Gemeinschaftlich zum Bioenergiedorf

Mitten im Schwarzwald gibt es jede Menge Holzabfälle. Die müssten sich doch zur Energieversorgung nutzen lassen. Wenn die Idee stimmt, dann kann es plötzlich ganz schnell gehen. Das zeigt die WeilerWärme eG.

Mit Blick auf die Klimakrise geht es immer wieder um negative Kipppunkte. „Ein Moment, an dem eine vorher geradlinige und eindeutige Entwicklung durch bestimmte Rückkopplungen abrupt abbricht, die Richtung wechselt oder stark beschleunigt wird“, so Wikipedia. In Pfalzgrafenweiler lässt sich der Kipppunkt gut eingrenzen: Frühjahr 2010. Trotzdem ist etwas anders: Es war ein Kipppunkt, der eine positive Entwicklung beschleunigte. Damals entschied der Rat der 7.000-Einwohner-Gemeinde im Nordschwarzwald mit knapper Mehrheit, alle kommunalen Gebäude an das Netz der WeilerWärme eG anzuschließen. Was 2005 mit einer Initiative der Umweltgruppe der örtlichen Kirchengemeinde begonnen hatte, nahm nun mächtig Fahrt auf: Allein in jenem Jahr verdreifachte sich die Zahl der Genossenschaftsmitglieder, seitdem wächst sie kontinuierlich weiter.

Zunächst war die Idee in der Bevölkerung auf Skepsis gestoßen – und in der Politik auf Widerstand: Dem bereits bestehenden Holzheizkraftwerk sollte die bis dahin ungenutzte Abwärme abgekauft werden. Dazu wollte die frisch gegründete WeilerWärme eG ein Netz installieren, um die Energie in der Gemeinde zu vertreiben. 2008 zählte die Genossenschaft gerade mal zwölf Mitglieder. 2009 waren es immerhin schon 117. Dann kamen die entscheidende Ratssitzung und die erfolgreiche Bewerbung um das Förderprogramm
„Bioenergiedörfer“.

„Unsere stetige Überzeugungsarbeit hatte letztlich Früchte getragen“,

erinnert sich der Architekt und Genossenschaftsvorstand Klaus Gall, der von Anfang an dabei ist,

„plötzlich war das Vertrauen da. Wir wurden ernst genommen.“

Die 100.000 Euro aus dem Fördertopf spielten dabei eine Rolle. „Aber es war auch hilfreich, mit Heinz Weiß einen pensionierten Banker im Vorstandsteam zu haben, der hier im Ort Ansehen und Vertrauen genoss“, erinnert sich Gall. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 spielte den Akteuren ebenfalls in die Karten.

Wärme, Strom und E-Carsharing für das Dorf

Bis heute hat die Bürgergenossenschaft 14 Millionen Euro investiert, neben Mitgliederanteilen unter anderem auch GLS Kredite. Das Leitungsnetz hat jetzt eine Länge von 37 Kilometern erreicht. Über 660 Haushalte sind an das Nahwärmenetz angeschlossen. 25.000 Megawattstunden Wärme setzt die Genossenschaft jährlich ab. Die Zahl der Mitglieder nähert sich der 1.000er-Marke. Tendenz in allen Punkten: steigend.

Das Beste: der positive Effekt für die Umwelt. Die CO2-Einsparung beträgt über 6.600 Tonnen pro Jahr. Und es bleibt nicht nur bei der Wärmeversorgung: Längst bietet die Genossenschaft über WeilerStrom auch Ökostrom und über WeilerMobil E-Mobilität an: 20 E-Autos und mehrere Ladesäulen stehen bereit – einmalig für eine Gemeinde dieser Größe.

Es war kein ganz einfacher Weg vom ersten Engagement einiger Bürger*innen bis zum stolzen, größten Bioenergiedorf Baden-Württembergs. „Wir haben uns am Anfang schwergetan“, gibt Reinhold Möhrle, Kämmerer der Gemeinde und Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, zu. „Inzwischen ist WeilerWärme jedoch ein ganz selbstverständlicher Teil von uns. Die Mitwirkungsbereitschaft ist enorm.“ Gemeinschaftlich wurde somit in Pfalzgrafenweiler der Kipppunkt der Energiewende überschritten.

waerme.weilerwaerme.de

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