Jedes Jahr im November rollt eine Welle von Auszeichnungen auf uns zu. Angeschwemmt werden Awards und Preise, Bestnoten in Rankings, Angebote zur Lizenzierung der Siegel. Und um im Bild zu bleiben: Wir brauchen aufmerksame und geschulte Augen, um das „gute Treibgut“ von dem „schlechten“ zu unterscheiden. An dieser Stelle werfen wir einen Blick auf den Fair Finance Guide, bei dem wir soeben auf Platz 1 gelandet sind. Über diesen Preis freuen wir uns. Was macht ihn aus? Welche Kriterien werden bewertet?
Wer steckt hinter dem Fair Finance Guide?
Das Institut Facing Finance bringt jedes Jahr den Fair Finance Guide Deutschland heraus. Das Institut geht auf eine 2010 gestartete Initiative von Thomas Küchenmeister für mehr Transparenz im Finanzsektor zurück. 2013 wurde dann in Berlin der Verein Facing Finance gegründet – als Menschenrechts- und Umwelt-NGO.
Die Ziele des Vereins lauten:
- den „verantwortungsbewussten Umgang mit finanziellen Ressourcen“ fördern,
- verhindern, dass Banken und Investoren von Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, Korruption oder völkerrechtswidrigen Waffen profitieren,
- Finanzströme zu problematischen Unternehmen offenlegen (z. B. im jährlichen Dirty-Profits-Report).
Laut Website und Unterstützerliste wird Facing Finance im Wesentlichen durch Stiftungen, Hilfswerke und öffentliche Mittel getragen – unter anderen von Brot für die Welt, Misereor, Friedrich-Ebert-Stiftung, Kindernothilfe, Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, Bewegungsstiftung, Grassroots Foundation, Umweltbundesamt (für einzelne Projekte) – sowie von privaten Spender*innen.
Der Fair Finance Guide Deutschland entsteht in Kooperation mit dem Südwind-Institut. Südwind beschreibt seine Vision wie folgt: „Wir forschen und handeln für gerechte Wirtschaftsbeziehungen. Dabei sind die Erfahrungen der Armen und ihre Anliegen für uns richtungweisend. Wir setzen uns ein gegen die Benachteiligung von Frauen. Wir decken ungerechte Strukturen auf, machen sie bewusst und verändern sie.“
Was ist der Fair Finance Guide?
Der Fair Finance Guide Deutschland versteht sich als das erste zivilgesellschaftliche Informationsportal zur Überprüfung der Nachhaltigkeitsrichtlinien von Banken auf dem hiesigen Finanzmarkt. Das deutsche Portal ist Teil der Initiative Fair Finance International: ein Netzwerk von ca. 200 NGOs und Verbraucherorganisationen aus 24 Ländern. Dem Projekt liegt eine detaillierte Bewertungsmethodik zugrunde, die die Kredit- und Anlagepolitik von Banken in Sektoren (z.B. Energie, Bergbau, Waffen) und Querschnittsthemen (z.B. Arbeits- und Menschenrechte, Klima) bewertet.
Facing Finance betont, dass für den Fair Finance Guide Deutschland kein Geld von den bewerteten Banken und Versicherungen angenommen wird.
Und seit wann gibt es dieses Ranking?
Der Fair Finance Guide International existiert seit 2014. In Deutschland startete das Informationsportal 2016. Das Besondere an diesem Ranking ist, dass es durch einen internationalen Zusammenschluss von NGOs entwickelt und geformt wurde und somit glaubhaft aus der Zivilgesellschaft heraus entstanden ist.
Was wird bewertet?
Im Fair Finance Guide werden gut 230 Einzelkriterien geprüft. Diese basieren auf internationalen Normen wie der UN-Menschenrechtserklärung und den ILO-Kernarbeitsnormen.
Zusätzlich gibt es „Praxischecks“. Sie zeigen, ob Banken ihre eigenen Richtlinien in der Praxis einhalten. Verstöße werden mit einem Warnsymbol markiert, ändern aber nichts an der Punktzahl.
