Archivbeitrag

Lasst uns über Tiere sprechen!

Meist sind wir uns einig in der GLS Gemeinschaft. Wir sind für Ökologie, eine gerechtere Welt und gegen Atomkraft und Massentierhaltung. Ungemütlich kann es aber werden, wenn es ganz grundsätzlich um Tierhaltung geht. Veganer haben dazu deutlich andere Ansichten als beispielsweise Ökolandwirte. Wenn es um Tiere geht wird es schnell emotional und persönlich. Verlassen wir also einmal unsere gemeinschaftlichen Überzeugungen und gehen hinein in diese Kontroverse.

Diskutiert mit uns hier im Blog, hinterlasst uns einen Kommentar mit Eurer Meinung zum Thema Tiere & Ernährung.

 

Auch mich lässt dieses Thema nicht kalt, spätestens nachdem ich letztes Jahr einigen Kindern mal wieder meine Bienen gezeigt habe, drei Völker, die im Garten stehen und fleißig Honig bringen. Eine Wabe hatte ich rausgeholt und die Kinder durften vom Honig kosten. Alle staunten und freuten sich. Dann schritt allerdings eine Mutter ein, eine Veganerin, wie sich herausstellte. „Meine Kinder nehmen den Bienen keinen Honig weg“, sagte sie. Ich war zunächst etwas sprachlos, dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, meine schöne Bienenidylle infrage zu stellen. Mit den verbliebenen Kindern machte ich zunächst einfach weiter. Aber danach ratterten mir die Argumente durch den Kopf, warum ich im Recht bin: Es macht den Bienen bestimmt wenig aus, wenn etwas Honig fehlt. Jetzt im Spätsommer hängen die Bienen ohnehin oft in großen Trauben einfach im Stock herum und freuen sich vielleicht sogar, wenn sie die Wabe wieder schön in Ordnung bringen dürfen. Der Übergang von Arbeit zu Spiel ist auch bei Tieren oft fließend. Und überhaupt: Viele vegane Produkte kommen aus der industriellen Landwirtschaft, die unsere Bienen existenziell gefährdet. Die Spritzmittel sind das Problem, nicht das Honigernten. — Solche Gedanken setzten sich allmählich in mir fest und brachten damit wieder Ordnung in mein Weltbild, genauso wie das Bienenvolk wieder in seine Routinen verfiel, nachdem ich den Kasten mit dem Deckel verschlossen hatte.

Dennoch tauchten auch nach Wochen leise Zweifel auf. Nutze ich meine Bienen aus, wenn ich Honig ernte? Mit Blick auf den Bankspiegel musste ich außerdem feststellen, dass wir in den letzten Jahren eine Auseinandersetzung über Tierhaltung möglichst zu vermeiden suchten, nachdem einige Tierrechtler sehr aufgeladene E-Mails und Kommentare geschrieben hatten. Ein Kreditnehmer, der seine Hühner selbst schlachtet, wurde sogar einige Zeit lang beschimpft. Eine ungute Situation. Also machte ich mich auf den Weg.

Erste Station: Ein veganer Brunch

Bochum, sonntags um 13 Uhr. Ich bin mit einem GLS Kollegen verabredet. An der Türe treffe ich zufällig einen weiteren Kollegen und drinnen eine Kollegin. So exotisch sind sie also gar nicht, die Veganer. Jeder hat etwas mitgebracht und kann sich vom selbst gemachten Buffet bedienen. Echt lecker, vor allem die eine Hälfte mit den süßen Sachen. Es geht also auch ohne tierische Produkte.

Die Sitzplätze werden bald knapp. Die meisten hier sind unter 30. Wie die Lebensmittelindustrie auch schon festgestellt hat, strahlt diese Szene ein echtes Potenzial aus. Als ich meinen Notizblock auspacke und sage, dass ich über Tierhaltung schreibe, erhalte ich viel Aufmerksamkeit. Es sind vor allem die persönlichen Geschichten, die mich interessieren. Ein junger Aktivist erzählt, wie er zufällig auf YouTube gesehen hatte, was in einem Schlachthaus passierte. Das schockierte ihn so, dass er sich entschied: „Ich will niemanden mehr dafür bezahlen, dass er für mich intelligente Wesen tötet.“ Solche prägnanten Sätze höre ich dann immer wieder. Schnell wird deutlich, wie konsequent die Leute hier bereit sind, bestimmte Gedanken zu Ende zu denken — auch wenn sie als Folge ihr Leben ändern müssen.

