Archivbeitrag

Lasst uns über Tiere sprechen!

Meist sind wir uns einig in der GLS Gemeinschaft. Wir sind für Ökologie, eine gerechtere Welt und gegen Atomkraft und Massentierhaltung. Ungemütlich kann es aber werden, wenn es ganz grundsätzlich um Tierhaltung geht. Veganer haben dazu deutlich andere Ansichten als beispielsweise Ökolandwirte. Wenn es um Tiere geht wird es schnell emotional und persönlich. Verlassen wir also einmal unsere gemeinschaftlichen Überzeugungen und gehen hinein in diese Kontroverse.

Diskutiert mit uns hier im Blog, hinterlasst uns einen Kommentar mit Eurer Meinung zum Thema Tiere & Ernährung.

 

Auch mich lässt dieses Thema nicht kalt, spätestens nachdem ich letztes Jahr einigen Kindern mal wieder meine Bienen gezeigt habe, drei Völker, die im Garten stehen und fleißig Honig bringen. Eine Wabe hatte ich rausgeholt und die Kinder durften vom Honig kosten. Alle staunten und freuten sich. Dann schritt allerdings eine Mutter ein, eine Veganerin, wie sich herausstellte. „Meine Kinder nehmen den Bienen keinen Honig weg“, sagte sie. Ich war zunächst etwas sprachlos, dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, meine schöne Bienenidylle infrage zu stellen. Mit den verbliebenen Kindern machte ich zunächst einfach weiter. Aber danach ratterten mir die Argumente durch den Kopf, warum ich im Recht bin: Es macht den Bienen bestimmt wenig aus, wenn etwas Honig fehlt. Jetzt im Spätsommer hängen die Bienen ohnehin oft in großen Trauben einfach im Stock herum und freuen sich vielleicht sogar, wenn sie die Wabe wieder schön in Ordnung bringen dürfen. Der Übergang von Arbeit zu Spiel ist auch bei Tieren oft fließend. Und überhaupt: Viele vegane Produkte kommen aus der industriellen Landwirtschaft, die unsere Bienen existenziell gefährdet. Die Spritzmittel sind das Problem, nicht das Honigernten. — Solche Gedanken setzten sich allmählich in mir fest und brachten damit wieder Ordnung in mein Weltbild, genauso wie das Bienenvolk wieder in seine Routinen verfiel, nachdem ich den Kasten mit dem Deckel verschlossen hatte.

Dennoch tauchten auch nach Wochen leise Zweifel auf. Nutze ich meine Bienen aus, wenn ich Honig ernte? Mit Blick auf den Bankspiegel musste ich außerdem feststellen, dass wir in den letzten Jahren eine Auseinandersetzung über Tierhaltung möglichst zu vermeiden suchten, nachdem einige Tierrechtler sehr aufgeladene E-Mails und Kommentare geschrieben hatten. Ein Kreditnehmer, der seine Hühner selbst schlachtet, wurde sogar einige Zeit lang beschimpft. Eine ungute Situation. Also machte ich mich auf den Weg.

Erste Station: Ein veganer Brunch

Bochum, sonntags um 13 Uhr. Ich bin mit einem GLS Kollegen verabredet. An der Türe treffe ich zufällig einen weiteren Kollegen und drinnen eine Kollegin. So exotisch sind sie also gar nicht, die Veganer. Jeder hat etwas mitgebracht und kann sich vom selbst gemachten Buffet bedienen. Echt lecker, vor allem die eine Hälfte mit den süßen Sachen. Es geht also auch ohne tierische Produkte.

