Ein Bäcker teilt seine Gewinne

„Wir verstehen uns nicht nur als Biopioniere, sondern auch als Pioniere in der Gestaltung einer zukunftsweisenden Arbeitswelt.“

Mit diesem Anspruch setzt die Vollkornbäckerei BioKaiser in Mainz-Kastel Maßstäbe und weckt damit sogar international Interesse.

Volker Schmidt-Sköries, Gründer BioKaiser
Volker Schmidt-Sköries, Gründer BioKaiser

Der Motor des Unternehmens, Volker Schmidt-Sköries, knüpft so bestens an den Gründungsimpuls aus den 1970er-Jahren an. Sein Handwerksbetrieb sollte nicht nur vollwertiges, schmackhaftes und bekömmliches Biobrot liefern, sondern der Entfremdung von Lebensmitteln entgegenwirken und den Menschen Selbstverwirklichung ermöglichen. Allerdings war das kein Selbstläufer. In den 1990er-Jahren kam es zu einer handfesten Krise.

„Damals war das Wachsen zu verlockend und ich hatte aus den Augen verloren, wozu wir eigentlich wachsen wollten“,

so Schmidt-Sköries. Diese Erfahrung führte ihn letztlich zu einer neuen Identität als Unternehmer, wie er es auch mit dem Titel seines Buches ausdrückt: „beseeltes Arbeiten und nachhaltiges Wirtschaften“. Der 66-Jährige will mit kernigen Sätzen zum Nachdenken anregen, etwa:

„Stell dir vor, wir würden Führungskräften Güte und Barmherzigkeit beibringen, Demut und Verzeihen lehren.“

Mit seinen Mitarbeiter*innen begab er sich bereits auf diesen Weg. Das ist im neuesten Laden in Frankfurt-Riedberg zu erleben: Dort sind die Räume als Kunstprojekt gestaltet und das junge Team lebt neue Führungsstrukturen. Hier sollen Würde und Achtung in den Alltag der Bäcker*innen und Verkäufer*innen fließen. Dazu gehören große Freiheiten bei den Entscheidungen, schon lange bevor Konzepte wie New Work oder Holokratie Verbreitung fanden. Dass dies funktioniert, bestätigen die Kund*innen in ihrem Feedback. Viele nehmen eine inspirierende Atmosphäre und einen wertschätzenden Umgang miteinander wahr.

In der Mainzer Zentrale lädt eine Kulturwerkstatt des Betriebes zu Konzerten, zu Lesungen oder auch zum Tango ein. Im Fitnessstudio wird mit Yoga, Pilates und Alexander-Training der Körper gestärkt. Seminare und eine Bibliothek inspirieren den Geist. Auszubildende bekommen Zeit für gesellschaftliche Aktivitäten, etwa um freitags an den Klimademos teilzunehmen. „Unser Charme lebt davon, dass wir wirtschaftlich erfolgreich sind“, verrät Schmidt-Sköries mit einem Augenzwinkern. Das verschafft ihm den nötigen Freiraum, um für eine zukunftsweisende Arbeitswelt aktiv zu werden und andere mit seiner Begeisterung anzustecken. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine Eigentümerstruktur, die dies zulässt. Mit der GLS Treuhand wurde ein passender neuer Mitgesellschafter gefunden, der eine Orientierung am Gemeinwohl für die Zukunft absichert.

Konkret zeigt sich das Ideal des alternativen Wirtschaftens auch im Aufteilen der Jahresgewinne: 2020 waren dies 1,5 Millionen Euro. Davon wurden 230.000 Euro an Mitarbeitende, 100.000 Euro an Erzeuger, 50.000 Euro an Künstler*innen und 70.000 Euro an Umwelt- und soziale Projekte ausgeschüttet. Für 2019 gingen sogar 380.000 Euro an Mitarbeitende, 150.000 Euro an Erzeuger sowie 70.000 Euro an Umwelt- und soziale Projekte. Schmidt-Sköries macht seine Haltung deutlich:

„Fünf Prozent Rendite sind genug, danach beginnt die Gier.“

Deshalb erhalten die Gesellschafter maximal fünf Prozent Rendite. „Die Frage nach Sinnhaftigkeit begleitet uns von Anfang an. Die Auseinandersetzung damit hat unsere Entwicklung vorangetrieben und zu kreativen Lösungen geführt. Dieser Prozess bleibt lebendig.“

Das Interview – Mit den Bauern auf Augenhöhe

Thorsten Neubauer organisiert für etwa 70 Bioland-Betriebe den Getreideverkauf an BioKaiser.