Das ist großartig zu erleben. Und gleichzeitig erschütternd. Denn bin ich selbst ebenfalls dazu bereit? Es gibt auch ganz andere Geschichten, etwa die vom guten Leben. „Vegane Ernährung ist ein Gewinn für mich, kein Verzicht“, so eine Gesprächspartnerin. Der ganze Konsumwahn im Supermarkt kann ihr egal sein, weil sie nur ein paar wenige, qualitativ gute Produkte braucht. Das macht ihren Kopf frei für das, was wirklich wichtig ist im Leben. Ein großes Thema sind auch die ökologischen Folgen des Fleischkonsums: Zum Klimawandel trägt er mehr bei als Flugzeuge, Autos und alle anderen Transportmittel zusammen. Wer sich komplett ohne Fleisch ernährt, verursacht 60 Prozent weniger CO2-Emissionen. Sonst noch Fragen? Eine Ärztin ergänzt schnell im Vorbeigehen, dass laut WHO verarbeitetes Fleisch Krebs auslösen kann. Sie ist Onkologin und muss das wissen. Nach über zwei Stunden und zwölf beschriebenen Blättern meldet sich eine junge Frau, die schon länger schweigend dabeigesessen hat: „Ich will auch noch unbedingt etwas sagen.“ Sie erzählt, dass ein Drittel der weltweiten Getreideernte an Schweine verfüttert wird, mit der Folge, dass die Getreidepreise für die Armen steigen. — Ich bin erstmal bedient, habe keine Fragen mehr, aber großen Respekt vor allen meinen Gesprächspartner*innen.

Zweite Station: Fußgängerzone

Meine nächste Station ist samstagnachmittags in der Fußgängerzone. Hier bin ich mit Nadja Ismail verabredet. Sie organisiert den Cube of Truth, eine Aktion, die sich von Australien aus seit 2017 auch in Deutschland immer weiter ausbreitet. Ein starkes Bild: Zwölf Menschen stellen sich im Quadrat mit dem Rücken zueinander auf, weiß maskiert und schwarz gekleidet. In den Händen halten sie schwarze Tafeln, auf denen „Truth“ und „Wahrheit“ steht, sowie Laptops mit Videos aus der Massentierhaltung und Schlachtung. Die gezeigten Bilder sind schrecklich. „Das soll Fragen provozieren“, sagt Nadja. „Was ist die Wahrheit? Habe ich bisher in Lügen gelebt?“ Die Menschen sollen eine Verbindung zwischen dem herstellen, was in der Fleischindustrie passiert, und dem, was sie ansehnlich verpackt in ihren Einkaufswagen legen.

Nadja ist 19 und hat in Australien den ersten Cube gesehen. Zunächst war sie Vegetarierin. „Mir wurde dann aber deutlich, dass in Milch und Eiern sogar noch viel mehr Gewalt stecken kann als in Fleisch.“ Beim Cube ist sie meistens bei den Outreachern, sie führt also ohne Maske Gespräche mit Passanten. „Wichtig ist mir eine respektvolle Ebene. Niemand ist als Veganer geboren. Wir alle brauchen einen Anstoß, um unsere Gewohnheiten zu ändern.“ Auch die meisten Aktivisten*innen hinter den Masken sind jung. Sie gehören zu der Generation, von der die aktuelle Shell Jugendstudie sagt: Ihr politisches Engagement bringt sie weniger in traditionellen Organisationen ein, sondern in Konsumboykott und anderen Aktionen. Das politische Interesse junger Leute ist demnach seit 2002 von 31 auf beachtliche 40 Prozent gestiegen. Das ist auch hier zu spüren. Man fühlt sich als Teil einer globalen Bewegung. Per Facebook sind die weltweit über 400 Aktionsgruppen bestens vernetzt und unterstützen neue Initiativen. Für Ende Juni ist ein vierundzwanzigstündiger Cube in Berlin angekündigt, vermutlich ein Großevent.

Bleibt noch eine Frage, die mich als GLS Banker besonders umtreibt: „Ist denn Ökotierhaltung okay?“ Nadja antwortet sofort: „Nein!“ Das Töten von Tieren ist in jeder Hinsicht unethisch, „egal wie viel Grün sie vorher gesehen haben. Wir sollten die Tiere einfach in Ruhe lassen“, so Nadja. Auch in dieser Frage zeigt der Cube of Truth also klare Kante.