Die Sitzplätze werden bald knapp. Die meisten hier sind unter 30. Wie die Lebensmittelindustrie auch schon festgestellt hat, strahlt diese Szene ein echtes Potenzial aus. Als ich meinen Notizblock auspacke und sage, dass ich über Tierhaltung schreibe, erhalte ich viel Aufmerksamkeit. Es sind vor allem die persönlichen Geschichten, die mich interessieren. Ein junger Aktivist erzählt, wie er zufällig auf YouTube gesehen hatte, was in einem Schlachthaus passierte. Das schockierte ihn so, dass er sich entschied: „Ich will niemanden mehr dafür bezahlen, dass er für mich intelligente Wesen tötet.“ Solche prägnanten Sätze höre ich dann immer wieder. Schnell wird deutlich, wie konsequent die Leute hier bereit sind, bestimmte Gedanken zu Ende zu denken — auch wenn sie als Folge ihr Leben ändern müssen.

Das ist großartig zu erleben. Und gleichzeitig erschütternd. Denn bin ich selbst ebenfalls dazu bereit? Es gibt auch ganz andere Geschichten, etwa die vom guten Leben. „Vegane Ernährung ist ein Gewinn für mich, kein Verzicht“, so eine Gesprächspartnerin. Der ganze Konsumwahn im Supermarkt kann ihr egal sein, weil sie nur ein paar wenige, qualitativ gute Produkte braucht. Das macht ihren Kopf frei für das, was wirklich wichtig ist im Leben. Ein großes Thema sind auch die ökologischen Folgen des Fleischkonsums: Zum Klimawandel trägt er mehr bei als Flugzeuge, Autos und alle anderen Transportmittel zusammen. Wer sich komplett ohne Fleisch ernährt, verursacht 60 Prozent weniger CO2-Emissionen. Sonst noch Fragen? Eine Ärztin ergänzt schnell im Vorbeigehen, dass laut WHO verarbeitetes Fleisch Krebs auslösen kann. Sie ist Onkologin und muss das wissen. Nach über zwei Stunden und zwölf beschriebenen Blättern meldet sich eine junge Frau, die schon länger schweigend dabeigesessen hat: „Ich will auch noch unbedingt etwas sagen.“ Sie erzählt, dass ein Drittel der weltweiten Getreideernte an Schweine verfüttert wird, mit der Folge, dass die Getreidepreise für die Armen steigen. — Ich bin erstmal bedient, habe keine Fragen mehr, aber großen Respekt vor allen meinen Gesprächspartner*innen.

Zweite Station: Fußgängerzone

Meine nächste Station ist samstagnachmittags in der Fußgängerzone. Hier bin ich mit Nadja Ismail verabredet. Sie organisiert den Cube of Truth, eine Aktion, die sich von Australien aus seit 2017 auch in Deutschland immer weiter ausbreitet. Ein starkes Bild: Zwölf Menschen stellen sich im Quadrat mit dem Rücken zueinander auf, weiß maskiert und schwarz gekleidet. In den Händen halten sie schwarze Tafeln, auf denen „Truth“ und „Wahrheit“ steht, sowie Laptops mit Videos aus der Massentierhaltung und Schlachtung. Die gezeigten Bilder sind schrecklich. „Das soll Fragen provozieren“, sagt Nadja. „Was ist die Wahrheit? Habe ich bisher in Lügen gelebt?“ Die Menschen sollen eine Verbindung zwischen dem herstellen, was in der Fleischindustrie passiert, und dem, was sie ansehnlich verpackt in ihren Einkaufswagen legen.

Nadja ist 19 und hat in Australien den ersten Cube gesehen. Zunächst war sie Vegetarierin. „Mir wurde dann aber deutlich, dass in Milch und Eiern sogar noch viel mehr Gewalt stecken kann als in Fleisch.“ Beim Cube ist sie meistens bei den Outreachern, sie führt also ohne Maske Gespräche mit Passanten. „Wichtig ist mir eine respektvolle Ebene. Niemand ist als Veganer geboren. Wir alle brauchen einen Anstoß, um unsere Gewohnheiten zu ändern.“ Auch die meisten Aktivisten*innen hinter den Masken sind jung. Sie gehören zu der Generation, von der die aktuelle Shell Jugendstudie sagt: Ihr politisches Engagement bringt sie weniger in traditionellen Organisationen ein, sondern in Konsumboykott und anderen Aktionen. Das politische Interesse junger Leute ist demnach seit 2002 von 31 auf beachtliche 40 Prozent gestiegen. Das ist auch hier zu spüren. Man fühlt sich als Teil einer globalen Bewegung. Per Facebook sind die weltweit über 400 Aktionsgruppen bestens vernetzt und unterstützen neue Initiativen. Für Ende Juni ist ein vierundzwanzigstündiger Cube in Berlin angekündigt, vermutlich ein Großevent.

