uns neue Relevanz gewonnen. Menschen bewegen sich zu wenig, bekommen zu wenig Tageslicht, und die Folgen sind oft chronische, körperliche und seelische Leiden. Henning startet seinen Tag bereits vor der Arbeit mit gut 10.000 Schritten: “Motiviert, das zu tun, hat mich ein rauchender Kollege, den ich bis dato nicht unbedingt mit sportlichen Ambitionen in Verbindung gebracht hatte. Bis er mir erzählte, dass er fast täglich zur Arbeit läuft und dabei für einen Marathon trainiert. Da dachte ich mir: Wenn er das kann, schaffe ich das auch.” Und so war es.

Henning Zirkel steht am Spind und kann eine Dusche in der Bank nutzen.

7.32 Uhr | 21°C

Viele in der Bank wissen nicht, dass die Christstraße 7 und auch das Bankgebäude 9 über Duschen und Spinde verfügt. Dort gibt sich morgens das Who-is-Who der GLS Urgesteine den Duschkopf in die Hand. Könnt ihr euch, wenn ihr zu spät ins Meeting kommt, eine bessere Entschuldigung als diese vorstellen? “Ich musste leider noch darauf warten, dass unser Vorstand die Dusche frei machte.” Dass es hauptsächlich Männer sind, die dieses Angebot nutzen, mag auch daran liegen, dass die Räumlichkeiten doch sehr eng und begrenzt sind. Sie erinnern an den familiären Geist der GLS Bank in ihrer Anfangszeit, als sie noch deutlich kleiner war als heute. Eine Modernisierung der Sanitärräume unter Berücksichtigung der Genderperspektive ist sicherlich ein guter zukünftiger Schritt.

Henning Zirkel steht in seinem Büro in der Bank.

7.45 Uhr | 20°C

Henning Zirkel betritt sein sonnendurchflutetes Büro in der 5. Etage der Christstraße 9, wo zahlreiche Kollegen bereits freundlich grüßen und am Werk sind. Während Henning sich anmeldet erzählt er von früher: “Vor zehn Jahren wollte ich unbedingt mit dem Rad in die Bank kommen. Da waren wir so wenige, dass mir unsere Haustechnik einen ganzen Vollholzkleiderschrank in eine Abstellkammer gezimmert hat. Damals hatte auch noch niemand Laptops.” Die Zeiten sind vorbei. Aber die Herausforderung, Begegnungen in der Bank durch eine Mobilität zu ermöglichen, die den Menschen und der Natur dient, ist geblieben. Denn nichts verbraucht in Deutschland mehr Primärenergie als Mobilität – meist zum Arbeitsplatz. Alleine ein Liter Benzin oder Diesel verschlingt dabei zehn Kilowattstunden an Primärenergie, und für die Erzeugung kommt mehr als Doppelte hinzu.

Henning Zirkel sitzt an seinem Schreibtisch.

17 Uhr | – 2°C

Das weiß auch Henning Zirkel, der a) sich seit Jahren überlegt, wie er seinen persönlichen CO2-Fußabdruck optimieren kann, und b) vieles dafür ausprobiert hat. Inzwischen ist es 17 Uhr. Henning ist bereit für die Strecke zurück. Auf dem Heimweg läuft er häufig Umwege, um den Kemnader See zu genießen oder neue Stadtviertel zu erkunden. “Normalerweise höre ich beim Laufen Hörbücher und Podcasts. Das hilft insbesondere bei schlechtem Wetter, motiviert zu bleiben. Ich laufe und erfahre dabei viel Neues.”

Henning Zirkel läuft an einem See vorbei.

17.49 Uhr | – 1°C

Während die Felder und Gewässer an ihm vorbeiziehen, denkt Henning – wenn er keine Stöpsel im Ohr hat – häufig auch an sein Schulbauprojekt in Mali, das er seit vielen Jahren begleitet. Da sich die Sicherheitslage in Mali kontinuierlich verschlechtert hat, konnte Henning seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr vor Ort sein…

Henning Zirkel erreicht sein Zuhause.

18.10 Uhr | – 1°C

Kurz nach 18 Uhr: Nach einer Runde “langsam auslaufen” und einer Strecke von über elf Kilometern ist Henning wieder zuhause. “Das Tolle beim Laufen ist, dass ich quasi fast jeden Tag auf die gleiche Minute ankomme. Einen solchen beständigen Rhythmus habe ich bislang mit kaum einem anderen Verkehrsmittel erlebt.”

Fazit: Entdecke den Henning in dir!