Dritte Station: Tiere vom Bärenbrunnerhof

Zwei Tage später bin ich unterwegs zum Bärenbrunnerhof, die letzten sechs Kilometer vom Bahnhof zu Fuß auf Wanderwegen durch den schönen Pfälzer Wald mit seinen roten Sandsteinfelsen. Landwirtschaft gibt es hier kaum noch. Die Böden sind zu sauer und die Sommer zu trocken. Wälder und Büsche breiten sich aus. Früher gab es hier überall offenes Weideland mit einer großen Artenvielfalt. Eine interessante Beobachtung: Die durch Tierhaltung entstandene Kulturlandschaft war attraktiv für viele Pflanzen und Wildtiere. Ohne Tierhaltung schwindet die Biodiversität wieder. Ganz andere Probleme waren auf dem Weg hierher zu sehen: großflächig industrialisierte Landwirtschaft, oft tierfrei mit Einsatz von chemischem Dünger. Ist das die Zukunft? Mit Chemie bewirtschaftete Flächen ohne Tiere auf der einen Seite, verwaldete Mittelgebirge mit wenig Vielfalt auf der anderen Seite?

[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]

Das Ehepaar Kill hat anderes vor. Auf ihrem Bioland-Betrieb leben 50 Kühe mit Jungvieh, 60 Schweine und 450 Hühner, eine Bilderbuchidylle zwischen aufragenden Felsen. Dazu kommen noch Hütehunde, Pferde und ein kleines Tierheim für Katzen, die im Laufe der Zeit hierher gebracht wurden und zu denen Nina Kill nicht Nein sagen konnte. Als ich ihr von den Cube-Aktivisten erzähle, sagt sie: „Das wäre sicher auch ein Weg für mich gewesen. Aber ich habe mich anders entschieden. Ich will an Alternativen arbeiten.“ Auf die Frage, wie sie Tiere essen kann, die sie vorher gekannt hat, fragt sie zurück: „Wie kannst du Tiere essen, die du nicht gekannt hast?“ Auch ihr ältestes Pferd, das sie von frühester Jugend an begleitet und mit 28 Jahren bald am Lebensende ist, soll geschlachtet werden. „Den Toni gebe ich doch nicht auf den Kadaverwagen. Er ist doch kein Müll.“

Heute ist Schlachttag auf dem Bärenbrunnerhof. Ich gehe mit Nina zum Stall und sie bringt ein Rind auf den Anhänger, ganz unaufgeregt, einer der Hunde bleibt auf Abstand immer dahinter. Die Fahrt im Schritttempo geht nur wenige Meter, denn die Kills haben ihr eigenes Schlachthaus. „Das Tempo bestimmen die Tiere“, sagt Nina, und die Tiere vertrauen ihr. Am Schlachthaus angekommen ist aber spürbar, dass es jetzt ernst wird. Auch Sebastian Kill und ein helfender Metzger sind voll konzentriert. Jetzt darf nichts schiefgehen. Für einige Sekunden ist die Stimmung angespannt, der Bolzenschussapparat wird aufgesetzt, das Rind betäubt, ins Schlachthaus fallen gelassen und durch einen gezielten Stich getötet. Das Blut fließt ab. Mir wird nicht schwarz vor Augen, aber schon etwas schummrig. Hier wurde aus einem Lebewesen plötzlich ein toter Körper, der dann mit handwerklicher Kunst und viel Kraft zerlegt wird.

Nachher spreche ich mit den Kills über diesen Moment. Nina sagt offen: „Je besser ich ein Tier kenne, desto schwerer fällt mir das Schlachten.“ Sebastian bezeichnet es als Scheidepunkt, wenn er im vertrauensvollen, ruhigen Umgang dem Tier plötzlich den Bolzenschussapparat aufsetzt. Spüren sie auch Trauer dabei, jede Woche vertraute Tiere zu schlachten? „Ja“, sagt Nina, „wenn wir viel schlachten, dann kann ich auch an mein Limit kommen.“ Die wirklich dramatischen Todesszenen, die sie schildern, stammen allerdings von kranken oder verletzten Tieren. Der Tod ist selten ein unbeschwertes Einschlafen, auch nicht in der freien Wildbahn. Es ist beeindruckend, wie Nina und Sebastian mit aller Empathie und Fachlichkeit auf ihre Tiere schauen, ihnen das bestmögliche Leben ermöglichen — und aus ihrer Sicht auch das bestmögliche Sterben.

Nach meiner Reise bin ich mir sicher: Unser empathischer Blick auf die Tiere — also versuchen zu verstehen, was sie fühlen, und wie wir verantwortlich mit ihnen umgehen können — wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzenten noch zu einem großen Thema entwickeln.