Bleibt noch eine Frage, die mich als GLS Banker besonders umtreibt: „Ist denn Ökotierhaltung okay?“ Nadja antwortet sofort: „Nein!“ Das Töten von Tieren ist in jeder Hinsicht unethisch, „egal wie viel Grün sie vorher gesehen haben. Wir sollten die Tiere einfach in Ruhe lassen“, so Nadja. Auch in dieser Frage zeigt der Cube of Truth also klare Kante.

Dritte Station: Tiere vom Bärenbrunnerhof

Zwei Tage später bin ich unterwegs zum Bärenbrunnerhof, die letzten sechs Kilometer vom Bahnhof zu Fuß auf Wanderwegen durch den schönen Pfälzer Wald mit seinen roten Sandsteinfelsen. Landwirtschaft gibt es hier kaum noch. Die Böden sind zu sauer und die Sommer zu trocken. Wälder und Büsche breiten sich aus. Früher gab es hier überall offenes Weideland mit einer großen Artenvielfalt. Eine interessante Beobachtung: Die durch Tierhaltung entstandene Kulturlandschaft war attraktiv für viele Pflanzen und Wildtiere. Ohne Tierhaltung schwindet die Biodiversität wieder. Ganz andere Probleme waren auf dem Weg hierher zu sehen: großflächig industrialisierte Landwirtschaft, oft tierfrei mit Einsatz von chemischem Dünger. Ist das die Zukunft? Mit Chemie bewirtschaftete Flächen ohne Tiere auf der einen Seite, verwaldete Mittelgebirge mit wenig Vielfalt auf der anderen Seite?

[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]

Das Ehepaar Kill hat anderes vor. Auf ihrem Bioland-Betrieb leben 50 Kühe mit Jungvieh, 60 Schweine und 450 Hühner, eine Bilderbuchidylle zwischen aufragenden Felsen. Dazu kommen noch Hütehunde, Pferde und ein kleines Tierheim für Katzen, die im Laufe der Zeit hierher gebracht wurden und zu denen Nina Kill nicht Nein sagen konnte. Als ich ihr von den Cube-Aktivisten erzähle, sagt sie: „Das wäre sicher auch ein Weg für mich gewesen. Aber ich habe mich anders entschieden. Ich will an Alternativen arbeiten.“ Auf die Frage, wie sie Tiere essen kann, die sie vorher gekannt hat, fragt sie zurück: „Wie kannst du Tiere essen, die du nicht gekannt hast?“ Auch ihr ältestes Pferd, das sie von frühester Jugend an begleitet und mit 28 Jahren bald am Lebensende ist, soll geschlachtet werden. „Den Toni gebe ich doch nicht auf den Kadaverwagen. Er ist doch kein Müll.“

Heute ist Schlachttag auf dem Bärenbrunnerhof. Ich gehe mit Nina zum Stall und sie bringt ein Rind auf den Anhänger, ganz unaufgeregt, einer der Hunde bleibt auf Abstand immer dahinter. Die Fahrt im Schritttempo geht nur wenige Meter, denn die Kills haben ihr eigenes Schlachthaus. „Das Tempo bestimmen die Tiere“, sagt Nina, und die Tiere vertrauen ihr. Am Schlachthaus angekommen ist aber spürbar, dass es jetzt ernst wird. Auch Sebastian Kill und ein helfender Metzger sind voll konzentriert. Jetzt darf nichts schiefgehen. Für einige Sekunden ist die Stimmung angespannt, der Bolzenschussapparat wird aufgesetzt, das Rind betäubt, ins Schlachthaus fallen gelassen und durch einen gezielten Stich getötet. Das Blut fließt ab. Mir wird nicht schwarz vor Augen, aber schon etwas schummrig. Hier wurde aus einem Lebewesen plötzlich ein toter Körper, der dann mit handwerklicher Kunst und viel Kraft zerlegt wird.

