Mara Liebal von „erlassjahr.de“ fordert, dass arme Länder bessere Chancen bekommen. Die G20 müssten das Problem der Überschuldung endlich erkennen.
Mara, am Freitag kommen Mitglieder der „Debt20“ in die GLS Bank Hamburg. Wer ist das denn?
Das sind 20 Menschen aus kritisch verschuldeten Ländern. Darunter sind Regierungsmitglieder, Menschen aus NGOs oder ein Bischoff. Wir haben versucht, eine möglichst repräsentative Auswahl zu treffen, von kleinen Karibikinseln wie Grenada oder Barbados über rohstoffreiche Länder wie Mosambik, europäische Staaten wie Slowenien bis hin zu großen Ländern wie Pakistan oder Südafrika.
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Wann ist ein Land „kritisch verschuldet“?
Für unseren jährlichen Schuldenreport schauen wir auf fünf Indikatoren, die Schulden ins Verhältnis setzen beispielsweise zu den Staatseinnahmen oder Exporten. Für jeden Indikator haben wir drei Grenzwerte festgelegt. Auffällig ist, dass sich die Lage weltweit deutlich verschlechtert hat. Aktuell zählen wir 116 Länder, die mindestens einen Grenzwert überschreiten. Das sind 33 mehr als noch vor zwei Jahren.
Wie kann sich das ändern?
Dass ein Land kritisch verschuldet ist, heißt nicht zwangsläufig, dass es zahlungsunfähig ist. Man muss in jedem Land genau hinschauen. Vor allem fehlt ein faires Verfahren zur schnellen und fairen Lösung von Schuldenkrisen. Bislang müssen die Regierungen unter allen Umständen weiter ihre Kredite bedienen und dafür Sozialleistungen kürzen. Darunter leiden die Menschen. Die betroffenen Länder haben kaum Mitspracherecht. Letztlich wird es für fast alle teurer, auch die Gläubiger, das haben wir grade erst wieder in Griechenland gesehen. Wir brauchen eine unabhängige Instanz, die festlegt, welche Schulden bezahlt werden können – und welche nicht. Nehmen wir den Senegal. Das Land musste 14-mal mit seinen Gläubigern verhandeln, weil die „Lösungen“ der Gläubiger sich immer wieder als unzureichend herausgestellt haben.
Wieso sind die weltweiten Entwicklungsziele, die SDGs, zu vage?
Was in Ziel 17 der SDGs zu Schulden steht, ist gar nicht schlecht. Leider wird es nicht umgesetzt. Weiterhin kontrollieren die reichen Gläubiger, wie mit Schuldnern umgegangen wird. 2014 hat die Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer in der UNO (die G77) gefordert, dass ein faires Verfahren kommen muss. Ihre Resolution kam sogar durch, wir waren total begeistert. Aber danach haben die elf reichen Länder, die gegen die Resolution gestimmt haben, die Verhandlungen komplett boykottiert, darunter auch Deutschland. Nichts ist passiert.
Was erwartet ihr vom G20-Gipfel?
Wir wollen, dass die G20 anerkennen, dass Schuldenkrisen in vielen Ländern drohen und die aktuellen Mechanismen zum Umgang mit diesen Krisen nicht ausreichen. Wir können die Entwicklungsziele nämlich nicht erreichen, wenn Länder nur damit kämpfen, ihre Kredite abzuzahlen. Genug gute Ideen, wie ein Staateninsolvenzverfahren aussehen kann, liegen auf dem Tisch.
Können private Investoren helfen?
Deutschland setzt sich ja für den Compact für Afrika ein, der für private Kredite und Investitionen wirbt. Die Idee ist generell ganz gut. Aber es wird komplett ignoriert, dass Kredite immer auch mehr Schulden bedeuten. Und damit steigt die Gefahr einer Schuldenkrise. Laut unserem Report überschreiten die Verschuldungsindikatoren bereits jetzt in 43 Ländern in Afrika kritische Grenzwerte. Eine Kapitaloffensive ohne Vorkehrungen dafür zu treffen, was passiert, wenn die Schulden nicht mehr tragbar sind, ist unverantwortlich.
Mara Liebal ist Mitarbeiterin von erlassjahr.de. Die Kampagne wird von 189 Organisationen weltweit unterstützt.
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Foto: erlassjahr.de
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