Die Aktivisten, mit denen ich gesprochen habe, stehen dabei an vorderster Front. Eine solche Entwicklung braucht immer Kämpfer*innen, die kompromisslos für ihre Sache eintreten, wenn nötig auch konfrontativ, immer wieder radikal aus der Perspektive der Tiere geschaut. Was uns die Tiere zur Massentierhaltung sagen würden, ist klar: Das geht gar nicht! Aber wollten die Bärenbrunner Kühe tatsächlich nicht in ihrem idyllischen Tal leben, wenn sie wüssten, dass sie später geschlachtet werden? Und würden meine Bienen akzeptieren, dass für vegane Produkte Chemie auf die Felder kommt, wenn dadurch weniger Schweinemast betrieben wird? Fänden es die Mistkäfer, Tausendfüßler und Schmetterlingsraupen auf einer Kuhweide gut, wenn wir ihren Lebensraum für einen Sojaacker umpflügten? Oder dass daraus wieder Wald wird, weil es keine Tierhaltung mehr gibt?

Die möglichen Antworten zeigen: So schwarz und weiß wie am Cube of Truth ist die Welt nicht ganz. Es gibt auch einige Schattierungen und Farben. Christian Vagedes von der Veganen Gesellschaft Deutschland fragte in einem Interview: „Wie können ehemalige Ausnutz-Tiere Teil einer neuen Kultur werden, in der wir die Tiere in unsere Kommunikation einbeziehen?“

Lasst uns also über Tiere sprechen — und mit ihnen!

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Ein Artikel aus dem aktuellen Kundenmagazin der GLS Bank, den ganzen Bankspiegel gibt es hier: ZUM BANKSPIEGEL

Zum cube of truth: anonymousforthevoiceless.org
Zum Bärenbrunnerhof: baerenbrunnerhof.de
Zum Interview mit Christian Vagedes https://www.info3-magazin.de/bio-dyn-trifft-vegan/
Zum Tierzuchtfonds für eine artgemäße Tierzucht www.tierzuchtfonds.de
Zum Fleischatlas: https://www.boell.de/de/fleischatlas
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions – Ausstellung im Hamburger Bahnhof
Weitere Artikel im Blog zum Thema: Ernährung
Die Sprachen der Tiere, Eva Meijer[/green_box]

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55 Antworten zu „Lasst uns über Tiere sprechen!“

  1. Avatar von Annika Bromberg
    Annika Bromberg

    Trotz aller Diskussionen in den vorausgegangenen Beiträgen, wollen wir doch sicher alle das Gleiche: keine Tiere mehr in einer nicht tiergerechten Haltung. Schweine müssen im Stroh, besser noch in der Erde wühlen können und sollten nicht auf Spaltenböden stehen. Kühe brauchen kein Soja zu fressen, sie brauchen „nur“ Gras, Heu, Wasser und gegebenenfalls etwas Getreide und sie wollen sich bewegen können. Vieles muss in der Tierhaltung anders werden – dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen!
    Allerdings müssen wir uns auch von der Vorstellung lösen, die Tiere würden in der Natur bis zum Alterstod auf der Weide stehen. Bei Wildtieren erreichen die wenigsten Tiere das ihnen mögliche Höchstalter, sondern sie werden vorher von Raubtieren oder Parasiten zur Strecke gebracht.
    Auch wurden viele artenreiche Gebiete wie die Heide oder Kalkmagerrasenflächen, durch die von Menschen gelenkte Beweidung von Tieren erst erschaffen. Werden sie nicht weiterhin gepflegt wachsen sie wieder zu, verbuschen zunächst und werden dann zu Wald. Dies hat direkten Einfluss auf die Biodiversität (ein Beispiel dazu: https://www.nzz.ch/schweiz/die-gruenerle-erobert-die-alpen-1.18130369). Wir benötige also Tiere die diese Flächen pflegen. Der Landwirt, der wiederum die Tiere pflegt, braucht aber auch ein Einkommen (nur von guten Tarten alleine, kann man leider nicht leben). Entweder durch den Verkauf von Tieren (sprich Fleisch) oder durch Subventionen. Die heutige Subventionierung der Landwirte hat aber leider dazu geführt, das reiche Landwirte noch reicher werden und die, die etwas für den Naturschutz tun, wenig von den Geldern abbekommen. Hier ist die Politik gefragt, die aber anscheinend oft die Interessen der großen Landwirte vor die Interessen der Allgemeinheit stellt. Naturschutzmaßnahmen und eine möglichst naturnahe Landbewirtschaftung sollten aber gefördert werden (weitere Infos hier: http://www.arc2020.eu/)

    1. Avatar von Martin
      Martin

      > Der Landwirt, der wiederum die Tiere pflegt, braucht aber auch ein Einkommen (nur von guten Taten alleine, kann man leider nicht leben). Entweder durch den Verkauf von Tieren (sprich Fleisch) oder durch Subventionen.

      Bei gutem Willen, Tiere so weit wie möglich zu schonen, gibt es noch mehr Alternativen. Zum Beispiel diese hier:

      – Die Pflege der Tiere könnte auf den Verkaufspreis der pflanzlichen Produkte umgelegt werden.