Nachher spreche ich mit den Kills über diesen Moment. Nina sagt offen: „Je besser ich ein Tier kenne, desto schwerer fällt mir das Schlachten.“ Sebastian bezeichnet es als Scheidepunkt, wenn er im vertrauensvollen, ruhigen Umgang dem Tier plötzlich den Bolzenschussapparat aufsetzt. Spüren sie auch Trauer dabei, jede Woche vertraute Tiere zu schlachten? „Ja“, sagt Nina, „wenn wir viel schlachten, dann kann ich auch an mein Limit kommen.“ Die wirklich dramatischen Todesszenen, die sie schildern, stammen allerdings von kranken oder verletzten Tieren. Der Tod ist selten ein unbeschwertes Einschlafen, auch nicht in der freien Wildbahn. Es ist beeindruckend, wie Nina und Sebastian mit aller Empathie und Fachlichkeit auf ihre Tiere schauen, ihnen das bestmögliche Leben ermöglichen — und aus ihrer Sicht auch das bestmögliche Sterben.

Nach meiner Reise bin ich mir sicher: Unser empathischer Blick auf die Tiere — also versuchen zu verstehen, was sie fühlen, und wie wir verantwortlich mit ihnen umgehen können — wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzenten noch zu einem großen Thema entwickeln.

Die Aktivisten, mit denen ich gesprochen habe, stehen dabei an vorderster Front. Eine solche Entwicklung braucht immer Kämpfer*innen, die kompromisslos für ihre Sache eintreten, wenn nötig auch konfrontativ, immer wieder radikal aus der Perspektive der Tiere geschaut. Was uns die Tiere zur Massentierhaltung sagen würden, ist klar: Das geht gar nicht! Aber wollten die Bärenbrunner Kühe tatsächlich nicht in ihrem idyllischen Tal leben, wenn sie wüssten, dass sie später geschlachtet werden? Und würden meine Bienen akzeptieren, dass für vegane Produkte Chemie auf die Felder kommt, wenn dadurch weniger Schweinemast betrieben wird? Fänden es die Mistkäfer, Tausendfüßler und Schmetterlingsraupen auf einer Kuhweide gut, wenn wir ihren Lebensraum für einen Sojaacker umpflügten? Oder dass daraus wieder Wald wird, weil es keine Tierhaltung mehr gibt?

Die möglichen Antworten zeigen: So schwarz und weiß wie am Cube of Truth ist die Welt nicht ganz. Es gibt auch einige Schattierungen und Farben. Christian Vagedes von der Veganen Gesellschaft Deutschland fragte in einem Interview: „Wie können ehemalige Ausnutz-Tiere Teil einer neuen Kultur werden, in der wir die Tiere in unsere Kommunikation einbeziehen?“

Lasst uns also über Tiere sprechen — und mit ihnen!

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Ein Artikel aus dem aktuellen Kundenmagazin der GLS Bank, den ganzen Bankspiegel gibt es hier: ZUM BANKSPIEGEL

Zum cube of truth: anonymousforthevoiceless.org
Zum Bärenbrunnerhof: baerenbrunnerhof.de
Zum Interview mit Christian Vagedes https://www.info3-magazin.de/bio-dyn-trifft-vegan/
Zum Tierzuchtfonds für eine artgemäße Tierzucht www.tierzuchtfonds.de
Zum Fleischatlas: https://www.boell.de/de/fleischatlas
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions – Ausstellung im Hamburger Bahnhof
Weitere Artikel im Blog zum Thema: Ernährung
Die Sprachen der Tiere, Eva Meijer[/green_box]

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55 Antworten zu „Lasst uns über Tiere sprechen!“

  1. Avatar von Tine T.
    Tine T.

    Sehr guter Artikel. Sehr interessante Kommentare. Ich füge mal ein paar Gedanken hinzu.

