Vorstandssprecher Thomas Jorberg über die gescheiterte Energiepolitik, neue soziale Techniken und eine Riesenchance durch Communitys.
Ist am Hambacher Wald unsere Energiepolitik gescheitert?
Ganz offensichtlich! Es gibt keine kohärente Energiepolitik, sondern höchstens Stückwerk. Es fehlt eine Gesamtschau auf die Zusammenhänge. Dass jetzt ein Gericht die Rodungen am Hambacher Wald gestoppt hat, ist nicht verwunderlich. Denn wer diese Energiepolitik von außen sieht, der kann das nicht gutheißen — wie auch die deutliche Mehrheit der Bevölkerung. Die große Politik befasst sich lieber mit technischen Kleinlösungen wie Rußfilter und Software für Dieselmotoren, aber nicht damit, welche Rahmenbedingungen wir insgesamt für Klimaschutz, Mobilität et cetera brauchen.
Was kann die GLS Bank tun?
Zunächst einmal finanzieren wir weiterhin den Ausbau erneuerbarer Energien, wie seit 30 Jahren. Immer wichtiger werden intelligente Stromnetze, Energiespeicher und Steuerungssysteme zur dezentralen Energieerzeugung. Je weiter diese neuen Technologien entwickelt werden, desto deutlicher wird aber, dass dazu auch eine soziale Vernetzung notwendig ist. Diese aktuelle Entwicklung schreit geradezu nach Communitys. Das ist weitgehend noch Zukunftsmusik, aber mit unseren über 200.000 Kundinnen und Kunden können wir genau solche Strukturen schaffen. Wir haben gemeinsame Zukunftsbilder und erste erfolgreiche Modelle. In unserer Kundschaft wird Energie produziert, konsumiert, gehandelt, es gibt Dienstleister, Anlagenhersteller und so weiter. Das ist eine Riesenchance.
Sind wir nicht bereits eine solche Community?
Bislang haben wir nur duale Beziehungen, jeweils von der Bank zu den einzelnen Kundinnen und Kunden. Was wir brauchen, sind multilaterale Beziehungen oder, wie Otto Scharmer sagt, „Eco-Systems“. Es gibt viele Beispiele, wie solche Communitys erfolgreich ihre eigenen Rahmenbedingungen schaffen, beispielsweise in der „solidarischen Landwirtschaft“. Die Landwirte verzichten auf Pestizide, dafür muss aber in Kleinarbeit das Gemüse gehackt werden. Sie legen ihre Zahlen offen und bekommen dafür das bezahlt, was sie zum Leben brauchen. Sie bauen keine Monokulturen an, sondern die ganze Vielfalt, um die Gemeinschaft zu versorgen. Solche Gemeinschaften, die konkret ihre eigenen Rahmenbedingungen geschaffen haben, gilt es zu beschreiben und soziale Techniken zu entwickeln, sodass sie auch die Versorgungssicherheit und die Freiheit bieten, die wir alle uns heute wünschen.
Genügen neue Rahmenbedingungen auf dieser Mikroebene?
Nein. Was etwa den Klimawandel angeht, brauchen wir eine CO2-Abgabe. Dabei geht es nicht um zusätzliche Steuereinnahmen für den Staat, sondern um ein Steuerungsinstrument dafür, dass sich umweltschädigendes Verhalten nicht mehr lohnt. Bei einem Preis ab 40 Euro pro Tonne CO2 aufwärts werden die schmutzigen Braunkohlekraftwerke rein ökonomisch nicht mehr konkurrenzfähig sein. Dann kann der bisherige bürokratische Wildwuchs von Steuern und Subventionen einfach entfallen. Darum hat unsere Stiftung Neue Energie jetzt eine Kampagne in Auftrag gegeben mit dem Ziel, eine CO2-Abgabe einzuführen.
Insgesamt sind wir an einer entscheidenden Schwelle beim Umbau unseres bisherigen „Egosystems“ zu einem echten „Ökosystem“, wie Otto Scharmer das bezeichnet. In unserer Kundschaft haben wir alles, was wir dafür brauchen. Die lebhaften Proteste im Oktober um den Hambacher Wald haben wieder einmal gezeigt, was möglich ist, wenn sich Menschen engagieren. Jetzt kommt es sehr darauf an, dass wir diese Chance auch wirklich nutzen!
Was meint ihr dazu? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Diskutiert mit.
Info: Vom Egosystem zum Ökosystem – gls.de/scharmer
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[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]
Foto: Oliver Friedrich
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