      Was ist an sinnvoll gestalteten Subventionen schlecht? Der arm/reich- und groß/klein-Konflikt muss nicht zwangsläufig auf dem Rücken der Tiere ausgetragen werden.

      Das Schlachten von Tieren mit rein wirtschaftlichen Motiven zu rechtfertigen, hält keiner ganzheitlichen ethischen Betrachtung stand und ist sogar gesetzeswidrig. Z. B. schreibt die Bundestierärztekammer 2015 in einer Stellungnahme zur Versorgung von Bullenkälbern der Milchviehrassen: „Die Bundestierärztekammer weist darauf hin, dass sowohl die systematische Vernachlässigung als auch das Töten ohne vernünftigen Grund – und wirtschaftliche Ineffizienz ist kein vernünftiger Grund – nicht nur unmoralisch ist, sondern auch einen Straftatbestand darstellt.“

  2. Avatar von Karlheinz Jahraus
    Karlheinz Jahraus

    Sehr geehrter Herr Zientz,

    Zu Ihrem Beitrag über Tiere möchte ich einige persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Zusammenleben und Arbeiten mit Tieren schildern.
    Ich habe zwanzig Jahre lang in der Biologisch-dynamischen Landwirtschaft (BDLW) und weitere 15 Jahre als Landschaftsgärtner gearbeitet und viele Erfahrungen mit Tieren gemacht.

    Die BDLW wurde von Rudolf Steiner entwickelt, wobei er, wie in der gesamten Antroposophie, spirituelle, also übersinnliche Aspekte, wesentlich miteinbezogen hat.
    Er weißt darauf hin, daß eine gesunde Landwirtschaft, ohne eine vernünftige Tierhaltung, nicht möglich wäre. Meine jahrzehnte-langen Erfahrungen in der Arbeit mit der Natur haben das bestätigt.

    Da die Frage nach dem Schlachten von Tieren eine wesentliche ist,möchte ich zunächst darauf eingehen.
    Ich habe selber Kleintiere geschlachtet und war oft beim Schlachten von Schafen, Schweinen und Rindern dabei.
    Eine ganz entscheidende Erfahrung, die m.E. Aspekte zeigen, wie diese Frage auch aus der Sicht der Tiere beantwortet werden könnte, möchte ich Ihnen schildern.
    Ich spreche ganz bewußt auch die spirituellen Aspekte an, da ich meine, daß ohne diese eine umfassende Antwort auf diese Fragen nicht möglich ist.

    Zu Beginn meiner landwirtschaftlichen Laufbahn war ich zu Besuch bei einem Kleintierzüchter, der drei Gänse schlachten wollte.
    Da er nicht in der Lage war, sie einzufangen, bat er mich,
    ihm dabei zu helfen. Am nächsten Tag wollten wir die Gänse gemeinsam schlachten.
    Ich erinnerte mich dann an Aussagen R. Steiners, daß auch Tiere eine Geistseele haben, ähnlich wie der Mensch einen Wesenskern, also sein Ich, hat. Nur eben nicht in ihrem irdischen Tierleib bewußt anwesend.
    Das wollte ich ganz ernst nehmen und dieses “ Gruppen-Ich“ der Gänse persönlich ansprechen. Am Abend ging ich zu den Tieren
    und sagte ihnen ganz einfach: “ Ihr werdet morgen geschlachtet, damit die Menschen euch essen können, denn sie haben Hunger.
    Eure Seele wird dann in ihre geistige Heimat zurückkehren.“

    Es war hier schon interessant zu beobachten, mit welch zugewandter
    Aufmerksamkeit mir die drei Gänse lauschten.
    Was dann am nächsten Morgen passierte,hielt ich eigentlich nicht für möglich.
    Ich ging in aller Frühe alleine zu den Gänsen. Sie standen schon bereit und ließen sich in aller Ruhe von mir nehmen. Als ich sie zur „Schlachtbank“ trug,waren sie ganz entspannt,aber hoch aufmerksam. Dann geschah etwas völlig unerwartetes, aber für mich zutiefst Bewegendes:
    jede einzelne Gans hielt mir ihren wunderschönen, schneeweißen Hals hin……..und zwar so,daß ich sie ohne Umstände schlachten konnte !
    Ich spürte auch, wie die ganze Zeit über, eine außer-gewöhnliche,feierliche Stimmung über dem Garten lag.
    Für mich war klar, die Tiere sind völlig damit einverstanden, daß wir sie töten und essen!
    Die Haltung und Schlachtung der Tiere muß aber respektvoll, wesensgemäß, in Dankbarkeit und in einem persönlichen Verhältnis geschehen.In der Massentierhaltung ist das nicht möglich.