    Ich bin 44 und seit 32 Jahren Vegetarierin, nach einem Schlachthofbesuch mit der Schulklasse. Habe auch vorher laut meiner Mutter nur püriertes Fleisch gegessen (Fleischwurst, Leberkäs, Salami, Frikadellen) … scheinbar war da schon immer eine gewisse Abneigung vorhanden. Meine Mutter (im Krieg als Kleinkind mit der Mutter nach Deutschland geflüchtet) hat dies jahrelang in keinster Weise verstehen können, für Sie ist Fleisch immer noch „was Gutes“ das man nicht ablehnt … sie wird dieses Jahr 76 und fängt so langsam an mit mir darüber zu reden und sich für die andere Seite zu interessieren …

    Ich nehme Fleisch als Tierleiche war, es ekelt mich an, daher fällt mir der Verzicht nicht schwer, es ist ja kein Verzicht für mich, sondern eine logische Schlussfolgerung. Es gibt für mich ja keine Alternative. Ich kann gut kochen, habe Gemüse schon immer geliebt, daher ist das alles auch sehr unkompliziert für mich.

    Vor 4 Jahren habe ich auf Pflanzenmilch gewechselt, was ich körperlich weiterhin sehr positiv warnehme … Käse esse ich noch zweimal die Woche ca. … Hätte man mir vor 30 Jahren gesagt dass ich mich 2018 immer noch erklären muss (bin die einzige Vegetarierin in meinem Freundeskreis, plus meinem Mann) hätte ich dies nicht geglaubt.

    Es ist gut dass man, zumindest in Großstädten, inzwischen sehr viel Auswahl hat um essen zu gehen.
    Es ist gut dass sehr viel mehr darüber berichtet wird.

    Es ist schade dass viele Veganer jeden nicht 100%igen angehen, anstatt sich zu freuen dass es mehr wird. Mir ist klar warum sie dies tun, man versteht es ja wirklich nicht warum „die anderen“ nicht drauf kommen, aber mit Aggressivität kommt man nicht weiter, dies provoziert nur Ablehnung.

    Es ist traurig dass so wenige bereit sind es zumindest mal für einen Monat zu versuchen, wenn schon nicht den Tieren zuliebe, dann der Gesundheit (dieser Aspekt kam bei mir erst später dazu, aber was sich am und im Körper verändert wenn man nicht mehr jeden Tag einen halben Liter Milch trinkt ist wirklich beeindruckend)

    Es macht mich wütend wenn jemand seinen Hund, seine Katze, sein Pferd abgöttisch liebt und mir davon berichtet, während er in seine Bratwurst beisst.

    Ich habe 30 Jahre lang vegetarisch gelebt ohne missionarisch tätig zu sein, bin immer davon ausgegangen dass die anderen schon drauf kommen … hat nicht geklappt. In den letzten 2 Jahren merke ich, dass ich dies nicht mehr kann. Seitdem werde ich zunehmend deutlicher in meiner Argumentation, wenn es Gesprächsbedarf gibt (Warum ich nicht in ein bestimmtes Restaurant gehe, wieso ich andauernd Sport machen kann ohne danach k.o. zu sein, etc.) … Bin sehr gespannt wie es weitergeht.

