Auf dem Bild zu sehen ist ein mehrfarbiger Kreis vor gelbem Hintergrund. Der Kreis ist im Kern dunkelblau. Ihn umschließen weitere Kreise in pink, flieder und pink.

GLS Bank: Wie schaffen wir Raum für Vielfalt?

Schwerpunktthema | Raum für Vielfalt

Seit ihrer Gründung fördert die GLS Bank Vielfalt. Es ist eine Aufgabe, die nie abgeschlossen ist und die uns im Alltag herausfordert. Die Entwicklungsräume sind nahezu grenzenlos.

Vor einiger Zeit hatten wir ein Kamerateam aus einer TV-Redaktion in der Bank. Wir brauchten für eine Szene Personen, die gemeinsam mit Aysel Osmanoglu eine Präsentation betrachten. Wen könnte ich fragen, damit wir eine diverse Gruppe am Tisch haben? Wo Menschen sind, ist Vielfalt, könnte man meinen. Leider stimmt das nicht immer, speziell in der Finanzbranche. Und auch in der GLS Bank ist Luft nach oben. Gerade deshalb geht es uns auch darum, das Bewusstsein zu schärfen.

Neben Aysels Assistentin holte ich einen aus Syrien stammenden Kollegen für unsere Szene dazu. Er arbeitet seit zwei Jahren im Kundenerlebnismanagement. Nachträglich kamen mir Zweifel. Wirkte die Anfrage vielleicht komisch oder sogar übergriffig, weil ich ihn als Folge unbewussten Schubladendenkens ausgewählt hatte? Ich fragte ihn bei nächster Gelegenheit. Seine Antwort: Alles kein Problem und vor allem arbeite er ja tatsächlich in der GLS Bank.

Ja, unsere Szene zeigte Vielfalt, wie es sie in der Bank tatsächlich gibt. Doch die eigentliche Aufgabe ist damit noch lange nicht erledigt. Denn die GLS Bank ist Teil eines Systems, das der Vielfalt unserer Gesellschaft nicht gleichberechtigt Raum gibt. Aktuell werden Räume sogar wieder enger. Und selbst wenn Bewusstsein und Wille da sind, gibt es unbewusste Grenzen. „Der beste Proof, dass du ein Antira1-Workshop brauchst, ist, dass du glaubst, dass du kein‘ Antira-Workshop brauchst“, singt die Berliner Band Kafvka etwa zum Thema Antirassismus, wobei die Aussage auch im Hinblick auf andere Dimensionen von Vielfalt gelten könnte.

Als Arbeitgeberin versucht die GLS Bank in diesem Sinne Schritt für Schritt eine Kultur der Teilhabe zu schaffen (siehe Seite 32). Aber das ist nur eine Seite. Denn auf der anderen Seite liegt der größere Hebel einer Bank in der Frage, wie und was sie finanziert. In diesem Beitrag geht es daher darum, wie wir mit unserer Geschäftstätigkeit versuchen, Räume für Vielfalt zu öffnen, zu erweitern und zu erhalten. Als Bank der Zukunft finanziert und unterstützt die GLS Bank Vielfalt als Lebensprinzip für Mensch und Natur: Biodiversität auf dem Acker, ein inklusives Bildungskonzept, ein gemeinschaftliches Wohnprojekt, eine unabhängige Medienredaktion. „Vielfalt ist auch, dass wir als Menschen in all unseren Dimensionen lernen und wachsen“, sagt GLS-Vorstandssprecherin Aysel Osmanoglu. Sie verweist auf das GLS Leitbild, wonach Menschen eine „Gesamtheit aus Körper, Seele und Geist“ bilden. Das heißt, in jedem Menschen entfaltet sich eine Fülle von Möglichkeiten. Wir fühlen, denken und handeln, jede*r auf ganz eigene Weise und in Verbindung mit anderen.