Bewertet wird vor allem das Kerngeschäft der Institute. Konkret sind das beim Fair Finance Guide die Finanzierungs- und Investitionsrichtlinien sowie Unternehmenskredite, Projektfinanzierungen, Eigenanlagen in Wertpapieren, die Vermögensverwaltung und Fonds. Neben dem Kerngeschäft wird auch das Finanzinstitut an sich überprüft.
Und welche Kriterien sind besonders wichtig?
Schwerpunkte des Fair Finance Guides liegen in den Themen Klimaschutz, Menschenrechte, Arbeitsrechte, Rüstung und Transparenz. Es kommen sowohl Querschnittsthemen als auch Sektoren-Themen zur Anwendung, sie sind auch miteinander verflochten. So kann es zum Beispiel sein, dass die Kriterien „Fossile Energie“ und „Menschenrechte“ und „Korruption“ in einem Projekt zur Bewertung herangezogen werden. Der Fair Finance Guide beschreibt dies in seiner Methodik.
Querschnittsthemen sind zum Beispiel:
- Klimawandel / Klimaschutz
- Menschenrechte
- Arbeitsrechte
- Natur und Umwelt, Biodiversität
- Steuern (Aggressive Steuervermeidung, Steueroasen etc.)
- Korruption
- Gleichstellung der Geschlechter (Gender Equality)
Sektorenthemen sind zum Beispiel:
- Rüstung
- Nahrungsmittel (z. B. Landgrabbing, Spekulation auf Nahrungsmittel)
- Forstwirtschaft
- Bergbau / Rohstoffe
- Öl &Gas
- Energieerzeugung
Für den internen Bankbetrieb werden zusätzlich noch die Themen „Entlohnung & Boni“ sowie „Transparenz & Rechenschaftspflicht“ angewendet.
Haben sich die Kriterien mit der Zeit verändert?
In der Startphase des Rankings lag das Augenmerk eher den damals breit gefächerten CSR-Themen (Corporate/Social/Responsibility) wie Menschenrechte, Bergbau und Rüstung. Mit den Jahren wurden Klimaschutznormen verschärft und ausdifferenziert (Paris-Alignment, Kohle-/Öl-/Gas-Ausstieg, Tiefseebergbau etc.). Steuern, Transparenz und Rechenschaft sowie Gender Equality sind heute klar als eigene Themenfelder ausgewiesen. Der Praxischeck wurde ausgebaut, d.h. die Prüfung, ob Richtlinien wirklich eingehalten werden, intensiviert.
Das vormals eher „breite“ Nachhaltigkeits-Set des Fair Finance Guides hat sich entwickelt: hin zu stärker klimafokussierten, Sektor-spezifischen und Governance-bezogenen Themen.
Nur ein konkretes Beispiel: Biodiversität wird inzwischen extra abgefragt und nicht mehr unter Umwelt mitverstanden.
Gibt es vergleichbare Rankings?
Aus unserer Sicht Bank sind folgende Bewertungen und Rankings ebenfalls relevant:
- ECOreporter
- Utopia.de: „Nachhaltige Banken im Vergleich“
- Stiftung Warentest / Stiftung Finanztest
- Faire-Fonds.info: Projekt von urgewald und Facing Finance
Welche Institute oder Banken nehmen am Fair Finance Guide teil?
Der Fair Finance Guide ist kein Siegel, sondern ein Ranking. Es gibt daher keine „ausgeschlossene Bank“ im Sinne von „Diese Bank darf nicht teilnehmen“.
Der Fair Finance Guide wählt vielmehr eine Gruppe von Banken aus, die den deutschen Markt aus ihrer Sicht gut abbilden (Nachhaltigkeits- und Kirchenbanken, Großbanken, Landesbanken, Sparkassen) und bewertet alle. Einige Alternativbanken sind nicht im Guide enthalten. Unter „Wo ist meine Bank“ heißt es auf der Webseite dazu: „Es gibt weitere Alternativbanken wie die Umweltbank, die Evangelische Bank, die DKM Darlehnskasse Münster, die SozialBank, die Bank im Bistum Essen oder die Steyler Ethik Bank die wir aus Kapazitätsgründen bislang leider nicht bewerten können. Wir bemühen uns, die Ressourcen zu erweitern, um zusätzliche Banken aufnehmen zu können.“





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