  2. Avatar von Jan
    Jan

    Ein wahnsinnig toller Beitrag. Was mcih jedoch an vielen Veganern stört ist dieses agressive und militante Verhalten was einige an den Tag legen und alle die sich nicht vegan ernähren sind schlechte Menschen, das sind so meine Erfahrungen. Wir achten sehr darauf woher wir unsere Lebensmittel beziehen und kaufen Fleisch, Milch, Eier usw nur bei Bauern aus der Region. Massentierhaltung lehnen wir grundsätzlich auch ab aber ich sehe das Problem doch da das es in meiner Kindheit nicht immer Fleisch gab weil es finanziell nicht drin war, dann wurde Fleisch immer billiger weil der Markt es verlangt hat. Wir alle als Gesellschaft sind doch daran schuld. Es ist wie mit allen anderen „Produkten“ auch, steigt die Nachfrage werden Möglichkeiten geschaffen diese bis zur Übersättigung zu stillen nur das in diesem Fall Tiere leiden müssen.

    1. Avatar von Martin
      Martin

      Hallo Jan,

      > Was mcih jedoch an vielen Veganern stört ist dieses agressive und militante Verhalten was einige an den Tag legen und alle die sich nicht vegan ernähren sind schlechte Menschen

      Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass dieses als aggressiv empfundene Verhalten meistens bei Neu-Veganern zu beobachten ist. Und dort ist es auch nur eine kleine (aber als laut empfundene) Minderheit. Wenn es in einem Gehirn irgendwann „klick“ macht und der Mensch erkennt, was die Tierproduktproduktion für die betroffenen Lebewesen wirklich bedeutet, dass man selber eigentlich niemandem Unschuldigen etwas zuleide tun will und dass der menschliche Verzehr von Tierprodukten entgegen der anerzogenen Vorstellungen gar nicht nötig ist, dann wollen einige dieser Menschen ihr Umfeld wachrütteln. Das ist aus psychologischer Sicht natürlich kontraproduktiv. Dennoch finde ich es wichtig, aus Gerechtigkeitsüberlegungen gegenüber den Tieren und den Menschen, die keinen Zugang zu einem Bauernhof um die Ecke haben, nur die maximal nötige Menge an Tierprodukten zu konsumieren bzw. keine mehr.

      > Wir achten sehr darauf woher wir unsere Lebensmittel beziehen und kaufen Fleisch, Milch, Eier usw nur bei Bauern aus der Region. Massentierhaltung lehnen wir grundsätzlich auch ab.

      Das finde ich sehr interessant, denn Menschen, die sich tiefere Gedanken um die Folgen der Produktion ihrer Nahrungsmittel machen, gibt es, zumindest gefühlt, eher selten. Daher würde mich interessieren, wie Sie folgende praktische Fragen aus Ihrem Erfahrungsbereich beantworten würden:

      1) Da Sie regelmäßig Fleisch, Milch und Eier einkaufen, gehe ich davon aus, dass Sie für sich herausgefunden haben, dass Sie ohne diese Produkte kein gutes Leben führen können. Oder, dass es zu schwierig ist, darauf zu verzichten. Oder dass das Leid der Tiere für die eigene geringe Menge gerechtfertigt ist. Oder aufgrund des sozialen Umfeldes oder der Gesellschaft. Trifft eine dieser Annahmen zu? Was ist die Hauptmotivation für Ihren Tierproduktkonsum? Konsumieren Sie aus Ihrer Sicht genau die richtige Menge an Tierprodukten, um gesund zu bleiben oder mehr oder weniger? Könnten Sie noch weiter reduzieren, als Sie es jetzt schon tun?

      2) Sie lehnen Massentierhaltung grundsätzlich ab. Dieser Grundsatz wird beim eigenen Kaufverhalten für zuhause konsequent umgesetzt. Wie sieht es in Situationen aus, wo Sie die Herkunft der Tierprodukte nicht unter Kontrolle haben und die Produkte garantiert nicht vom Klein-Bauern um die Ecke kommen? Ich denke da zum Beispiel an die Kantine, die Mensa, unterwegs, auf Reisen, im Restaurant, im Cafe, beim geselligen Abenden bei Freunden, beim Grillen auswärts, bei Familiengeburtstagen, beim Kuchen-Snack auf Veranstaltungen etc.