    Ich habe mehrere Arten des Tötens von Tieren erlebt,auch im Schlachthof.
    Die Erlebnisse, die die Tiere dort oft haben ( Angst,Streß, Fluchtinstinkt,und ein deutlich erkennbarer Wille leben zu wollen )konnte ich genau so auch in Kenia, in freier Wildbahn,
    bei einem Büffel wahrnehmen, der von einem Löwinnenrudel gerissen wurde.

    Da wurde mir schlagartig klar, daß wir Menschen das Schlachten kultivieren können, so wie ich es mit den Gänsen erlebt hatte.

    Ich höre immer öfter von Demeterbetrieben, die ihre Tiere auf das Schlachten vorbereiten, teilweise mit richtigen Ritualen.
    In alten Kulturen war dies ja auch üblich.
    Heute müßte dies bewußt ergriffen werden, was eine tiefere Erkenntnis dieser Fragen erfordert.

    Seit ein paar Jahren gelingt es mir hin und wieder eigene übersinnliche Erfahrungen zu machen.
    So durfte ich,mehr als drei Jahrzehnte nach dem Erlebnis mit den Gänsen,eine bewußte Begegnung mit dem Geistwesen einer Nutztierart haben.
    Dabei wurde mir u.A.gezeigt, daß dieses Wesen von Herzen gerne seine irdischen Leiber für uns „hingibt“!
    Mir ist natürlich klar, daß in der heutigen, sehr materialistisch geprägten Zeit, die meisten Leute so was für Spinnerei halten.
    Wer mehr über diese Begegnung wissen möchte, kann sich gerne direkt an mich wenden.

    Wenn man Schlachten für unethisch hält, müßte man sich dann nicht die Frage stellen, ob Kulturen wie die Eskimos oder Massai eine Existenzberechtigung haben ?

    Müßte man sich dann nicht auch die Frage stellen, ob es vertretbar ist, Pflanzen zu essen, denn auch sie werden, spätestens in unserer Verdauung, abgetötet und können so nicht mehr ihrem natürlichen Tot entgegen gehen ?

    Ich habe nicht die geringsten Zweifel, daß auch die Wesen der Pflanzen voll damit einverstanden sind, daß wir ihre, im Irdischen erscheinenden Leiber, töten und von ihren Kräften leben.

    Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch, ein Tier, oder eine Pflanze getötet wird.
    Das Wesen des einzelnen Menschen – sein Ich -, das seinem irdischen Leib braubt würde,hätte keine Möglichkeit mehr auf der Erde wirksam zu werden.
    Das wäre erst mit einer neuen Inkarnation wieder möglich.

    Das Wesen des Tieres, das gar nicht als individuelles Wesen im einzelnen Tierleib, sondern in allen Tieren einer Art – als seinem Organismus – lebt, kann in diesem Organismus weiter auf der Erde wirksam werden. Es muss nur dafür gesorgt sein, daß immer genügend Nachkommen da sind.
    Erst wenn eine Tierart ganz ausgerottet würde, könnte man von Tod sprechen, so wie man vom Tod bei einem Menschen spricht.

    Der Tod bei den Pflanzen ist nochmal etwas anderes.
    Im Unterschied zu Tier und Mensch ist bei ihnen alles das, was Wahrnehmung und Empfindung ermöglicht, nicht in ihrem Leib drinnen,sondern wirkt von außen ein.
    Sie haben deshalb z.B. kein Schmerzempfinden.
    Das Wesen der Pflanzen ist auch nicht in den physischen Pflanzen anwesend, sondern wirkt aus noch größerer „Entfernung“ als bei den Tieren, auf die irdischen Pflanzen ein.

    Wenn auch mein Beitrag nun recht lange wird, möchte ich doch noch den Aspekt der Evolution von Mensch und Natur kurz ansprechen.

    All die Wesen, die sich in der Natur in einen bestimmten Zustand begeben haben (Mineral, Pflanze, Tier) können keine „Höherentwicklung“ durchmachen. Aus einer Pflanze kann kein Tier entstehen usw.Die Natur kann sich immer nur im Kreise drehen und sich selber reproduzieren.
    Mit der Agrarkultur, also dem Bearbeiten der Natur durch uns Menschen, wird das aber anfänglich möglich.

    Bei der Züchtung von Pflanzen wird das Seelische stärker in den Pflanzenleib hineingezogen.Schön zu sehen ist das beim Obst,
    wo z.B.aus dem steinharten, grünen, geschmacklosen Holzapfel ein farbiger,süßer, aromatischer, essbarer Apfel gezüchtet wurde.

