Das Foto zeigt Karsten Kührlings im Gespräch mit einer weiteren Person, die mit dem Rücken zu uns steht.

Finanzmarkt: Was geschieht mit unseren nachhaltigen Idealen?

Karsten Kührlings

Als Geschäftsführer der GLS Investments verantwortet Karsten Kührlings unter anderem das Investmentfondsgeschäft sowie das Nachhaltigkeitsresearch.

In der Finanzwelt sind Investitionen in Nachhaltigkeit unter Druck geraten. Was die Ursachen dafür sind, darüber haben wir mit Karsten Kührlings von der GLS Investment Management gesprochen.

Lange Zeit war Nachhaltigkeit das Leitthema der Finanzbranche – ob durch ESG-Kriterien, die EU-Taxonomie oder neue regulatorische Vorgaben. Doch im Jahr 2025 ist die Euphorie spürbar abgeflaut. Geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Gegenwinde und komplexe Regularien haben ihre Spuren hinterlassen. An den Märkten erleben klassische nachhaltige Branchen wie erneuerbare Energien teilweise deutliche Rücksetzer, während Industrien wie die Rüstungsbranche wieder an Bedeutung gewinnen.

Was bedeutet diese Entwicklung für nachhaltige Investments? Ist das Thema nur in der öffentlichen Wahrnehmung unter Druck geraten – oder auch in seiner Substanz? Wie sollten Anlegerinnen und Anleger jetzt reagieren? Und vor allem: warum nachhaltige Investments langfristig unerlässlich bleiben.

Warum sinkt das Interesse an Nachhaltigkeit und somit auch an nachhaltigen Produkten im Finanzmarkt?

Ich glaube, es geht gar nicht so sehr um Interesse, sondern vielmehr um das Umfeld, das sich drastisch verändert hat. Ich sehe drei große Bewegungen. Die erste ist politisch. Da haben sich Prioritäten und Narrative verändert, durchaus verständlich in Anbetracht von Krieg und transatlantischen Spannungen.

Die zweite Bewegung bezieht sich auf die ökonomische Under-Performance, die viele typisch nachhaltige Branchen insbesondere im vergangenen Jahr erleben mussten. Nach Corona gab es eine Erholungsbewegung bei Kreuzfahrtgesellschaften, Fluggesellschaften, aber auch der Bankbereich hat mit dem Anstieg der Zinsen profitiert. Das sind nicht unbedingt die typisch nachhaltigsten Branchen. Im Gegensatz dazu haben stark fremdfinanzierte Bereiche, zu denen auch die Energieinfrastruktur und die erneuerbaren Energien gehören, verloren. Da gab es deutliche Kursverluste.

Die dritte Bewegung am Finanzmarkt resultierte daraus, dass in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in den USA investiert worden ist, insbesondere in groß kapitalisierte Unternehmen und die Technologiebranche. Weniger Geld floss in europäische Unternehmen, in Mittelständler und in kleine Unternehmen. Genau die sind aber häufig die nachhaltigen Pioniere. Zum Glück haben wir im ersten Halbjahr eine Gegenbewegung gesehen: Europäische Aktien sind beliebter und internationalen Investoren entdecken Europa neu.

Zusammengefasst heißt das aber, dass wir in der Finanzwelt Anomalien gesehen haben, die den nachhaltigen Investments nicht gutgetan haben.

Und hinzu kommt noch die Regulatorik, besser gesagt eine große Regulatorik-Welle beim Thema nachhaltige Finanzen. Regulatorik wurde schon fast mit nachhaltigen Finanzen gleichgesetzt. Ich glaube, da ist vieles falsch gelaufen. Die Regulatorik ist zu komplex, in Teilen fehlgeleitet und auch für viele Menschen nicht mehr verständlich.

Sind denn nachhaltige Investitionen – auch aus Sicht der Anleger*innen – dennoch sinnvoll?

Wir sind als Tochterunternehmen der GLS Bank davon überzeugt, und das aus ganz einfachen Gründen: Wenn wir darauf schauen, was die wirklichen Risiken sind, die uns als Menschen bedrohen, dann sind das vor allem ökologische Probleme und Herausforderungen. Ich nenne hier als Stichworte die Klimakrise und Verlust der Biodiversität. Aber generell sind die planetarischen Belastungsgrenzen in vielen Bereichen überschritten, und das bedeutet, dass Geschäftsmodelle, Volkswirtschaften, aber auch unsere Gesundheit bedroht sind.