Wie können wir als Bank dazu beitragen, dass Vielfalt sich entfalten kann? Indem wir unsere Strukturen entsprechend bauen und Teilhabe ermöglichen. So können Mitglieder bei der GLS Bank mitbestimmen, weil sie eine Genossenschaft ist. Jede*r hat bei Abstimmungen eine Stimme unabhängig von der Anzahl der Anteile. Mitgliederveranstaltungen helfen uns, in Verbindung zu bleiben. „Uns ist wichtig, dass alle Mitglieder gleichberechtigt teilnehmen können – deshalb achten wir auf barrierefreie Locations, stellen Gebärdendolmetscher*innen zur Verfügung und bieten Kinderbetreuung an“, sagt Laura Gögelein, die die Veranstaltungen der GLS Bank organisiert.

Angebote und Services passen am besten zu den Bedürfnissen unserer Kundinnen, wenn sie auf deren Vielfalt abgestimmt sind. Durch qualitative Befragungen weiß die GLS Bank mehr über deren Einstellungen zu Geld und Vermögen, über ihre Risikobereitschaft und ihre Schwerpunkte im Leben. Aus Erkenntnissen wie diesen entstehen neue Ideen und Angebote für besondere Bedürfnisse, zum Beispiel die True Name Card für Transmenschen. Ein anderes Beispiel: die Workshopreihe „Finanzkompetenz für Frauen“, die Kolleginnen anbieten. Warum nicht Flinta, also neben den meist als cis-hetero verstandenen „Frauen“ auch ausdrücklich Lesben sowie intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen? So die Frage, die aus unserer Community gestellt wurde. Aufgrund dieses Impulses diskutieren wir derzeit, ob und wie wir das Workshopangebot ausbauen könnten.

Eine unterrepräsentierte Gruppe in unserer Gesellschaft ist die der jungen Menschen. Mit dem neuen GLS Zukunftsrat wollen wir ihnen – konkret sieben Personen zwischen 16 und 30 Jahren – ab 2026 ermöglichen mitzureden. Sie sind eingeladen, ihre Perspektive einzubringen, damit wir lernen, was junge Menschen sich von ihrer Bank wünschen. Und auch allgemein zu den Themen, die sie beschäftigen, wie sie denken, was ihnen wichtig ist.

Die Erkenntnisse aus dem Austausch mit unseren Netzwerken prägen unser Bankgeschäft. Bei der Kreditvergabe etwa leiten uns unsere Zukunftsbilder – Visionen, die Vielfalt Raum geben: Bezahlbares Wohnen zum Beispiel, gerne gemeinschaftlich organisiert, wo Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Vermögen Platz haben. Oder Bio-Lebensmittel, deren Produktion die Vielfalt der Natur schont. Bei Finanzierungen von Projekten in Bildung, Kultur und Gesundheit achtet die Bank ausdrücklich auf Inklusion, Gleichberechtigung und Teilhabe. Entscheidend sind auch unsere Ausschlusskriterien. Diese Grundsätze legen fest, was die GLS Bank nicht finanziert. Dazu gehören Unternehmen, die Menschen- und Arbeitsrechte verletzen oder die ökologische Vielfalt zerstören, sei es durch fossile Energien, Massentierhaltung oder Pestizide.

Die Zukunftsbilder bieten mögliche Antworten auf Krisen, die uns bereits beschäftigen oder sich abzeichnen. Vielfalt ist in dem Zusammenhang längst nicht mehr nur eine Frage der Haltung, von Gerechtigkeit und Rücksichtnahme, sondern polarisiert zunehmend. Doch wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich sich weiter vergrößern und natürliche Lebensgrundlagen schwinden, kann eine Kultur der Vielfalt und Teilhabe zum stabilisierenden Kompass werden. GLS Vorstandssprecherin Aysel Osmanoglu möchte in diesem Sinne eine regenerative Wirtschaftsweise etablieren, sie nennt sie Wirtschaft in Verbundenheit. „Mit Blick auf die zunehmenden Krisen ist es wichtig, dass wir vielfältige unternehmerische Ökosysteme und Beziehungen aufbauen, die in ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten die planetare Gesundheit fördern und unser soziales Wohlergehen stärken“, sagt Aysel Osmanoglu.