      3) Fleisch: Schlachten Ihre Bauern selber (so wie der Bärenbrunnerhof) oder werden die Tiere in ein anonymes Schlachthaus verschafft?

      4) Milch: Welche Kuhrassen werden eingesetzt? Wieviel Kraftfutter bekommen die Tiere zu fressen? Was passiert mit den männlichen Kälbern? Werden die Tiere künstlich besamt? Wurden die Kühe enthornt?

      5) Eier: Welche Lege-Hennen-Rassen werden eingesetzt? Selbst die meisten Demeter-Hühner kommen z. B. von Lohmann und die Elterntiere dort haben – auch weil das Gesetz dort schwächer ist – ein sehr schlechtes Leben.

      6) Eier: Woher kommen die Küken? Viele Landwirte können aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht selber züchten und müssen auf Zuchtbetriebe zurückgreifen. Dort herrschen in der Regel die schlimmsten Zustände. Kennen Sie die genaue Herkunft der Küken und die Umstände der Aufzucht?

      Auf eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen.

      > in meiner Kindheit nicht immer Fleisch gab […] Wir alle als Gesellschaft sind doch daran schuld. […] steigt die Nachfrage werden Möglichkeiten geschaffen

      Mich würde dabei interessieren, ob Sie dann heute mehr oder weniger Fleisch konsumieren als in früheren Zeiten? Den Zusammenhang, dass die Nachfrage das Angebot schafft, kann ja heutzutage eigentlich jeder einzelne ausnutzen und sich freiwillig dazu entscheiden, auf Tierprodukte wo es geht zu verzichten. Die Gesellschaft bildet sich ja aus der Summe der einzelnen Mitglieder und die Menschen mit Einsicht sind die, die als erstes handeln sollten.

      Viele Grüße

    2. Avatar von Tobias
      Tobias

      Hallo Martin,

      für mich ist dies ein Beispiel, wie andere Menschen nicht überzeugt werden.

      In meinen Augen muss Jan hier nicht die Hose runterlassen und jedes Details seiner Fleischherkunft offenlegen. Denn ich fürchte, dass die Reaktion später heißt „ha, da haben wir doch ein tierfeindliches Handeln, die Küken wurden vergessen“. Klar ist nämlich, dass wir in unserer Welt keine Perfektion finden werden, weder beim Fleisch, noch woanders. Wie, für die Windkraft musste Wald gerodet werden? Wie wird der T-Shirt-Näher behandelt? Verdient der Journalist angemessen? Wurden die Tomaten in einem Schutzgebiet angebaut? Wurde der Computer, von dem wir schreiben, unter menschenwürdigen und umweltverträglichen Bedingungen hergestellt?

      Daher finde ich es respektlos, andere Menschen zu Einzelthemen auszufragen. Jeder Mensch trägt Eigenverantwortung und hat auch bei Engagement persönliche Schwerpunkte und blinde Flecken.

