Der eigene Erfolg genügt nicht mehr. Wir müssen lernen, uns als Teil von Ökosystemen zu sehen. Für die GLS Bank könnte das eine neue Rolle bedeuten.
Von Thomas Jorberg, Vorstandssprecher GLS Bank
Unsere Mitglieder, Kundinnen und Kunden haben bereits die Rahmenbedingungen geändert, die üblicherweise in unserer Ökonomie gelten — sowohl für sich selbst, als auch zusammen als GLS Gemeinschaft. Denn nicht der persönliche Gewinn ist ihre Motivation, sondern sie wollen zukunftsweisende Initiativen ermöglichen: verantwortungsvoll geführte Unternehmen, ökologische Landwirtschaft, soziale Inklusion, dezentrale Bürgerenergie, nachhaltige Mobilität und anderes mehr. Dadurch konnte in den letzten Jahrzehnten eine eindrückliche Landschaft von Initiativen und Unternehmen entstehen. Weltweit sind soziale und technische Lösungen für Ökologie und eine gerechtere Gesellschaft entwickelt worden. Gemeinsam können wir zeigen: Eine andere Welt ist möglich.
Für einen grundlegenden Wandel reicht das aber nicht aus. Innerhalb des bestehenden Systems ist es nur begrenzt wirkungsvoll, die einzelnen Lösungen zu kopieren und zu verbreiten. Das heißt, es müssen sich auch die politischen Rahmenbedingungen ändern. Sonst besteht die Gefahr, dass nicht wir das System verändern, sondern das System uns.
Auf globaler Ebene gibt es bereits wichtige multilaterale Vereinbarungen, die zukunftsweisend sind: insbesondere das Klimaabkommen von Paris und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die sogenannten SDGs der UN. Darin ist ein kulturelles, soziales und ökologisches Leitbild beschrieben, wohin die Welt sich entwickeln soll. Fast alle Länder haben dem verbindlich zugestimmt. Aber damit ist dies noch nicht in regionales und nationales Recht umgesetzt. Darum muss es nun gehen.
Es ist ermutigend, dass viele Menschen derzeit für den Klimaschutz auf die Straße gehen. Mit Fridays for Future ist eine neue Bewegung entstanden. Auch Unternehmen ergreifen zunehmend ihre gesellschaftliche Verantwortung. Die GLS Bank etwa macht mit ihren vier Forderungen politischen Druck: für ein Grundeinkommen, für die Entlastung von Arbeit und die Belastung von Kapital, für Abgaben sowohl auf CO2-Emissionen als auch auf Spritz- und Düngemittel. Damit könnten Weichen gestellt werden, sodass sich perspektivisch nur noch nachhaltige Wirtschaft lohnt. Als Bürger*innen sind wir aufgerufen, dafür in unseren Ländern und Regionen zu kämpfen. Die globalen Vereinbarungen können uns dabei stärken.
Parallel dazu steht auf der Mikroebene ein grundlegender Wandel der Unternehmen an. Für Unternehmen genügt es nicht mehr, einzelne Produkte zu verkaufen. Auch mit Blick auf die GLS Bank müssen wir in dieser Hinsicht selbstkritisch feststellen, dass auch unsere Kundenbeziehungen weitgehend bilateral und noch wenig gemeinschaftlich sind. Im Fokus steht jeweils ein einzelnes Angebot, das zwischen Kunde und Bank vereinbart wird. In der Vergangenheit waren solche bilateralen Verhältnisse meist der stabilisierende Faktor in der Beziehung. Das ist aber mittlerweile immer weniger der Fall. Das liegt zum einen an der Digitalisierung, die viele Angebote auf dem Markt schwer unterscheidbar macht. Gleichzeitig wird ein Wechsel zwischen Anbietern immer leichter. Für viele nachhaltige Unternehmen kommt hinzu, dass ihre Angebote zunehmend von Konzernen oder neuen Anbietern imitiert und mit aller Macht auf den Markt gebracht werden. Alles das macht die bilaterale Kundenbeziehung immer instabiler.
Viele Unternehmen wissen darum, dass sie ihre Kundenbeziehungen jenseits von Preis und Produkt stärken sollten. Dafür brauchen wir aber Organisationsformen, die echte Kooperationen zulassen. Das bedeutet, dass die Organisation sich fortwährend neu erfinden muss. Dabei lohnt es sich, die Unternehmen nicht mehr als abgeschlossene Einheiten aufzufassen, die zwar Netzwerke bilden, aber doch in der Abgrenzung verbleiben, also im Wettbewerb zueinander stehen mit separaten Wertschöpfungsketten. Stattdessen sollten Unternehmen immer mehr in die Lage kommen, sich wirklich zu öffnen — für Kooperationen etwa zwischen dem Finanzbereich, dem Ökohandel, dem Energiesektor bis hin zu gemeinnützigen Organisationen, die ohne Profit arbeiten.
Konkret könnten solche multilateralen Vereinbarungen in der Biobranche zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Verbraucher begonnen werden. Im ersten Schritt wären Qualitätsstandards, Regionalität, Verarbeitungsund Transportqualitäten sowie Preisstrukturen zu formulieren. Durch solche verbindlichen und längerfristigen Vereinbarungen würden alle nachhaltig profitieren — von den Landwirten über die Verarbeitung bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Die GLS Bank könnte als Plattform für solche Kooperationen dienen. Eine Möglichkeit wäre, entsprechende Veranstaltungsformate anzubieten, die sich an die Verantwortlichen in den Unternehmen und Initiativen richten. Darin könnte es zunächst um den Austausch von Wahrnehmungen, Analysen und Einschätzungen gehen, auf Basis der konkreten Erfahrungen im eigenen Unternehmen. Darüber hinaus wäre eine Urteilsbildung über die Gesamtentwicklung der sozial-ökologischen Branchen möglich und zum Schluss eventuell auch Beschlüsse und gemeinsame Entscheidungen für kollaborative Projekte und unternehmerische Aktivitäten. Diese Veranstaltungen könnten durch digitale Angebote und Services für multilaterale
Kooperationen ergänzt werden. Das wäre eine neue Aufgabe für die GLS Bank. Sie würde damit die Menschen in ihrer Rolle als Bürgerinnen und Bürger unterstützen: Als Verbraucher schaue ich kritisch auf das jeweilige Produkt; als Produzent will ich mich am Markt behaupten; als Anleger achte ich auf Rendite und Sicherheit — aber als Bürger habe ich zusätzlich den Blick aufs Ganze. Mehr Regionalität macht für alle Sinn. Dauerhafte Qualität geht nur mit fairen Preisen. Quälerische Tiertransporte will wirklich niemand. Viele scheinbare Interessengegensätze werden dadurch relativiert. Hierzu sollten wir uns die passenden Rahmenbedingungen schaffen.
Auf der globalen Ebene sind die Weichen bereits entsprechend gestellt. Auf der Anwendungsebene wurden in den letzten Jahrzehnten viele konkrete Lösungen entwickelt. Jetzt geht es um die regionale und nationale Umsetzung. Dafür sind wir gemeinschaftlich in der Verantwortung.
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[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]
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