Herr Neubauer, wer ist in der Vermarktungsgesellschaft Kornbauern organisiert?

Das sind ungefähr 70 Bäuerinnen und Bauern. Einige davon haben jahrzehntelange Beziehungen zu BioKaiser und schon lange vor unserem Zusammenschluss an Kaiser geliefert. Die meisten Höfe liegen im Umkreis der Bäckerei in Rheinhessen, der Pfalz, im Hunsrück, Taunus und der Wetterau bis hoch nach Marburg. Es sind kleinere bis mittelgroße Betriebe, die für regionale bäuerliche Landwirtschaft stehen. Das passt natürlich optimal zu den Vorstellungen von BioKaiser.

Was ist das Besondere an dieser Geschäftsbeziehung?

Wir haben generell mit all unseren Kunden langjährige Beziehungen und guten Austausch. Und dennoch muss ich sagen, mit BioKaiser ist es wirklich ziemlich besonders, noch deutlich intensiver: Dem BioKaiser gebührt die Krone (lacht). Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von ganz großer Offenheit und ehrlichem Austausch. Probleme oder Fehler werden sehr deutlich angesprochen und immer suchen wir nach gemeinsamen Lösungen. Wohltuend ist das große Interesse an landwirtschaftlichen Fragen. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Bäckerseite unsere Probleme verstehen will, sich so tief an den Überlegungen beteiligt, nachfragt und Perspektiven entwickelt. Dieser offene Diskurs ist eine Bereicherung, er hat eine andere Tiefe als gewöhnlich.

Die Werte von BioKaiser stehen also nicht nur auf dem Papier, sondern werden gelebt?

Definitiv. Das liegt stark an Volker Schmidt-Sköries. Manchmal ist er gedanklich weiter und kommt mit überraschenden Ideen um die Ecke. Da kann man am Anfang etwas überfordert sein. Für seinen Vorschlag, in die Preisgestaltung eine Nachzahlung aus dem erwirtschafteten Gewinn an die Erzeuger einzubeziehen, musste ich erst mal um Vertrauen bei den Bauern werben. Wir haben so manchen gemeinsamen Reifeprozess erlebt. Und das Wichtigste dabei: Er will es nicht nur anders machen. Sondern er zeigt, dass es praktisch funktioniert. Davon sind wir begeistert, genauso von der Weitsichtigkeit des Unternehmens.

So ist er auf uns Landwirte zugekommen, um ein Klimaprojekt anzustoßen. Angesichts der menschengemachten Klimaveränderung probieren wir nun niedrigschwellig, aber systematisch unter anderem unterschiedliche Getreidesorten auf vier Höfen aus. Damit stellen sich die Höfe für die Zukunft auf, wenn Hitze, Dürre und andere Extreme noch weiter zunehmen.

Was wünschen Sie sich für die weitere Zusammenarbeit?

(Überlegt) Mut zu noch mehr Vollkorn. Mut zum Roggen. Der ist leider das unterschätzte Getreide und seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Dabei hat er so viele Vorteile, ernährungsphysiologisch und auf den Klimawandel bezogen, weil er dank tieferer Wurzelausbildung besser dasteht. Für unsere Zusammenarbeit wünsche ich mir sehr, dass Intensität und Fruchtbarkeit erhalten bleiben.

Die Menschen Knapp 270 Menschen aus über 37 Nationen. 18 Bäckermeister*innen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen. Fünf Coaches für die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden und der Teams.

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Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel zum Thema “Das Leben ändern – Mit Herzblut für Natur und Soziales“. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/.

Fotos: Stephan Nau

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