  3. Avatar von Christine H.
    Christine H.

    Mit Interesse habe ich diesen Artikel und einige der bereits veröffentlichten Kommentare gelesen.
    Ich selbst finde es ebenfalls dringend notwendig, das Bewusstsein für das Tierwohl weiter zu schärfen, nicht nur für die Lebensumstände der „Schlachttiere“, sondern auch für alle anderen Tiere z.B. in Zoos, in Haushalten, in der Natur.
    Es wäre meiner Meinung nach viel geholfen und würde von der teilweise recht dogmatischen Diskussion wegführen, wenn wir Menschen der Natur insgesamt mit viel mehr Respekt begegnen würden, und damit meine ich den anderen Menschen, den Tieren, den Pflanzen, der Luft, den Böden und Gewässern.
    Dass Fleischkonsum allein aus ökologischen Aspekten auf ein Minimum reduziert werden sollte, ist das eine. Andererseits müssen wir uns ernähren, und Pflanzen sind auch Lebewesen. Und nur weil wir Menschen uns im allgemeinen einbilden, dass Pflanzen „niedere“ Lebewesen ohne Rechte sind, weil sie ja angeblich keine Schmerzen empfinden, dann fallen mir in diesem Zusammenhang viele Beispiele von inzwischen zum Glück widerlegten Behauptungen uns früheren Zeiten ein, wer angeblich keine Schmerzen empfindet und daher bei Operationen u.ä. nicht betäubt werden muss (Säuglinge) oder „niedere“ Tiere.
    Wo ziehen wir denn die Grenze? Bei Säugetieren, bei Fischen oder erst nach den Insekten und Würmern, die ja als gute Eiweißquelle in Teilen dieser Erde gelten?
    Ein letzte Sache möchte ich noch zu bedenken geben: sind die vielen Nahrungsergänzungsmittel und Convenience-Produkte für Veganer wirklich eine Alternative oder gar ein Gewinn? Letzteres sicher für die Hersteller, für die Erde sicher nicht. Da treibt die dogmatische Einstellung ganz seltsame Wurzeln.

    1. Avatar von Martin
      Martin

      > Wo ziehen wir denn die Grenze?

      „Klare Grenzen zu ziehen und Kategorien zu bilden, ist nicht einfach, da eine eindeutige Trennung oft nicht möglich oder sinnvoll erscheint. Eines ist jedoch sicher: Die Grenze zwischen Mensch und Tier ist eine willkürlich vom Menschen gezogene Grenze, die nicht rational begründet werden kann. Wer andere Lebewesen konkret schützen will, wird mit Kategorienbildungen eher sparsam umgehen und versuchen, so wenig Leid zu verursachen wie möglich. So kann davon ausgegangen werden, dass zumindest Tiere mit einem zentralen Nervensystem dazu fähig sind, Schmerzen zu empfinden.“ (vebu.de)

      Brauchen wir wirklich einer Hühner-Eier und Kuh-Milch im Kuchen? Brauchen wir wirklich Kuh-Milch im Kaffee-Latte? Brauchen wir wirklich Kuh-Milch-Schokolade? Bei „so wenig wie möglich“ ist bei uns noch viel Luft nach oben, bevor wir anfangen müssen, uns über solche Grenzen zu streiten.

      > oder erst nach den Insekten und Würmern, die ja als gute Eiweißquelle in Teilen dieser Erde gelten?

      Hier könnte man z. B. nach dem „Jeder nach seinen Bedürfnissen“-Prinzip vorgehen. Warum sollten wir hierzulande (industrialisierte Welt) weiterhin mit unserer Konsum-Nachfrage die Herstellung von Tierprodukten forcieren nur weil anderswo in der Welt die Menschen ganz andere Probleme haben als wir?

      > Andererseits müssen wir uns ernähren, und Pflanzen sind auch Lebewesen.

      „Aus ethischer Sicht sollte man selbst unter der Annahme eines Schmerzempfindens von Pflanzen darauf verzichten, Tiere zu essen. Denn durch den Konsum tierischer Produkte werden viel mehr Pflanzen verbraucht, als es bei einer pflanzlichen Ernährung der Fall ist. Somit würde man ganzheitlich betrachtet durch den Konsum pflanzlicher Produkte am wenigsten Leid erzeugen.“ (vebu.de)

      > sind die vielen Nahrungsergänzungsmittel und Convenience-Produkte für Veganer wirklich eine Alternative oder gar ein Gewinn?

      Die meisten dieser Produkte werden von „Flexitariern“ konsumiert. Die Veganer sind zwar oft die Buh-Leute, aber nicht immer an allem Schuld ;-). Was ist daran schlecht, Convenience-Alternativen für Convenience-Tierprodukte zu haben? Es erleichtert Menschen den Weg in einen tierprodukt-reduzierten Konsum.

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