Kollage aus Sprechblasen in divesen Formen und den Farben gelb, pink und flieder vor dunkelblauem Hintergrund

Demokratie: Vielfalt der Meinungen

Schwerpunktthema |

von Hannah El-Hitami

„Sprechen & Zuhören“: der Name des Projekts klingt erst einmal ganz banal – wie etwas, das wir tagtäglich tun, ohne weiter darüber nachzudenken. Aber wie oft kommt es eigentlich vor, dass wir in Ruhe unsere Gedanken aussprechen können, ohne dabei unterbrochen zu werden? Und wann hören wir anderen wirklich zu, ohne uns dabei schon Kommentare oder Argumente zurechtzulegen? Vor allem bei polarisierenden Themen sind die Fronten oft so verhärtet, dass es schwerfällt, sich auf ein Gegenüber mit einer ganz anderen Meinung einzulassen.

Genau an diesem Punkt setzt das Projekt „Sprechen & Zuhören“ vom Verein Mehr Demokratie e. V. an, das von der GLS Bank gefördert wird. Online oder vor Ort in verschiedenen Städten Deutschlands bietet es ein „urteilsfreies, wohlwollendes Gesprächsformat, bei dem Menschen ihre Perspektive auf ein Thema zur Sprache bringen können, während andere zuhören, ohne zu bewerten“, erklärt Katharina Göring, die regelmäßig Veranstaltungen von „Sprechen & Zuhören“ in Ostdeutschland moderiert. Sie bezeichnet sich selbst als „Wendekind“ und ist Mitbegründerin des Vereins „3te Generation Ost“, der die Perspektiven der in der DDR geborenen und in der Nachwendezeit aufgewachsenen Generation sichtbar macht. Auch in ihren Gesprächsrunden für „Sprechen & Zuhören“ beschäftigt sie sich oft mit mit den Erfahrungen der Wende- und Nachwendezeit und der Deutschen Einheit.

Neues ausprobieren

Zu den Terminen, zu denen Mehr Demokratie einlädt, kommen in der Regel zwischen 30 und 60 Menschen zu unterschiedlichen Themen zusammen. Fast immer sind es Themen, die die Gesellschaft umtreiben und polarisieren – ob Covid oder Migration, 35 Jahre Wiedervereinigung oder lokalpolitische Entscheidungen. Die wichtigste Regel ist, dass jedem und jeder bedingungslos zugehört wird. Die Teilnehmenden werden in Kleingruppen aufgeteilt und bekommen eine Frage, auf die sie abwechselnd vier Minuten lang antworten dürfen. Die anderen hören einfach nur zu – ohne Nachfragen, Gegenargumente oder auch nur ein Kopfschütteln. Insgesamt gibt es drei Runden.

Katharina Göring erlebt dabei immer wieder, wie Menschen, die sich fremd waren und sich vielleicht sogar suspekt beäugt haben, aufeinander zugehen und weiterreden wollen. „Das ist eine ganz verbindende, glücklich machende Gesprächssituation“, berichtet sie aus ihrer Erfahrung mit den Teilnehmenden. „Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihnen sonst nie richtig zugehört wird.“

Der Blick fällt von erhöhter Position auf einen Veranstaltungsraum in dem viele Menschen in Vierergruppen zusammensitzen.
Bei der Veranstaltung „Sprechen & Zuhören“ kommt jede*r zu Wort, ohne unterbrochen zu werden (Foto: Mehr Demokratie e.V.)

Aushalten lernen

Damit die Teilnehmenden ihre vier Minuten Sprechzeit nicht für Vorwürfe oder Debatten nutzen, lädt Katharina Göring mit ihren Moderationsfragen zum Erzählen über die eigene Erfahrung und Gefühlswelt ein. Eine Frage könnte beispielsweise lauten: „Wenn ich auf 35 Jahre Einheit blicke – wie geht es mir damit?“ Das sorge dafür, dass Menschen ganz anders in Kontakt kommen: „Sie sehen, dass da ein Mensch mit Gefühlen vor ihnen sitzt, auch wenn er eine ganz andere Meinung hat.“ Das bedeutet nicht, dass die Gesprächsrunden immer harmonisch verlaufen. Oft werden Menschen wütend oder traurig, manchmal fließen Tränen. „Es sind Themen, die betroffen machen“, sagt Katharina Göring. „Aber bei Sprechen und Zuhören lernen wir das auszuhalten und – auch wenn es anstrengend ist – sitzen und im Gespräch zu bleiben. Das ist gelebte Demokratie.“

Raum für Vielfalt

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