Können oder wollen wir alle zur Arbeit joggen? Nein. Aber können und dürfen wir uns fragen, ob die Routinen, die wir seit Jahren unhinterfragt verinnerlicht haben, weiter richtig für uns und unsere Umwelt sind? Ja! Wenn die Corona-Zeit eines bewiesen hat, dann Folgendes: dass sich mit jedem Tag die Welt plötzlich ändern kann und vieles möglich wird. Wenn wir es zulassen und anpacken. Also entdecke auch du den Henning in dir. Gewinnen kannst du neue Perspektiven, Fitness, ein neues Erleben der alter Umgebungen. Henning zeigt: Es gibt viele Wege, freudig, fit und klimafreundlich zur Arbeit zu kommen.

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  1. Oliver Schmitt

    Danke für den tollen Artikel, der sehr motivierend ist. Positive Beispiele funktionieren doch am besten, das zieht sich durch all Eure Blog-Beiträge. Die TWh-Grafik am Anfang ist ziemlich eindeutig und zeigt das Potential das da schlummert. Als ÖPNV-Nutzer bin ich so halb auf der “guten” Seite, denn die U-Bahn fährt ja auch nicht “sowieso”. Zum Glück kann ich öfter von Zuhause arbeiten, dann trifft mich allerdings das “neue Rauchen”. Noch viel zu tun…
    Schöne Grüße

    • Lieber Oliver,
      ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine Rückmeldung. Freut mich auch, dass Dir die Grafik gefällt, die ich zusammengebaut habe. Ich finde auch, dass sie eindrucksvoll zeigt wie viel Primärenergie aktuell für Mobilität verwendet wird und wie wichtig es ist hier zu einer echten Verkehrswende und weg von jeder Form des Verbrennungsmotors zu kommen. Die Zeit drängt und eigentlich gäbe es genug moderne Technik, Share-Economy, und Verkehrskonzepte. Alleine es fehlt der politische Wille im Verkehrsministerium. Möge sich dies hoffentlich bald ändern.

      Übrigens kennst Du schon unser GLS Bank Mobilitätsteam? Die mache eine ganze Reihe von zukunftsweisenden Projekten zu dem Thema: https://www.gls-mobilitaet.de

  2. Wie im Beitrag anschaulich dargestellt, stehen uns oft nur Routinen (Gewohnheiten) im Weg. Vieles ginge auch einfach anders. Wenn man die große Masse statt nur Einzelne zu Veränderungen veranlassen will, muss man aber die Rahmenbedingungen verändern. Das ist Aufgabe der Politik. Gerade beim Verkehr sehen wir aber einen Mangel an politischem Willen – und das schon sehr lange. Der Verkehrsbereich trägt chronisch gar nichts zu den deutschen Klimazielen bei. Der aktuelle Verkehrsminister Wissing will allen Ernstes den Bau von Autobahnen beschleunigen und den Warentransport per LKW attraktiver machen. Ich halte das für vollkommen aus der Zeit gefallen und unterstütze daher die Rücktrittsforderung von Fridays for Future: https://weact.campact.de/petitions/verkehrsminister-wissing-treten-sie-zuruck-1?from_action_confirmation=true

    • Lieber Jan,
      herzlichen Dank für Deinen Kommentar :). Freut wenn er Dir gefallen hat. Und herzlichen Dank für Deinen politischen Impuls und das Teilen der Kampagne. Die hatte ich tatsächlich schon unterzeichnet ;-).

      Ich zähle ja die Tage bis wir mal eine fachkompetente, moderne Verkehrsministerin bekommen, die mal für Bewegung, statt für fossile Steinzeit sorgt.
      Herzliche Grüße, Patrick

  3. Lieber Dietmar,
    ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich verstehe Deine Assoziation in der Überschrift. Ich glaube niemand will von uns technologisch “Vorwärts in die Vergangenheit”. Aber die Idee dieses Artikels ist es ja Menschen zum Nachdenken zu bringen und zwar über das was wir als ‘gegeben’ akzeptieren. Die Art und Weise wie wir aktuell gesellschaftlich leben ist nicht nachhaltig und somit ist die Überschrift der Versuch Menschen kurz zu irritieren, um sie zum Nachdenken über die eigene sinnvolle Gestaltung ihrer Mobilität anzuregen. Denn vieles was wir einfach so akzeptieren muss nicht so sein, wenn wir den Mut haben die Welt anders und für alle Menschen besser zu gestalten.
    Herzliche Grüße aus Bochum,
    Patrick

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