Was wir also brauchen, sind andere Geschäftsmodelle und eine andere Form von Wirtschaften. Wir streben eine regenerative Wirtschaftsweise in Verbundenheit an – positiv für die Erde, positiv für die Menschen. Und eine solche Wirtschaftsweise sollte am langen Ende auch in der Finanzwelt profitieren.

In Deutschland braucht es große Investitionen in die Energie- und die Verkehrsinfrastruktur, das ist mehr als deutlich. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass insbesondere Bildung und Bildungsinfrastruktur enorm wichtig sind, unter den Stichworten Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz von Demokratien. Bildung hat übrigens eine der ökonomisch höchsten Renditen, was mögliche Staatsinvestitionen betrifft. Also den Bereich sollte man nicht links liegen lassen.

Ändert sich durch die oben beschriebenen Bewegungen die Ausrichtung des Investmentgeschäfts der GLS Gruppe?

Grundsätzlich ändern wir nichts. Wir stehen für eine klar ambitionierte Nachhaltigkeit, auch mit strengen Ausschlüssen. Davon sind wir überzeugt. Das behalten wir auch so bei. Wir passen unseren Investitionsfokus etwas an, wollen stärker in den sogenannten Primärmarkt investieren, also auch abseits der Börse. Hier sehen wir unter den gerade diskutierten neuen Rahmenbedingungen echte Opportunitäten, aber auch Investitions- und Kapitalbedarf.

Ein Beispiel sind kleine und mittelständische Unternehmen. Das sind oft Unternehmen, die als Weltmarktführer in ihrer Nische gelten und durch innovative Ideen und Produktionsmethoden zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und Klimaschutz zusammen passen. Diese Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen, ihr Wachstum zu finanzieren. Hier wollen wir gerne Partnerin sein.

Primärmarkt

Der Primärmarkt ist der Finanzmarkt, auf dem neue Wertpapiere (z. B. Aktien oder Anleihen) erstmals von Unternehmen oder Staaten an Investoren ausgegeben werden. Ziel ist es, Kapital zu beschaffen – im Gegensatz zum Sekundärmarkt, wo bereits gehandelte Papiere weiterverkauft werden.

3 Fragen an…

Nicola vom Bündnis “Wir haben es satt”

Seit 2011 bringt sie ihren Unmut über die Folgen der Agrarindustrie auf die Straßen Berlins.

Blick ins Meer: Fische und ein Korallenriff.

Timo Hülsdünker zu Biodiversität

Warum wir uns als Bank für die UN-Konferenz zum Artenschutz und ihre Ergebnisse interessieren.

Diesen Artikel teilen

2 Antworten zu „Finanzmarkt: Was geschieht mit unseren nachhaltigen Idealen?“

  1. Avatar von Matthias Losert
    Matthias Losert

    Wie jedem Ideal, was der Eigendynamik vom Finanzmarkt widerspricht, entweder Nischendasein oder Verschleiß!
    Da der Finanzmarkt eine politisch gewährte intersubjektive Wirklichkeit ist, kann er auch gestaltet werden.
    Normalerweise erfolgt die Gestaltung durch nationale Ordnungspolitik; denkbar ist auch eine neue internationale Währungsordnung, um einen marktwirtschaftlichen Referenzrahmen für das Denken im Gütermarkt zu gewähren. Organisatiorisch würde das neue Währungssystem zwischen Natur und Finanzmarkt angeordnet.
    Volkswirtschaftlich ein Novum; ähnlich einer Notenbank die Geldmenge wird der Güterumschlag mit Steuersatzprogression gefordert und gefördert.

  2. Avatar von Bert Hun
    Bert Hun

    Hallo liebe Mitarbeiter,
    die Frage um welche Nachhaltigkeit geht es. Hier stelle ich einiges in Frage.
    Umwelt schädliche Energien sind auch Windräder und Solarzellen dies wird gern übersehen. Hinzu sind sie teuer und auch gefährlich. Siehe die Blackouts. Auch das die Technik sich weiter entwickelt wie in der Atomkraft.
    Mir werden diese absurden Umweltanforderungen vielen die Rente kosten. Und der Nutzen ist fraglich. Die Politik lehne ich zu tiefst ab, weil sie unsere Kultur zerstört und nur Wohlhabene bevorteilt.
    Eine lange Liste spricht gegen diese Verlogenheit.
    Die Menschen brauchen einen Diskurs und keinen Totalitarismus.
    Sogar das Gemeinwohl wurde dadurch zerstört.
    mit freundlichem Gruß
    Bert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere aktuelle Themen