Raum für Vielfalt

Vielfalt steht unter Druck, obwohl eine artenreiche Natur, eine diverse Gesellschaft und eine vielseitige Wirtschaft unverzichtbare Lebensgrundlagen bilden. Die GLS Bank schafft Raum für Vielfalt – nicht erst jetzt, aber jetzt erst recht. Unser Schwerpunkt zeigt, wo es schon gelingt und wo Herausforderungen liegen.

Das Konzept steht für das, was viele GLS Unternehmenskunden auszeichnet: wertschätzende Beziehungen zwischen Produktion und Lieferanten, eine menschenfreundliche Unternehmenskultur sowie der Anspruch, die Welt für alle besser zu machen statt ausschließlich Gewinn für Einzelne zu erzeugen. All das ist gelebte Vielfalt. Neue Möglichkeiten des Miteinanders werden aus Sicht der GLS Bank zunehmend ein Wettbewerbsfaktor in einer Zeit des global fortschreitenden Egoismus. Aus diesem Grund schafft die GLS Bank regelmäßig Räume für Unternehmenskunden aus unterschiedlichen Branchen der gemeinwohlorientierten Wirtschaft.

Das Vorbild für eine Wirtschaftsweise in Verbundenheit liefert der Kreislauf der Natur. Wie Biodiversität Ökosysteme stabilisiert, braucht eine gesunde Wirtschaft in Verbundenheit ebenfalls Vielfalt für ihr Gleichgewicht. Das heißt: Raum für alle, Austausch untereinander und keine Ausbeutung von Menschen und Natur sowie die Möglichkeit zu regenerieren. Vielfalt sei „nicht so bequem wie Homogenität“, sagt Bestsellerautorin Emilia Roig im Interview. Sie zwinge uns dazu „uns mit Unterschieden auseinanderzusetzen“. Dabei entstehen Widersprüche, auch bei uns im Bankgeschäft, etwa bei Kreditentscheidungen. Bei den Themen Religion, Medien oder Politik ist es besonders schwierig, Diversität zuzulassen und gleichzeitig keine anderen Werte zu vernachlässigen. Wir stellen uns diesen Herausforderungen und bringen solche Fälle in die sogenannte Inhaltliche Kreditvorabstimmung (IKV). Das interdisziplinäre Team prüft, hinterfragt, diskutiert und entscheidet über Anfragen, bei denen sich Kontroversen – nicht nur in Bezug auf Vielfalt – ergeben.

Damit sind wir wieder bei unserer Kameraszene und meinem Zweifel, wie mein Verhalten auf meinen Kollegen gewirkt haben könnte. Wer Vielfalt fördern will, muss vielleicht so banal anfangen: bei sich selbst. Die eigene Perspektive hinterfragen. Immer wieder scheitern, hadern, irren, lernen, fragen – und mit anderen in all ihrer Unterschiedlichkeit in Verbindung gehen.

Gutes Morgen Festival

Die GLS Bank schafft regelmäßig Möglichkeiten für Austausch und Vernetzung ihrer vielfältigen Firmen- und Privatkund*innen, etwa mit ihrer Jahresversammlung, mit Kongressen und Messen. 2026 bietet die GLS Bank erneut Gelegenheit und lädt am 6. und 7. Juni in die Jahrhunderthalle in Bochum ein:

1Anm. d. Redaktion: 1 Antira oder AntiRa steht als Abkürzung für Antirassismus und bezeichnet Ansätze zur Beseitigung von Verhältnissen, die rassistisch oder von Rassismus geprägt sind.

Portrait Hedda Ofoole Knoll
Hedda Ofoole Knoll, Director bei Employers for Equality

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Eine Biene auf Lavendel

Aurelia Stiftung: Verletzliche Vielfalt

Ohne Bienen wäre die Stabilität vieler Ökosysteme bedroht. Die Aurelia Stiftung setzt sich für Bienen in all ihrer Vielfalt ein, um das zu verhindern. Im Interview gibt Vorstand Thomas Radetzki Einblick in die Arbeit der Stiftung.

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Deine GLS Anteile sind die Basis für unsere Kredite für nachhaltige Projekte und Unternehmen. Das Besondere: Jeder Anteil ermöglicht ein Vielfaches seines Werts an Krediten.

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