    Bei der Kultivierung der Wild- zu den „Haustieren“ hilft der Mensch den Tieren das Trieb- und Instinktleben, wenigstens anfänglich, zu überwinden.
    Eine Arbeit, die sonst nur der Mensch bewußt an seinem Seelenleben tun kann – aber nicht muß, wir sind da heute relativ frei ( wenn man von gesellschaftlichen Zwängen absieht).
    Das Tier erfährt hier (unbewusst), wie „Ich-Kräfte“ auf das Seelische einwirken.
    Das sind natürlich die Ich-Kräfte des Menschen, noch nicht des einzelnen Tieres, aber ich glaube, daß diese Erfahrung für die Tiere auf lange Sicht von Bedeutung ist.
    Ich denke, Antoine de Saint-Exupéry hat das geahnt, läßt er doch den Fuchs zum Kleinen Prinzen sagen: „ Bitte zähme mich“ !

    Da liegt noch eine große Aufgabe vor uns, die bewußt ergriffen werden müßte, wo auch ich noch viele Fragen habe.

    Ich halte es auch für sinnvoll, die Tiere direkt mit Worten anzusprechen.
    Anfangs war ich verblüfft, daß sie darauf antworteten – nicht mit Worten, aber mit Taten !

    Wenn man „Nutziere“ mit Herz und Verstand hält, hat nicht nur der Mensch einen Nutzen davon, sondern auch die Tiere.

    Sie werden nicht nur vor Raubwild und Witterung geschützt, oder mit Futter versorgt, sondern wir ermöglichen ihnen, das rein Tierische zu überwinden.

    Der Nutzen, den die Natur in der Agrarkultur haben kann, droht heute von zwei Seiten her verloren zu gehen.
    In der industriellen Landwirtschaft steht nur noch der Nutzen des Menschen im Fordergrund – die reine Ausbeutung der Natur.

    Auf der anderen Seite führt ein Naturschutzgedanke, der die Natur erhalten will, wie sie ohne den Menschen wäre, für die Natur in eine Sackgasse.
    Ein falsch verstandenes Mitgefühl mit den Tieren führt oft zu der Forderung, keine Nutztiere mehr zu halten.
    Das würde die Tiere wieder vom Menschen entfernen, sie würden wieder in die „Wildheit“ verbannt werden.

    Ganz kurz noch einige andere Aspekte:
    krank vom Fleischkonsum wird man nur, wenn man zu viel davon ißt, oder die Qualität nicht stimmt.
    Beides ist heute sehr oft eher die Regel, als die Ausnahme.

    Die Bodenfruchtbarkeit entwickelt sich am besten mit einer standortgerechten Tierhaltung.Das ist meine eigene Erfahrung und in wissenschaftlichen Arbeiten auch bestätigt ( siehe z.B. http://www.forschungsring.de/ ).

    Im Landwirtekurs von R. Steiner wird auf die zentrale Bedeutung des tierischen Dungs, insbesondere der Kuh, für die Qualität der pflanzenlichen Lebensmittel hingewiesen.

    Da gibt es viele Hinweise und noch viel zu erforschen.
    Siehe z.B. http://www.lebendigeerde.de/index.php?id=heft_2011_6

    Eine gesunde Landwirtschaft, auch mit Tieren, hilft das Klima zu schützen – im Gegensatz zur industriellen LW.
    Mehr hierzu z.B.in dem Buch von Anita Idel „ Die Kuh ist kein Klimakiller.

    Schöne Pfingstgrüße

    1. Avatar von Nathan V.
      Nathan V.

      Sehr geehrter Herr Jahraus,
      es ist sehr spannend die Sicht eines Demeter-Landwirten zu lesen. Einen solchen Einblick hatte ich bisher noch nicht. Für meine folgende Frage gehe davon aus, dass die biologisch-dynamischen-Prinzipien in Europa flächendeckend zur Ernährung der Menschen eingesetzt wird. Wäre es dann aus Ihrer Sicht möglich, die Schlachtzahlen der Tiere soweit zu reduzieren (indem z. B. die Tiere länger leben gelassen werden als bisher aus wirtschaftlichen Erwägungen üblich und indem keine Milchviehhaltung betrieben wird, die meines Wissens nur aufgrund der Kundennachfrage von außen nötig ist), dass nur noch so viele Tierprodukte produziert werden, dass allein die Landwirte und ihre Familien dieses Fleisch verwerten können und somit alle anderen Menschen in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft keine Tierprodukte essen müssen, um diese Form der Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten?

