Der Klimawandel stellt die Biolandwirtschaft vor Herausforderungen. Sortenvielfalt ist ein Schlüssel, um auf sich wandelnde Anbaubedingungen zu reagieren. Schon im Zuchtprozess zeigt sich Vielfalt als entscheidender Faktor.
von Christiane Langrock-Kögel/Kombuese
Seine Zeit ist der Herbst, sein Wachstum beginnt erst nach dem Sommer. Doch dann reckt er sich bald runde 130 Zentimeter in die Höhe. Beeindruckend, seine Charaktereigenschaften: Der Winterdinkel „Gletscher“ ist ein echter „Weißkorntyp“, „top gesund in Ähre und Blatt“, zudem „standfest, ertragsstark und auswuchsfest“. Seine Kleberbeschaffenheit: wunderbar weich. Auch die Mehlausbeute kann sich sehen lassen, so lässt sich auf dem agronomischen Datenblatt nachlesen. Seit seiner Zulassung 2018 wird Gletscher auf vielen Biofeldern angebaut. Gezüchtet hat ihn GLS Kundin „Getreidezüchtung Peter Kunz“, kurz gzpk. Seit 40 Jahren entwickelt der gemeinnützige Schweizer Verein Nutzpflanzen für den Ökolandbau. Damit arbeitet die gzpk an nichts Geringerem als an einer sicheren Zukunft für die gesamte Branche. Vielfalt zu schaffen, das ist das erklärte Ziel – denn in der Biolandwirtschaft ist Sortenvielfalt ein wichtiger Schlüssel zu Resilienz. Vereinfacht gesagt: Je mehr Sorten für unterschiedliche Böden und Klimabedingungen zur Verfügung stehen, desto besser lassen sich Standortunterschiede ausgleichen, Pflanzen gegen Krankheiten schützen und Dürre und Starkregen begegnen. Der Vorteil der Biosorten kommt bei Extremwetter besonders zum Tragen.
Saatgutfonds
Der Saatgutfonds der GLS Zukunftsstiftung Landwirtschaft unterstützt die Forschung und Entwicklung von Sorten für den ökologischen Landbau. Die Pflanzen werden unter ökologischen Bedingungen angebaut, sind nachbaufähig, bieten besten Geschmack und Nahrungsqualität. Sie tragen entscheidend zu einer eigenständigen Ökozüchtung bei – ohne Gentechnik und Patente. Jede Spende hilft, die Ökozüchtung zu stärken und die Vielfalt zurück auf den Teller zu bringen.
Vielfalt gibt Sicherheit
Der Dinkel Gletscher ist ein Baustein für mehr Vielfalt auf den Bioackern. Er gehört ins Portfolio der neun Dinkelsorten der gzpk, die sich bereits im Anbau oder noch im Zulassungsprozess befinden. Dazu kommen elf Weizensorten mit klingenden Namen wie „Rote Zora“ und eine Emmer-Sorte namens „Sephora“. Jede dieser Sorten wurde in jahrelanger Kreuzungsarbeit in verschiedenen Zuchtgärten entwickelt. Eine der beiden Geschäftsführerinnen der gzpk ist die Ökonomin Monika Baumann. Mit einem 20-köpfigen Team – mehr Frauen als Männern – arbeitet sie am Stammsitz im schweizerischen Feldbach. Die Felder reichen bis ans Ufer des Zürichsees, der Blick ist postkartenschön: wogende Getreidehalme vor Wasser, am Horizont schneebedeckte Alpen. „Saatgut ist die erste Voraussetzung“, sagt Baumann. „Nur eine Vielfalt an Sorten kann der Biolandwirtschaft Sicherheit geben. Aber sie entsteht nicht von allein. Wenn wir sie nicht weiterentwickeln, verschwindet sie.“
Ein bis drei neue Sorten meldet die gzpk pro Jahr für den drei Jahre dauernden Zulassungsprozess an. Manche bewähren sich und erreichen den Anbau, manche nicht. Die Züchtung bedeutet aufwendige Handarbeit auf dem Acker, nicht im Labor. Auf ihren eigenen und den Feldern von Partnerhöfen kreuzt das Züchtungsteam Kulturpflanzen, um deren Eigenschaften in einer neuen Sorte zusammenzuführen. Dinkelzüchterin Catherine Cuendet leitet den deutschen Standort der gzpk im hessischen Ort Meißner. Sie beschreibt die Züchtung als „Kommunikationsprozess zwischen Pflanze und Mensch“.
Radical Transformation: Buch zu gewinnen!
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Raum für Vielfalt

Vielfalt steht unter Druck, obwohl eine artenreiche Natur, eine diverse Gesellschaft und eine vielseitige Wirtschaft unverzichtbare Lebensgrundlagen bilden. Die GLS Bank schafft Raum für Vielfalt – nicht erst jetzt, aber jetzt erst recht. Unser Schwerpunkt zeigt, wo es schon gelingt und wo Herausforderungen liegen.
Er beginnt mit dem Kennenlernen bestehender Sorten. Pflanzen mit besonderen Eigenschaften werden in Zuchtgärten angebaut – auf dem Boden, auf dem sie sich später bewähren müssen. Mit der Vielfalt ihrer Partnerhöfe deckt die gzpk ein breites Spektrum an Lagen, Böden und klimatischen Bedingungen ab. Die Kreuzung brauche Fingerspitzengefühl und Geduld, sagt Dinkelexpertin Cuendet über ihre Arbeit. Viele Jahre lang sät sie die gekreuzten Sorten aus, untersucht sie auf Robustheit und Standfestigkeit, auf Wachstum und Ertrag. Schrittweise reduziert sie die Auswahl, am Ende bleiben ein bis zwei Kandidatinnen für die Zulassungsprüfung übrig. „Es ist ein bisschen wie in der Schule: Jedes Schuljahr gibt es Erstklässlerinnen und Abgängerinnen. Auch wir starten in jedem Jahr mit neuen Sorten, während andere bereits zugelassen werden“, sagt Geschäftsführerin Baumann. „So stellen wir uns auf wandelnde Umweltbedingungen und die Bedürfnisse unserer Partnerinnen und Partner ein.“


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Doch Vielfalt auf dem Acker ist kein Selbstläufer. „Sie macht die Abläufe komplizierter, sie kostet extra – wir können uns Vielfalt auf dem heutigen Markt eigentlich gar nicht leisten“, sagt Züchterin Cuendet. „Die Entwicklung biologischen Saatguts finanziert sich nicht selbst“, ergänzt Monika Baumann: „85 Prozent unseres Budgets müssen wir jedes Jahr neu auftreiben – nur 15 Prozent kommen durch den Saatgutverkauf zurück.“ Die gzpk wird seit vielen Jahren aus dem Saatgutfonds der GLS Zukunftsstiftung Landwirtschaft gefördert. „Was wir tun, ist weit mehr als ein Bewahren von Sorten“, erklärt Cuendet. „Mit den Erkenntnissen aus Vergangenheit und Gegenwart verändern wir die Pflanzen und führen sie in die Zukunft.“
Trotz der langwierigen Prozesse und der finanziellen Unsicherheit – was motiviert die beiden Frauen? Viele Optionen zu haben, um eine interessante Vielfalt zu gestalten, das treibe sie an, sagt Catherine Cuendet. „Es ist einfach befriedigend, einen nachhaltigen Beitrag für eine gesunde Zukunft zu leisten“, antwortet Monika Baumann. „Die Entwicklung von Kulturpflanzen ist ein Dienst an der Gesellschaft.“
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