      Oder haben alle Menschen in den hoch-entwickelten europäischen Gesellschaften sogar eine moralische Pflicht, ihren Anteil an Tieren und Tierprodukte zu essen? Mein Gefühl würde das verneinen. Wie sehen Sie das?

      Herzliche Grüße

    2. Avatar von Damian P.
      Damian P.

      Sehr geehrter Herr Jarhaus,

      vielen Dank für Ihre Ansicht und Erfahrungen.
      Aus meiner Sicht kann man die Erfahrungen, die sie mit Tieren gemacht haben, jedoch auch anders interpretieren. Die Tiere haben sich Ihnen nicht geopfert, sondern im Vertrauen an Ihren Guten Willen Ihnen ihre Hälse hingehalten. Welchen Sinn hätte denn in diesen Fall ein Kampf ergeben?
      Ich würde auch wiedersprechen, dass Tiere nur ein Gesamtbewusstsein haben. Das Bewusstsein von Menschen und Nicht-Menschlichen Tieren wurde z.B. 2012 in der „ Cambridge Declaration on Consciousness“ verglichen und festgestellt, dass wir Menschen nicht einzigartig in unserem Empfinden von Bewusstsein sind:
      „Convergent evidence indicates that non-human animals have the neuroanatomical, neurochemical, and neurophysiological substrates of conscious states along with the capacity to exhibit intentional behaviors. Consequently, the weight of evidence indicates that humans are not unique in possessing the neurological substrates that generate consciousness.“

      Quelle: http://fcmconference.org/img/CambridgeDeclarationOnConsciousness.pdf

      Ich glaube die meisten Menschen, die Kontakt mit Tieren haben oder hatten, sei es auf einem kleinen Hof, ein Lebenshof mit Haustieren oder auch beim Kontakt in der Wildnis, würden auch wiedersprechen, dass Tiere keine eigene Persönlichkeit besitzen. Es gibt ängstliche, verspielte, neugierige, usw. Tiere. Ob menschlich oder nicht Menschliches-Tier keines ist komplett wie das andere ?.
      Die Landwirtschaft kann im Zweifel auch weiterhin Mist und Gülle verwendet werden, hierfür können die Tiere mit den Menschen leben ohne von Ihnen geschlachtet und gegessen zu werden. Ich schließe mich der Meinung vom Nobelpreisträger George Bernard Shaw an:
      „Animals are my friends and I do not eat my friends“
      Best Grüße

    3. Avatar von Christa M.Lorei
      Christa M.Lorei

      Lieber Karl Heinz Jahraus,
      Ihr Beitrag hat mich zutiefst berührt, er ist so ehrlich und mit Herz und Erfahrung geschrieben, ich möchte mehr von Ihnen erfahren.
      Freundliche Grüße
      Christa M. Lorei

  3. Avatar von Isolde R
    Isolde R

    Hier noch mehr Informationen zur Kuhhaltung in Deutschland:

    ttps://vebu.de/tiere-umwelt/massentierhaltung-ausbeutung-von-tieren/kuehe-kuhhaltung-in-der-milchproduktion/

    oder zur Schweinehaltung, gelesen in:

    https://vebu.de/tiere-umwelt/massentierhaltung-ausbeutung-von-tieren/schweinemast-schweine-in-schweinehaltung/

    oder ist es wirklich so, dass nur „etwas Honig fehlt…“

    https://vebu.de/tiere-umwelt/massentierhaltung-ausbeutung-von-tieren/bienen-bienensterben-industrielle-bienenhaltung/

    etwas zu Hühnern:

    https://vebu.de/tiere-umwelt/massentierhaltung-ausbeutung-von-tieren/huehner-in-huehnerzucht-und-huehnerhaltung/

    gelesen in der Website von proveg:
    „Die meisten Sojabohnen werden zu 80 % Sojaschrot beziehungsweise -mehl und knapp 20 % Sojaöl verarbeitet. Der proteinreiche Schrot wird fast ausschließlich als Tierfutter verwendet. Nur 2 % des Schrotes dienen direkt der menschlichen Ernährung, etwa als Backzutat oder für vegan-vegetarische Fleischalternativen. Sojaschrot als Futtermittel hat somit nicht nur mengenmäßig den größeren Anteil an der Bohne, sondern mit bis zu 75 % auch an ihrem Wert. Das Öl ist längst nur noch das Nebenprodukt des Futtermittelanbaus.“
    Es ist also nicht nötig „einen Lebensraum fu?r einen Sojaacker umzupflu?gten…“
    Gäbe es weniger Nutztiere bräuchte es weniger Soja.

    Für die Natur, die Artenvielfalt:
    mehr dazu:
    https://vebu.de/tiere-umwelt/umweltbelastung-durch-fleischkonsum/

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